Rover vor dem Aus

Nach Angaben der britischen Industrieministerin Patricia Hewitt hat Rover auch schon Insolvenz angemeldet – doch davon will das Unternehmen nichts wissen. Die britische Presse nimmt das Dementi nicht ernst. «Rover bricht zusammen», lautet die Schlagzeile der «Times» und «Financial Times». Kein Zweifel kann mehr darüber bestehen, dass die Übernahmegespräche mit dem chinesischen Autobauer Shanghai Automotive Industry Corporation gescheitert sind.

Chinesen galten als letzte Hoffnung
Sie galten als letzte Hoffnung für Rover. Und ebenso deutlich hat die Regierung von Premierminister Tony Blair klargestellt, dass Rover von ihr keinen Kredit zu erwarten hat. Das ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass die Briten in vier Wochen ein neues Parlament wählen und Blairs Vorsprung schrumpft. In den 70er Jahren wäre es für jede Labour-Regierung undenkbar gewesen, unter diesen Umständen eine der bekanntesten Marken des Landes aufzugeben und den Verlust von 6.000 Stellen zu riskieren.


Verluste nicht mehr subventionieren

Aber dazwischen lagen eben elf Jahre Margaret Thatcher, und seitdem kann es sich keine Regierung in London mehr leisten, ein chronisch verlustmachendes Unternehmen mit Subventionen am Leben zu erhalten. Blair braucht zwar die Stammwählerschaft der Industriearbeiter, aber sie allein bringt keine Mehrheit. Die meisten Labour-Wähler gehören heute zur Mittelschicht, und für sie gelten die Gesetze der Marktwirtschaft wie früher das Amen in der Kirche.

Jedes Jahr rot


Nach Meinung von Analysten grenzt es sowieso an ein Wunder, dass sich Rover so lange halten konnte. Die Firma, die vor fünf Jahren wieder selbstständig wurde, weil selbst die reiche Mutter aus Bavaria ihre Milliardenverluste nicht ausgleichen konnte, hat seitdem weiter jedes Jahr rote Zahlen geschrieben, wenn auch nicht mehr so hohe. Um Gewinn zu machen, müsste Rover mindestens 180.000 Autos im Jahr verkaufen, doch der Absatz fällt. 2003 waren es noch 116.000.


Phönix aus de Asche ist keiner

Umstritten ist die Rolle der «Phoenix Four», jener vier Unternehmer, die Rover für zehn Pfund von BMW übernahmen. Der bekannteste von ihnen ist der Aufsichtsratsvorsitzende John Towers. Zunächst wurde die Phoenix-Gruppe als Retter in der Not gefeiert, weil sie auch ihr persönliches Vermögen einsetzte. Aber in letzter Zeit ist der Eindruck entstanden, dass die vier Geschäftsleute profitable Unternehmensbereiche ausgegliedert haben, um einen Teil der Gewinne einzustreichen, anstatt ihn zur Schuldentilgung oder Investition bei Rover zu nutzen.

BMW ist enttäuscht

Auch BMW, das nach Rover-Angaben «sehr grosszügig» in das Riesenwerk von Birmingham investiert hat, zeigt sich enttäuscht. «Es ist eine Schande, dass sich der Rover-Vorstand mehr zahlt als der Vorstand von BMW», empörte sich vor einem halben Jahr der britische BMW-Chef Jim O’Donnell. «Das ist das inakzeptable Gesicht des Kapitalismus.»

Briten mässig schockiert

Der Schrecken über den Verlust des letzten eigenen Autobauers hält sich bei den Briten dennoch in Grenzen. Das Land, das einst als «Werkstatt der Welt» galt, sieht sich längst als Dienstleistungsgesellschaft und erlebt als solche gerade die längste Boomphase seit Königin Victoria. Noch vor zehn Jahren hatten manche Briten Vorbehalte gegen deutsche Autos – heute nicht mehr. Heute sind sie dafür viel zu selbstbewusst. (awp/mc/as)
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