«Viele unserer Alltagsprodukte wie etwa Gemüse oder Kleidung werden teils von Betroffenen von Menschenhandel produziert. Wer mit Verantwortung einkauft, trägt zur Würde der Menschen bei», erklärt Eurídice Márquez Sánchez, IOM-Koordinatorin zur Bekämpfung des Menschenhandels, im pressetext-Interview.
Billig kommt teuer
Bisher versuchte man den weltweiten Menschenhandel durch Prävention und Unterstützung von Betroffenen in den Herkunftsländern zu unterbinden. Der Erfolg war aber mässig. Weiterhin befinden sich 7,4 Mio. Menschen in Situationen wie Zwangsarbeit und Ausbeutung, wovon über eine Mio. Opfer von Menschenhandel sind. «Die Nachfrage nach ausbeuterischer Arbeit für billige Güter und grosse Profite gibt es bei den Konsumenten und auch in der Wirtschaft weiterhin. Solange nicht beide mitmachen, wird man nicht gegen Menschenhandel ankommen», so die Expertin.
Die Situation könnte sich ändern, wenn die Konsumenten ihre Rolle bewusster wahrnehmen und ihr Verhalten entsprechend ausrichten. «Wertvoll ist besonders die Frage: Was steckt hinter den Dingen, die ich kaufe? Kann ich ausschliessen, dass in der Produktion Menschen ausgebeutet wurden, etwa durch Kinderarbeit, Hungerlöhne oder fehlende Sicherheitsbestimmungen?», erklärt Márquez. Gütesiegel wie etwa die Fairtrade-Logos oder auch ein Blick auf die Homepage der Clean Clothes-Kampagne sind oft aufschlussreich, im Zweifelsfall empfiehlt die Expertin auch die Nachfrage beim Supermarkt oder Händler selbst.
Sklaverei auch in Europa
Sensibilisieren will auch die Kampagne «Buy responsibly» von IOM, Clean Clothes und Südwind, die nach Brüssel und Genf nun in Wien Station macht. «Die Aktion soll den Menschen ins Bewusstsein bringen, dass es auch innerhalb Europas Menschenhandel gibt, vor dem man die Augen nicht verschliessen darf», so die IOM-Expertin. Frauen und Kinder werden heute etwa zunehmend zum Zweck sexueller Ausbeutung gehandelt, sowie im Tourismus, im Reinigungs- und Haushaltsbereich, in der Kleinkriminalität oder in der Bettelei. Männer landen oft in Bau und Landwirtschaft .
Von Einzelgängen wird abgeraten
Viel mehr als verantwortungsvoll einzukaufen kann der Einzelne kaum tun. «Menschenhandel und Ausbeutung sind zwar weit verbreitet, doch schwer zu erkennen. Bei Verdachtsfällen sollte man als Zivilist nichts im Einzelgang unternehmen, um nicht sich selbst oder das Opfer in Gefahr zu bringen. Besser ist, man kontaktiert die Ermittlungsbehörden.» Im Unterschied zur Schlepperei, die sich gegen den Staat richtet, wendet sich Menschenhandel gegen das Individuum. Seine Kennzeichen sind die Anwerbung, die Androhung von Gewalt und die Ausbeutung der Arbeitskraft. «Die Betroffenen können nicht aus ihrer Situation entfliehen, etwa aufgrund von Armut oder ihrer familiären Situation», erklärt Márquez. (pte/mc/ps)