Ringen um sozial abgefederte Frühpensionierung dauert
In der 11. AHV-Revision wird das Rentenalter für Frauen von 64 auf 65 Jahre erhöht. Dadurch soll die AHV ab 2015 um jährlich 800 Mio CHF entlastet werden. Drei Lager rangen am Dienstag im Nationalrat um die Frage, ob das eingesparte Geld teilweise oder ganz für eine sozial abgefederte Frühpension eingesetzt werden soll.
Zwingender Beitrag zu langfristigen AHV-Sicherung
Für die SVP und Teile der FDP ist klar, dass dafür kein Geld fliessen soll. Die Einsparungen seien ein zwingender Beitrag an die langfristige Sicherung der AHV, deren Finanzierung wegen der Demografie langfristig gefährdet sei. Wer ein Jahr früher in Pension geht, soll nach Ansicht der SVP-Vertreter eine AHV-Renten-Kürzung hinnehmen, deren Höhe versicherungsmathematisch begründet ist. Konkret wären dies 5,5% für ein Rentenjahr, 10% für zwei und 14,4% für drei Jahre.
Nationalrat knapp gegen Nullvariante
Mit ihrem Antrag, ganz auf eine soziale Abfederung zu verzichten, liefen SVP und FDP diesmal auf. Im Gegensatz zur ersten Debatte sprach sich der Nationalrat ganz knapp mit 91 gegen 90 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegen eine Nullvariante aus.
Rat für Kompromissvorschlag
Stattdessen befürwortete der Rat einen Kompromissvorschlag der CVP/EVP/glp-Fraktion, der jährlich 400 Mio CHF kosten würde und weitgehend den Vorstellungen des Ständerats entspricht, der die versicherungstechnischen Kürzungssätze nur für Menschen anwenden möchte, die mehr als 34’200 CHF Jahreslohn haben. Wer darunger liegt, müsste gemäss Ständerat nur auf 2,3% der Rente verzichten, wenn er oder sie mit 64 in Pension geht. Für 5 Jahre Rentenvorbezug läge die Kürzung bei 9,2%.
Mehrheit für Maximalvariante – bei 73 Enthaltungen
Um diese Lösung zu verhindern, verhalfen die Taktiker von SVP und FDP im weiteren Verlauf der Abstimmungskaskade der linken Maximalvariante zum Druchbruch. 73 Ratsmitglieder – vorab aus der SVP und der FDP – enthielten sich der Stimme, als der Rat mit 71 gegen 39 der 1,15 Mrd CHF teuren Variante den Vorzug gab. Nach dem linken Vorschlag würden Menschen, die höchstens 54’700 CHF Jahreslohn haben, für ein Jahr Vorbezug eine Rentenkürzung von 1,5% erfahren. Für fünf Jahre wären es 7,5%. Bis zu einem Jahreslohn von 82’080 CHF würden die Kürzungssätze linear abgestuft.
Keine Mittel für Maximalvariante
Freude der Linken wollte über den Entscheid nicht aufkommen. Denn nur wenige Minuten später weigerte sich der Nationalrat mit 107 gegen 73 Stimmen, die Ausgabenbremse zu lösen und damit die Mittel für diese Variante freizugeben.
Auf der Suche nach dem «Ei des Kolumbus»
Damit bleibt es in dieser Frage bei der Differenz zwischen der grossen und kleinen Kammer. Sozialminister Didier Burkhalter hatte in der Debatte angetönt, dass er darüber froh ist. Kein Rat habe bislang das «Ei des Kolumbus» gefunden. Nun könne der Ständerat nochmals in Ruhe über die Bücher.
Neue Bedingungen für Renten-Anpassung
In der zweiten Schlüsselfrage sprach sich der Nationalrat für neue Bedingungen zur Renten-Anpassung an die Teuerung aus. Die Anpasung der Renten soll künftig vom Teuerungsniveau und der finanziellen Lage der AHV abhängen. Alle zwei Jahre soll der Teuerungsausgleich dann erfolgen, wenn der AHV-Ausgleichsfonds nicht unter 70 Prozent einer Jahresausgabe liegt und noch nicht mehr als 4 Prozent Teuerung aufgelaufen sind. Liegt die Teuerung über 4 Prozent, könnte der Bundesrat die Renten jährlich anpassen.
Ist der AHV-Ausgleichsfonds unter 70% gefallen, müssen mindestens 4% Teuerung aufgelaufen sein, damit alle zwei Jahre kompensiert wird. In diesem Fall müsste der Bundesrat aber sofort Sanierungsmassnahmen vorlegen.
Vergebliche Warnungen
Vergeblich hatte der Präsident des Schweiz. Gewerkschaftsbundes, Paul Rechsteiner, vor dieser Lösung gewarnt. Bei einer möglichen Referendumsabstimmung sei der Teruerungsausgleich eine zentrale Frage, sagte der St. Galler SP-Nationalrat und prophezeite den bürgerlichen Parteien, dass sie mit dieser Variante wie bereits 2004 beim Stimmvolk auflaufen würden.
AHV-Ausgaben von 51 Mrd. Franken bis 2025
Sozialminister Didier Burkhalter erinnerte dagegen daran, dass Handlungsbedarf bestehe. Ziel der Revision sei es, die AHV in eine gute Ausgangslage für die 12. AHV-Revision zu bringen, sagte er. Die AHV-Jahresausgaben würden in den nächsten Jahren von derzeit 36 Mrd CHF auf 51 Mrd CHF im Jahr 2025 ansteigen. Das Niveau des Ausgleichsfonds werde dabei von heute 110% einer Jahresausgabe auf 70% der jährlichen Ausgaben sinken. (awp/mc/pg/25)