Rolf Hueppi, CEO ParaLife
Von Patrick Gunti und Peter Stöferle
Moneycab: Herr Hueppi, Sie sind seit eineinhalb Jahren CEO von ParaLife und verkaufen in Kolumbien und Mexiko Mikroversicherungen. Wer ist die Zielgruppe des Angebots von ParaLife?
Rolf Hueppi: Wir richten uns ausschliesslich aus auf die Bedürfnisse nach finanzieller Sicherheit von Menschen der unteren Einkommensklassen, Menschen die an der Armutsgrenze leben, Kleinstunternehmer und Personen mit Behinderungen. Einfacher gesagt, wir helfen Menschen der «majority» in Entwicklungs-Ländern oder sogenannten «new economies» ihre wichtigsten finanziellen Risiken zu bewältigen und wollen damit einen Beitrag leisten zur Verbesserung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
Wie präsentiert sich das Modell von ParaLife?
Unser Geschäfts-Modell steht auf drei Säulen:
1. Wir entwickeln Lösungen in Form von Versicherungs-Produkten und Dienstleistungen, bestimmen Absatzkanäle, kreieren Marketing und Ausbildungs-Programme, unterstützen den Verkauf, verwalten Versicherungs-Portfolios und bezahlen Schäden.
2. Unsere Vertriebspartner verschaffen uns Zugang zu unseren Zielkunden. Ihnen ermöglichen wir eine sinnvolle Ergänzung ihrer eigenen Produkte, tragen zu ihrer Ertragskraft bei und erhöhen die Loyalität ihrer Kunden.
3. Für unsere Versicherungs-Partner, in der Regel führende lokale Gesellschaften, eröffnen wir neue Märkte. Für sie sind wir eine effiziente Möglichkeit des «out-sourcing» für Marktsegmente für die sie nicht gewappnet sind, und wir unterstützen sie mit unserer eigenen Rückversicherungs-Kapazität.
«Die grösste Nachfrage besteht allerdings im Krankenbereich. Eine neue Generation von einfachen Krankenversicherungslösungen und damit verbundenen Dienstleistungen ist derzeit in Entwicklung.»
Rolf Hueppi, CEO ParaLife
Welche Art von Versicherungen bieten Sie für die Bevölkerung vor Ort an?
Begonnen haben wir mit Kredit-Lebensversicherungen, Gruppen- und Einzel- Lebensversicherungen, Versicherungen zur Absicherung der schulischen Ausbildung von Kindern im Todesfall eines Elternteils, Sparversicherungen und der Absicherung des Grundernährungs-Bedarfes. Die grösste Nachfrage besteht allerdings im Krankenbereich. Eine neue Generation von einfachen Krankenversicherungslösungen und damit verbundenen Dienstleistungen ist derzeit in Entwicklung. Für Personen mit Behinderungen und deren Angehörigen haben wir ein auf ihre besonderen Bedürfnisse ausgerichtetes Produkt geschaffen.
Wie vertreiben Sie die Produkte vor Ort, wie gelangen Sie an die Kunden?
Wir erreichen unsere Kunden über Vertriebspartnerschaften, die mit unseren Zielgruppen verkehren, wie z.B. Mikro-Finanzinstitute, Banken, Produkte Vertriebsorganisationen, Detailgeschäfte und Supermärkte.
Arbeiten Sie auch mit anderen Organisationen, zum Beispiel NGO?s, zusammen?
In wenigen Einzelfällen, ja.
Wie viel Zeit verbringen Sie selber in den Zielmärkten des Unternehmens?
ParaLife entwickelt sich rasch. Wir stehen deshalb im täglichen Kontakt mit unseren operativen Geschäftstellen, und ich bin monatlich auch lokal vor Ort präsent.
Wie hoch sind die Kosten für die Versicherungsnehmer und welchen Nutzen hat der Kunde davon?
Unsere unterschiedlichen Versicherungslösungen richten sich nach den Bedürfnissen unserer Kunden und deren Kaufkraft. Eine Jahresprämie von (umgerechnet) 10 Franken entspricht etwa dem Durchschnitt des heutigen Lebensversicherungs-Portefeuilles, wobei die Prämien oft in Raten bezahlt werden. Unsere Leistungen decken z.B. Kreditverpflichtungen zwischen 100 und 10’000 Franken, Kosten für Beerdigung, Ernährung für Familien, Kosten der Ausbildung von Kindern und wir helfen mit im Todesfall eines Familien-Oberhauptes das finanzielle Überleben der Familie abzusichern.
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Und was verdient ParaLife, die ja auch eine gewinnorientierte Unternehmung ist, dabei?
Wir streben an, für unsere Aktionäre einen ? für ein sozialorientiertes Unternehmen ? angemessenen Ertrag zu erwirtschaften. Es haben sich alle unsere Aktionäre auch damit einverstanden erklärt, einen Anteil der zukünftigen Gewinne den ParaLife Stiftungen zuzuwenden. Unsere erste Stiftung führt bereits erfolgreiche Programme für die soziale und wirtschaftliche Integration von Personen mit Behinderungen.
Wer sind die Aktionäre und Geldgeber des Unternehmens?
Zu unseren Aktionären zählen internationale Entwicklungsinstitute wie die Weltbank (IFC), die Inter-American Development Bank (MIF) die Andean Development Corporation (CAF), sowie mehrere sozialorientierte Anlagefonds, die in Projekte in Entwicklungsländern investieren, und auch einige Privatpersonen.
«Für die Mehrheit der Bevölkerungen in Entwicklungsländern, also für Personen der unteren Einkommensklassen, sind verlässliche und effiziente Versicherungslösungen sogar wichtiger als für die 20% am oberen Ende der Bevölkerungspyramide.»
Rolf Hueppi, CEO ParaLife
Ist eine Expansion der Geschäftstätigkeit geplant und wenn ja, in welche Märkte?
Das Potential in unseren ersten beiden Märkten ist gross. Wir werden uns deshalb in diesem Jahr auf die Expansion in Mexiko und Kolumbien konzentrieren. Für die nächsten Jahre stehen Markteintritte in Brasilien, Argentinien und weiteren lateinamerikanischen Ländern an sowie auch eine Expansion nach Asien.
Viele Versicherungskonzerne haben den fehlenden Versicherungsschutz von Hunderten von Millionen armer Menschen als Marktlücke entdeckt. Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Geschäfts mit Mikroversicherungen generell?
Ich finde es ausgezeichnet, dass auch traditionelle Versicherungskonzerne diesen «vergessenen» Markt entdeckt haben. Nicht zu unterschätzen ist jedoch, dass es sich beim Mikroversicherungsgeschäft nicht einfach um «kleine» Versicherungen handelt. Im Vergleich zum traditionellen Geschäft sind Anpassungen in der Kultur, in der Kommunikation und den Systemen unabdingbar. Wir freuen uns, dass wir mehrere Versicherer in der Erschliessung dieser neuen Märkte begleiten und unterstützen können.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigt ParaLife heute?
Bei wachsendem Personalbestand haben wir eben die Zahl von 25 Kolleginnen und Kollegen überschritten.
Wie würden Sie die Unterschiede zwischen Ihrer einstigen Funktion als Chef der Zürich-Versicherungen mit über 70’000 Mitarbeitern und Ihrer heutigen Tätigkeit beschreiben?
Am Wichtigsten scheint mir, dass ich meine Zeit und Mittel für innovative und bedarfsgerechte Lösungen einsetzen kann und Erfolge wie auch Probleme an der Marktfront hautnah erlebe. Ernüchternd ist natürlich immer wieder, dass in einer jungen und noch kleinen Organisation viele Aufgaben nicht einfach weiter delegiert werden können, sondern intensiven Einsatz für das Detail verlangen. Ansonsten kann ich eigentlich nur dankbar sein für die breite Erfahrung, die ich früher sammeln durfte.
Sie waren 40 Jahre im traditionellen Versicherungsgeschäft tätig. Wie kommen Sie zu Ihrer heutigen Aufgabe?
Für die Mehrheit der Bevölkerungen in Entwicklungsländern, also für Personen der unteren Einkommensklassen, sind verlässliche und effiziente Versicherungslösungen sogar wichtiger als für die 20% am oberen Ende der Bevölkerungspyramide. In der Regel sind Versicherungsleistungen für sie im Notfall die einzige Sicherheit, auf die sie sich verlassen können. Möglichst vielen Personen mittels angemessenem Versicherungsschutz zu einem sichereren und besseren Leben zu verhelfen betrachte ich als eine brennende Herausforderung. Die langjährige Erfahrung, die ich auch in Entwicklungsländern machen durfte, ist wohl der Grundstein dafür, dass ich diese neue Herausforderung gerne annehme und mich auch über kleine Erfolge freuen kann.
Was bedeutet Ihnen Ihre heutige Funktion?
Herausforderung und Befriedigung zu gleich.
Herr Hueppi, wir bedanken uns für dieses Interview.
Zur Person
Rolf Hueppi ist Initiant von ParaLife und Verwaltungsratspräsident der ParaLife Holding AG. Rolf Hüppi begann 1963 eine langjährige Karriere bei der Zürich Versicherungs-Gruppe. 1983 wurde er als Verantwortlicher für Nordamerika, Grossbritannien, Asien und Australien in die Geschäftsleitung der Gruppe berufen. Gleichzeitig leitete er als CEO die Geschäftstätigkeit der Zürich in den USA. 1988 wurde Rolf Hüppi zum COO und 1991 zum CEO der Zürich Gruppe ernannt. Nach seiner Wahl in den Verwaltungsrat im Jahr 1993 folgte 1995 die Ernennung zum Verwaltungsratspräsidenten. 2002 trat er als CEO und Verwaltungsratspräsident der Zurich Financial Services zurück.
Zum Unternehmen
ParaLife wurde 2006 mit internationalen Entwicklungsbanken, Anlagefonds und anderen sozial orientierten Investoren gegründet, um Personen der unteren Kaufkraftklassen sowie Personen mit Behinderungen in Entwicklungs- und Schwellenländern Zugang zu Versicherungsprodukten zu ermöglichen. Diese Bevölkerungsschichten repräsentieren aktuell rund 80 Prozent der Weltpopulation. ParaLife offeriert diesen Menschen nutzvolle und erschwingliche Versicherungsprodukte inklusive Kundendienst. Angegliedert sich der schweizerischen ParaLife Holding AG – ebenfalls in der Schweiz – eine Gruppenmanagementgesellschaft und eine Lizenzgesellschaft sowie eine Rückversicherungsgesellschaft mit Sitz in Bermuda. ParaLife bearbeitet die lokalen Märkte Lateinamerikas über ihre lokalen Tochtergesellschaften unter Kooperationsverträgen mit führenden lokalen Versicherern und unter Franchising Agreements.