Von André Schäppi
Herr Nyfeler, Bachem hat mit den am letzten Freitag präsentierten Resultaten das beste Umsatzergebnis in der Geschichte erzielt. Auf welchen Effekten beruht dieses Glanzresultat?
Die zunehmende Wachstumsdynamik in der zweiten Jahreshälfte und der neue Umsatzrekord sind eine Bestätigung für unsere auf langfristige und nachhaltige Erfolge ausgerichtete Strategie. Unser diversifiziertes Portfolio an generischen Wirkstoffen und Projekten für neue Substanzen ermöglicht uns anhaltendes Wachstum, auch wenn die Marktbedingungen nicht überall optimal sind. Dabei haben die Märkte Nord- und Südamerikas mit einer Umsatzsteigerung von 13.4% in lokalen Währungen eine besonders dynamische Entwicklung gezeigt. Der Umsatzanteil dieser Region ist damit weiter gestiegen und beträgt nunmehr 40.4% gegenüber 36.6% in 2004. Nach wie vor ist in den für das Unternehmen bedeutenden Tätigkeitsgebieten in Nordamerika ein höheres Innovationspotential als in Europa zu beobachten.
Und wie beurteilen Sie den amerikanischen Markt?
Wir erwarten, dass sich das Wachstum in den nächsten Jahren fortsetzt.
Wie sieht es mit Asien aus?
Dieser Markt bewegt sich langsam, hat aber ein grosses Potenzial. Speziell Japan ist für Pharmaprodukte interessant und da wollen wir schon noch zulegen. Erleichtert werden sollte das durch Änderungen auf gesetzgeberischer Seite, die einem Hersteller den Markteintritt vereinfachen.
«Mit Katalogchemikalien lässt sich durchwegs gutes Geld verdienen»
Rolf Nyfeler, CEO Bachem
Rund 80% oder CHF 120 Mio. des Umsatzes entfallen auf Wirkstoffe, allen voran die peptidischen Generika. Kann man da in den kommenden Jahren noch weiter zulegen und wenn ja, wie viel?
Auf jeden Fall. Wir wollen in den nächste fünf Jahren 7.5 bis 10% organisch wachsen. Und dafür stehen die Chancen sehr gut.
Im Herbst hat das Tessiner Unternehmen mondoBiotech den Life Sciences Prize erhalten, das mit einem interessanten Geschäftmodell ein Alternativprodukt zu Actelions Tracleer auf den Markt bringen könnte. Es forscht nicht nach neuen Wirkstoffen, sondern versucht, für längst bekannte Wirksubstanzen neue Anwendungen zu finden. Das hat den Vorteil, dass diese Substanzen nicht mehr auf Toxizität oder Nebenwirkungen getestet werden müssen und schliesslich auch billiger auf den Markt kommen können. Bachem stellt den dafür benötigten Wirkstoffe Thymopentin her. Obwohl vorerst nur zu klinischen Testzwecken produziert, hat Bachem nicht nur die gesamte Prozessvalidierung übernommen, sondern haben sich auch exklusive Lieferrechte gesichert, sollte Thymopentin dereinst die Marktzulassung erhalten. Welche Chancen rechnen Sie sich mit diesem Produkt aus?
Im Falle einer positiven Entwicklung hat das sicher auch einen positiven Effekt für uns. Trotzdem verzichten wir darauf, Schätzungen für die Produkte unserer Kunden zu machen, weil das mit zu vielen Unsicherheitsfaktoren behaftet ist.
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Schon im Juli 2004 fand der erste Schulterschluss mit Bachem statt; damals für den von mondoBiotech entwickelten Wirkstoff Aviptadil. Dieser, ebenfalls bei PAH anwendbare Wirkstoff befindet sich bereits in der klinischen Testphase II. Hier ist bereits ein Zeitfenster kommuniziert: Die erste Zulassung wird für das Jahr 2007 erwartet. Welchen Einfluss auf die Produktionsauslastung könnte eine Zulassung erzeugen, und welchen Umsatzzuwachs würde im positiven Fall resultieren.
Da ist für uns schwer abschätzbar. Es handelt sich ja auch in diesem Fall um einen bekannten Wirkstoff, der für eine relativ seltene Indikation angewendet werden soll. Dementsprechend ist auch die Anzahl der Patienten beschränkt. Auf der anderen Seite gibt es oft nicht sehr viele Wirkstoffe, die zum Einsatz kommen können, weshalb schon eine Exklusivität entsteht. Aber derartige Stoffe sind nicht unbedingt grosse Umsatzträger. Produktionskapazität ist in ausreichenden Mass vorhanden.
Lonza hat vor kurzem die Übernahme der belgischen UCB bekannt gegeben. Damit rückt das Unternehmen auf Platz 2 im Peptidgeschäft vor. Könnte Bachem durch diese Stärkung Kunden verlieren?
Nein, dadurch ändert sich nicht viel an der bestehenden Situation, denn es gibt ja nicht einen Konkurrent mehr. Für uns sollte sich eigentlich nicht viel ändern. Trotzdem verfolgen wir die Entwicklung aufmerksam, da Lonza ein recht aggressives Marketing betreibt.
Während Lonza sich auf das individuelle, kundenspezifische und damit grösservolumige Geschäft konzentriert, bedient Bachem auch den Katalogmarkt (breite Palette vorgefertigter Peptide). Wollen Sie an dieser Strategie weiterhin festhalten?
Auf jeden Fall. Obwohl die Forschungschemikalien nur noch 20 % des Umsatzes ausmachen, sind sie für uns wichtig. Einerseits geben sie uns die Möglichkeit, in neue Projekte reinzukommen, und den Kontakt mit Kunden zu pflegen. Manch ein Projekt, das heute einen grösseren Umsatz generiert, hatte seinen Anfang in einem Forschungsprojekt mit ein paar hundert Euro. Andererseits können wir mit Kundensynthesen Prozess-Know-how entwickeln und kontinuierlich ausbauen. Dadurch können wir zu einem späteren Zeitpunkt bei der Wirkstoff-Herstellung die Prozesse sehr effizient gestalten. Daneben lässt sich mit Katalogchemikalien durchwegs gutes Geld verdienen.
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Bachem hat letztes Jahr rund 20 Mio. Fr. in den Ausbau in den USA und die Einrichtung eines Labors für zytotoxische Wirkstoffe investiert. Ab wann machen tragen diese Investitionen Früchte?
Den Ausbau in den USA werden wir ab Mitte Jahr sehr schnell voll auslasten können. Den Ausfall, die Inbetriebnahme war ja schon auf letzten Dezember geplant, haben wir versucht, mit Schnell-Umbauten abzufangen. Das ist uns mindestens teilweise gelungen. Das Labor für zytotoxische Wirkstoffe im Wallis ist für uns eine neues Business-Segment. Entsprechend wird es ein wenig länger dauern, bis es einen signifikanten Umsatz erzielen wird. Man darf nicht vergessen, dass die Anlage von den Kunden auditiert und inspiziert werden muss, was einfach Zeit in Anspruch nimmt. Trotzdem ist es ein vielversprechendes Segment, da wir damit unseren Kunden einen Zusatznutzen bieten können und unsere Wertschöpfungskette verlängern.
In letzter Zeit wurde über ein mögliches Zusammengehen der Bachem mit Dottikon spekuliert. Angesichts der in der Feinchemiebranche herrschenden Überkapazitäten stellt sich aber doch die Frage, ob ein Zusammengehen nicht für beide Unternehmen Vorteile bringen könnte.
Aus meinem Kenntnisstand gibt es nicht sehr viele Synergien. Wir sind in der Nische der Peptidherstellung, während Dottikon in der Nische der gefährlichen Reaktionen führend ist. Auch wenn Dottikon jetzt verstärkt bei Wirkstoffen zulegen will, sind die Vorteile, die sich durch einen derartigen Zusammenschluss ergeben könnten doch recht beschränkt.
Zur Person
Der Schweizer Rolf Nyfeler wurde 1950 geboren. Nyfeler schloss seine Ausbildung als Chemiker an den Universitäten Basel, San Diego sowie am Max Planck-Institut in Martinsried ab. Er trat 1982 in die Bachem ein und durchlief verschiedene Positionen: Zuerst verantwortlich für Forschung und Entwicklung, wurde er 1998 zum COO ernannt. Der promovierte Dr. phil. II war seit 2000 Mitglied der Geschäftsleitung und übernahm auf den ersten Mai 2002 die Funktion des CEOs der Bachem-Gruppe und wurde zur gleichen Zeit Vorsitzender der Konzernleitung.
Das Unternehmen
Bachem AG ist eine unabhängige, technologieorientierte Firma, die auf dem Gebiet der Biochemikalien und pharmazeutischen Wirkstoffe innovative Produkte herstellt und Verfahren entwickelt. Vom Hauptsitz in Bubendorf, Schweiz, und Niederlassungen in Europa und USA aus arbeitet das Unternehmen weltweit und nimmt in seinem Tätigkeitsgebiet eine führende Marktstellung ein. Bachem beschäftigte per Ende 2005 575 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von rund CHF 154 Mio.