Anzunehmen ist, dass HP die zwei Rechenzentren und einen Grossteil der Angestellten von RTC übernimmt. HP will, wie bereits im Februar betont wurde, in Bern ein eigenes «Banking Service Center» aufbauen, das Banken in der Schweiz und in (Ost-)Europa Hosting-, Anwendungs- und Supportdienstleistungen erbringt. Erste Kunden werden zweifellos diejenigen Banken sein, die die RTC-eigene, moderne Bankenlösung IBIS3G einsetzen, also vor allem die Berner und die jurassische Kantonalbank sowie zwei kleine Institute.
Viele offene Fragen
Viele andere Fragen bleiben vorläufig offen. So wissen wir (noch) nicht, wieviel HP für die Übernahme der Assets (Rechenzentren, andere Infrastruktur, Mitarbeiterverträge) und der Kundenbeziehungen bezahlt und wieviel umgekehrt die BEKB und die anderen Banken im Rahmen des Outsourcingsvertrags mit HP bezahlen und wie lange dieser gilt. Ebenfalls (noch) unklar ist, ob HP auch die Urheberrechte an der RTC-eigenen Software kauft und ob auch die BEKB-Tochter Legando Teil des zweifellos komplizierten Deals ist.
Im Februar hatte es noch geheissen, man werde die Weiterentwicklung von IBIS3G «gemeinsam mit HP» vorantreiben.
Eine Zukunft für die Berner Bankenlösung IBIS3G?
Obwohl vieles noch unklar ist, kann man davon ausgehen, dass mit der Unterschrift unter den Outsourcing-Deal zwischen HP und RTC ein neues Kapitel in der Geschichte der Schweizer Bankensoftware aufgeschlagen wurde. Die Zeit der Bankengemeinschaftswerke, die für Kantonal- und Regionalbanken Software entwickelten und betrieben, ist endgültig vorbei.
RTC hatte zwischen Sommer 2007 (Migros Bank) und November 2008 (RBA-Banken) fast alle Kunden ausserhalb der ehemaligen Gross- und heutigen Hauptaktionärin BEKB verloren. Damit war klar, dass die BEKB für RTC eine Lösung suchen würde. Im November 2009 fanden wir heraus, dass sich neben dem «üblichen Verdächtigen» IBM auch HP für RTC interessierte.
Die interessante Frage wird sein, ob es HP / RTC gelingen wird, die moderne Kernbankenlösung IBIS3G und die entsprechenden Outsourcing-Dienstleistungen auch ausserhalb des heute noch zu kleinen Kundenstamms zu etablieren. Wie die Antwort darauf ausfällt, wird nicht nur wichtig für HP, sondern auch für den IT- und Software-Entwicklungsstandort Bern sein. (inside.it-chChristoph Hugenschmidt)