Roger Köppel, Verleger und Chefredaktor Weltwoche

Von Radovan Milanovic


Moneycab: Neben der NZZ bildet die Weltwoche einen intellektuellen Stützpfeiler der Schweizer Medienlandschaft. Als Wochenzeitung ist sie mehr als die Tageszeitungen auf Abonnenten angewiesen. Wie haben sich die Abonnenten-Zahlen seit dem Crash 2007/2008 entwickelt?


Roger Köppel: Wir setzen auf bezahlte Auflage und haben diverse Gratislieferungen oder sonstige Speziallieferungen eingestellt. Die Zahl der voll zahlenden Abonnenten steigt.



«Als Unternehmer muss ich auf die harte Währung setzen: Voll bezahlte Auflage. Diese steigt. Was ich angesichts des Konzeptwechsels als grossen Erfolg werte, aber man muss jede Woche neu um die Gunst der Leser kämpfen.» Roger Köppel, Verleger und Chefredaktor Weltwoche


Dank fundiertem Recherchen-Journalismus und dem Mix aus politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen weist die Weltwoche in der Schweiz rund 340’000 Leser auf. Doch wichtig sind die zahlenden Leser. Nachdem Sie die Weltwoche Verlags AG zuerst zu 60%, dann vollständig übernahmen, stieg die Auflage der Weltwoche 2006 auf 82’849, 2007 auf 85’772 an, während sie im 2009 auf 81’772 zurück ging. Führen Sie den Rückgang nur auf das konjunkturelle Umfeld zurück? Oder sind zu of mit SVP-Meinungen überlappende Aussagen und Artikel weitere Gründe?&


Teile der Auflage beruhten auf Rabattgeschäften oder den sonst branchenüblichen Gratiszustellungen an Firmen, ehemalige Mitarbeitende etc.. Aus Gründen der Profitabilität haben wir damit aufgehört. Als Unternehmer muss ich auf die harte Währung setzen: Voll bezahlte Auflage. Diese steigt. Was ich angesichts des Konzeptwechsels als grossen Erfolg werte, aber man muss jede Woche neu um die Gunst der Leser kämpfen.



«Die Krise der Tageszeitungen ist für Wochenpublikationen ein Vorteil.»


Die Schweizer Presse hatte 2009 einen Einbruch der Werbeeinnahmen um 20,4% auf knapp 1’586 Mrd. Franken. Bereits 2008 gingen diese um 6,0% zurück. Am stärksten, konkret um 45,3% gingen dabei die Einnahmen aus Stelleninseraten auf 167,6 Mio. Franken zurück. Während diese Einnahmen bei der Finanz- und Wirtschaftspresse mit -30,1%, bei der Sonntagspresse mit ? 29,4% und bei der Tagespresse mit -21,6% zu Buche schlugen, verbuchte die Wochenpresse durchschnittlich nur ein Minus an Werbeeinnahmen von 1,2% auf 51,2 Mio. Franken. Wie erklären Sie sich diese Unterschiede? Wie entwickeln sich die Werbeeinnahmen der Weltwoche?


Auch die Weltwoche litt in der Wirtschaftskrise, doch der Verlag liegt zum Glück immer noch deutlich in den schwarzen Zahlen. Die Tagespresse leidet am stärksten unter dem Schwund ? das Internet wirkt sich hier verheerender aus. Die Sonntagszeitungen waren auf einem sehr hohen Niveau, das sich jetzt wohl etwas korrigiert hat. Die Krise der Tageszeitungen ist für Wochenpublikationen ein Vorteil.


Fallende Werbeeinnahmen, gekoppelt mit tieferer Auflage stehen unveränderten oder nur leicht tieferen Fixkosten gegenüber. Der Verlag betont jedoch, die Prosperität und die finanzielle Unabhängigkeit erlangt zu haben?


Sie können beruhigt sein. Ich habe die Weltwoche als massiven Verlustbringer übernommen und sie durch einen Konzeptwechsel aus dem linken Mainstream herausgeführt, weil ich Teile des Inhalts intellektuell einfach nicht mehr verantworten konnte. Ich ging davon aus, dass wir massiv Auflage verlieren, aber wir konnten das Niveau halten bis steigern. Da ich selber für den unternehmerischen Erfolg hafte, schaue ich mit Akribie darauf, dass Kosten und Erträge im richtigen Verhältnis stehen. 



«Das Führungsmodell mit einem persönlich haftenden Chefredaktor, der den Inhalt bestimmt und das Geschäftliche verantwortet, ist mein Prinzip. Das macht den Erfolg aus.»


Das Leserspektrum der Weltwoche reicht von jung bis alt. Auf welche Weise wollen Sie die Stammleser behalten und Neuleser gewinnen?


Unser Erfolgsrezept ist unabhängiger Journalismus und intensive Recherche. Ich habe ein ausgezeichnetes Team brillanter, mutiger Journalisten. Wir setzen Kontrapunkte und sind anders als die andern. Wir müssen wichtige Themen anpacken und unser Politestablishment durchleuchten. Zum Wohle unserer freiheitlichen Schweiz und ihrer Unternehmen.


Der Trend auf spezialisierte Wochen- oder periodisch erscheinende grössere Publikationen ist neben der Weltwoche auf die Bilanz, Stocks, Finanz und Wirtschaft, die Handelszeitung und den Beobachter zusammengeschmolzen. Mit Ausnahme der Weltwoche und des Beobachters konzentrieren sich alle diese Publikationen auf Wirtschaft und Börse. Sehen Sie die Weltwoche als ein Nischenprodukt?


Ja. Die Weltwoche ist ein Nischenplayer auf hohem Niveau, wie die Schweiz: Hoher Einsatz, grosse Wertschöpfung.


Die Leserschaft, welche bereit ist, für gedruckte Medien Geld zu zahlen, geht zurück. Anderseits sind Sie überzeugt, dass die Weltwoche Verlags AG auch künftig eine massgebende Rolle in der Schweizer Medienlandschaft spielen wird. Gehen Sie von veränderten Marktanteilen zu Gunsten der Weltwoche aus?


Wir müssen Marktanteile dazu gewinnen, indem wir ausschliesslich die Qualität der journalistischen Arbeit in den Vordergrund rücken. Wir schreiben, wie es wirklich ist. Man muss die Weltwoche lesen, weil sie nicht mit der Herde mitläuft. Dieses Credo gilt es immer wieder kraftvoll umzusetzen, was uns nicht so schlecht gelingt, wenn ich die grosse Präsenz meines Blattes in vielen aktuellen Debatten betrachte.



«Ich bin ein engagierter Journalist und setze mich mit Leidenschaft für die Schweiz ein. Diese Haltung prägt auch meinen publizistischen Ansatz.»


Die Weltwoche steht zwischen den beiden grossen im schweizerischen Medienmarkt Axel Springer Schweiz AG und Tamedia AG. Kann und wird die Weltwoche im schwierig werdenden Umfeld unabhängig bleiben oder ist der Weg zu Kooperationen vorgegeben?


Wir kooperieren und geschäften gerne mit der Konkurrenz, aber die unternehmerische Unabhängigkeit muss gewahrt werden. Das Führungsmodell mit einem persönlich haftenden Chefredaktor, der den Inhalt bestimmt und das Geschäftliche verantwortet, ist mein Prinzip. Das macht den Erfolg aus. Die Weltwoche eine unternehmergeführte Zeitung. Das steigert ihre Glaubwürdigkeit.


Wie schätzen Sie das Zukunftspotential alter Medien und wie das der Weltwoche ein, in Anbetracht des Wegsterbens der Gratiszeitungen in der Schweiz, sowie der Möglichkeit beinahe unbegrenzt verfügbarer Gratisinformationen über die neuen Medien?


Ich sehe es positiv. Die Weltwoche ist einzigartig. Je billiger die Information, desto wichtiger die intelligente Recherche.


Was sind Ihre Visionen bezüglich der Zukunft der Weltwoche?


Inhalt, Inhalt, Inhalt. 


Bei politischen Druckversuchen aus Deutschland, wie der Drohung von deutschen Bundesländern, die ominöse CD mit Bankdaten zu kaufen, vertreten Sie – auch in deutschen Medien – jeweils einen kompromisslosen schweizerischen Standpunkt. Was sind Ihre  Motive? 


Ich bin ein engagierter Journalist und setze mich mit Leidenschaft für die Schweiz ein. Diese Haltung prägt auch meinen publizistischen Ansatz.


Wohl um die Quoten von Roger Schawinskis Radio 1 zu erhöhen, duellieren Sie sich jeden Montag mit Roger Schawinski im Radio 1 beim Streitgespräch Roger vs. Roger. Sind Sie plötzlich Freunde geworden oder kündigt sich eine Zusammenarbeit Radio 1 mit der Weltwoche an?


Freunde? Wenn wir diskutieren, fliegen im Studio die Fetzen. Zusammenarbeit ist nicht geplant, aber wenn sich etwas ergibt, warum nicht.





Der Gesprächspartner:
Roger Köppel, geboren 1965, startete seine journalistische Laufbahn 1988 bei der NZZ und arbeitete dort während sieben Jahren in unterschiedlichen Ressorts, unter anderem im Sport und in der Filmredaktion. 1995 schloss Köppel sein Studium der Politischen Philosophie und Wirtschaftsgeschichte in Zürich ab. Beim Tages-Anzeiger war er ab 1994 Kulturredaktor. Drei Jahre später wurde er zum Chefredaktor des Tages-Anzeiger-Magazins berufen, 2000 wurde er stellvertretender Chefredaktor des Tages-Anzeigers. 2001 nahm Köppel das Angebot an, die Weltwoche als Chefredaktor zu führen. Unter seiner Ägide erfuhr das Traditionsblatt sowohl eine inhaltliche wie auch formale Neuausrichtung. Das klassische Zeitungsformat der Weltwoche wurde in ein Zeitschriftenformat überführt. 2004 wechselte Köppel in der Funktion des Chefredaktors zur Tageszeitung «Die Welt» in Berlin. Ende 2006 schliesslich übernahm er die von ihm neu gegründeten Weltwoche Verlags AG und amtet seither als deren Verleger und Chefredaktor. Köppel erhielt 2010 den Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik in Deutschland und wurde vom Branchenmagazin Schweizer Journalist zum «Journalisten des Jahres 2006» gewählt.


Das Unternehmen:
Die Weltwoche wurde 1933 als «Schweizer Wochenzeitung» nach dem Vorbild französischer Wochenzeitungen gegründet und wird seit 2002 als Wochenmagazin herausgegeben. Von 1980 bis 1994 waren Rudolf Bächtold und Jürg Ramspeck die Chefredaktoren. Der Jean Frey Verlag, zu dem die Weltwoche gehörte, wechselte mehrmals den Besitzer. 1987 wurde der Verlag zuerst von Werner K. Rey übernommen und in der Folge von Beat Curti, dessen Curti Medien Holding AG 1993 die Basler Zeitung (BaZ) einstieg. 1996 erwarb die BaZ schliesslich die Mehrheit der Anteile. 2001 wurde Roger Köppel Chefredaktor der Weltwoche und konzipierte sie im Magazinformat neu. Kurz darauf übernahm eine Gruppe von Finanzinvestoren um den Tessiner Financier Tito Tettamanti die Aktienmehrheit an der Jean Frey AG, dem Verlag der Weltwoche. Köppel tauschte die Redaktion fast vollständig aus und führte die Weltwoche auf einen neuen Kurs und erzielte nach einer Verlustphase von rund zehn Jahren erstmals wieder operativen Gewinn, vor allem dank grossem Zugewinn auf dem Anzeigenmarkt. Das Layout gewann zahlreiche Preise. Am 1. November 2006 wurde die Weltwoche Verlags AG aus der Jean Frey AG abgespalten. Köppel kaufte zunächst 60 Prozent der neuen «Weltwoche Verlags AG», um sie wenig später ganz zu übernehmen. Er übernahm gleichzeitig die Leitung der Weltwoche als Verleger und Chefredaktor.

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