Roschacher Opfer einer Intrige?
Hängig ist die politische Untersuchung der Vorgänge rund um den Rücktritt Roschachers. Ob er Opfer einer Intrige wurde, will nun das Parlament wissen.
Drei von vier Berichten entlasten Roschacher
Drei Monate nachdem Bundesanwalt Valentin Roschacher unter massivem öffentlichem Druck seinen Rücktritt per Ende Jahr bekanntgegeben hat, bleibt von den Vorwürfen gegen ihn nicht mehr viel übrig. Inzwischen liegen alle ausserordentlich erstellten Untersuchungsberichte vor; zwei davon wurden am Freitag vom Departement Blocher publik gemacht. Drei der vier Berichte, die verschiedene Aspekte rund um die Bundesanwaltschaft analysiert haben, entlasten Roschacher. Und der einzige kritische Bericht wird von der Expertengruppe unter der Leitung des Zuger Regierungsrats Hanspeter Uster stark relativiert.
«Weltwoche» unterstellte Roschacher unlautere Methoden
Seit langem sah sich Roschacher öffentlicher Kritik ausgesetzt. Es war die Rede von Pleiten und Flops. Erst im Juni dieses Jahres entfaltete die Kritik aber Breitenwirkung. Auslöser war ein Bericht der «Weltwoche». Sie titelte «Bundesanwalt, ausser Kontrolle», rollte den Fall des Bankiers Oskar Holenweger auf und unterstellte Roschacher unlautere Methoden, indem dieser einen kolumbianischen Drogenbaron namens Ramos als Informanten nutzte, um schliesslich ein – noch hängiges – Verfahren gegen Holenweger wegen Geldwäscherei zu eröffnen.
Markus Gisler unterstellte Roschacher Paranoia
Der Artikel löste eine Welle massiver Kritik an Roschacher aus. Die «Weltwoche» selber sprach im Fall Holenweger von «Zügen eines Justizskandals» und ganz generell von «gravierenden Missständen» in der Bundesanwaltschaft. Der SVP-Nationalrat und Blocher-Vertraute Christoph Mörgeli schrieb in der «Aargauer Zeitung» von einer «fast schon endlosen Serie von Pleiten, Pech und Pannen» und forderte Roschachers Rücktritt «innert Tagen». Der Publizist Markus Gisler unterstellte Roschacher Paranoia und warnte vor der Bedrohung «unbescholtener Bürger» durch den obersten Ankläger des Staates. Justizminister Christoph Blocher reagierte innert weniger Tage und kündigte zusammen mit seinem Parteikollegen Emanuel Hochstrasser, dem Präsidenten der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, eine ausserordentliche Überprüfung des Vorgehens des Bundesanwalts im Fall Ramos an.
Drei entlastende Berichte und Hochstrassers Schweigen
Mittlerweile gibt es vier Berichte: Einen Zwischenbericht Hochstrassers zur Kritik betreffend die geringe Anzahl Anklagen, die die Bundesanwaltschaft erhoben hat; den Bericht zweier Bundesstrafrichter zu den Ermittlungsmethoden im Fall Holenweger; die aus dem gleichen Grund ausgelöste Administrativuntersuchung durch den Fürsprecher Rolf Lüthi; die Analyse aller Strafverfolgungsbehörden des Bundes durch die Expertengruppe Uster. Alle Berichte entlasten Roschacher weitgehend – bis auf den Bericht Hochstrasser, der bisher nicht veröffentlicht wurde. Trotz Geheimhaltung gelangte er aber zur «Sonntags-Zeitung», die den Bericht vor einer Woche als «vernichtend» für Roschacher zusammenfasste. Dieser Befund aus Bellinzona wurde am Freitag durch die Arbeitsgruppe Uster allerdings bereits wieder stark relativiert. Man habe aus der Lektüre des Hochstrasser-Berichts «keine neuen Erkenntnisse gewinnen können», schreibt die Expertengruppe. Und weiter: in Hochstrassers Bericht werde auf die zentrale Frage – warum die Bundesanwaltschaft bis jetzt nicht mehr Anklagen habe fertigstellen können – «kaum eingegangen». Statt auf diese «eigentliche Fragestellung» konzentriere er sich auf wenig aussagekräftige Termin- oder «Buchhaltungsfragen». Zum immer wieder geäusserten Vorwurf in Medien und Politik, die Bundesanwaltschaft produziere reihenweise Flops, heisst es im Bericht von Uster: «Dem Projektausschuss liegen keine Unterlagen vor, die einen solchen Vorwurf rechtfertigen würden.»
Aus welchen Gründen kommt das Bundesstrafgericht zu anderen Schlüssen? Was sagt es zum Verriss seines eigenen Berichts durch die Arbeitsgruppe Uster? Und: Warum ist der Bericht Hochstrasser bisher nicht veröffentlicht worden? Zu all diesen Fragen gibt es beim Bundesstrafgericht in Bellinzona keine Antworten. Gerichtspräsident Alex Staub verweist an Hochstrasser. Als die «NZZ am Sonntag» bei diesem anruft und sich vorstellt, legt er den Hörer auf.
Opfer einer Intrige?
Mit dem Vorliegen der diversen Berichte ist der Fall Roschacher noch nicht abgeschlossen. Hängig ist die politische Untersuchung der Vorgänge rund um den Rücktritt Roschachers durch die Geschäftsprüfungskommission. Bereits früher hatten Politiker den Verdacht geäussert, Roschacher könnte Opfer einer Intrige von Gegnern einer starken Bundesanwaltschaft oder persönlicher Animositäten sein. Die Präsidentin der zuständigen Subkommission, CVP-Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz, will zu den Berichten derzeit keine Stellung nehmen. Man werde aber die Untersuchung der Vorgänge, die zu Roschachers Rücktritt geführt hatten, «prioritär» fortsetzen. Unter anderem sind Hearings mit Hochstrasser und Blocher geplant.
(NZZ/mc/hfu)