von Patrick Gunti
Herr Dellenbach, die Aargauische Kantonalbank (AKB) hat 2008 einen Reingewinn von 79,6 Mio. Franken erzielt, ein Fünftel weniger als im Jahr zuvor. Der Bruttogewinn sank um 11,6 % auf 184,5 Mio. Franken. Wie schätzen Sie das Resultat ein?
Wir sind mit dem erzielten Resultat sehr zufrieden. In Anbetracht der extremen Verhältnisse auf den Finanzmärkten hat sich die Aargauische Kantonalbank gut behauptet. Der Bruttogewinn entspricht dem drittbesten Resultat in der Geschichte der Bank. Übrigens darf auch der Kanton Aargau sehr zufrieden sein. Er wird dieses Jahr die Rekordablieferung von CHF 55 Millionen erhalten.
Wie hat sich aus Ihrer Sicht das Umfeld, in dem das Resultat erzielt wurde, gegenüber dem Vorjahr verändert?
Das gesamte internationale Umfeld hat sich in einem Ausmass und mit einer Geschwindigkeit verändert, wie wir es nicht für möglich gehalten hätten: Wir haben als Folge der Subprime-Krise die Zusammenbrüche von scheinbar unverwundbaren Bankinstituten erlebt. Wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, wie weltweit Billionen an Vermögenswerten vernichtet wurden. Wir haben Regierungen auf der ganzen Welt gigantische staatliche Rettungspakete schnüren sehen, um ihre Finanzsysteme vor dem Zusammenbruch zu retten. Im direkten, regionalen Umfeld sind die Auswirkungen im letzten Jahr noch nicht so dramatisch spürbar gewesen.
Einerseits haben die Gewinnzahlen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise nachgegeben, andererseits sind Ihnen nicht zuletzt durch verunsicherte Kunden der Grossbanken fast 1,5 Mrd. Franken an Neugeldern zugeflossen. Führen Sie dies einzig auf die Staatsgarantie zurück, die die AKB besitzt?
Als Kantonalbank mit starker regionaler Verwurzelung haben wir von Kunden und Neukunden in 2008 in der Tat sehr viel Vertrauen erfahren dürfen, indem sie uns rund CHF 1,5 Milliarden Net New Money anvertraut haben. Die Staatsgarantie mag ein Grund dafür sein, in unsicheren Zeiten das Geld in einen sicheren Hafen zu bringen. Genauso entscheidend ist jedoch das Vertrauen in die Menschen, die in dieser Bank arbeiten und das Geld nach bestem Wissen und Gewissen anlegen und verwalten. Und hier geniessen die Kantonalbanken derzeit ganz klar einen Vorsprung. Man kann von einem eigentlichen Revival des «Modells Kantonalbank» mit ihren Kernwerten «Sicherheit» und «Vertrauen» sprechen.
Gehen Sie von einer ähnlichen Entwicklung im laufenden Jahr aus, oder haben Sie bereits Anzeichen, dass sich die Situation «beruhigt»?
Ob eine Beruhigung stattfindet, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht definitiv zu erkennen. Generell wiegt der Vertrauensverlust der Anlegerinnen und Anleger, der Sparerinnen und Sparer ins Finanzsystem und damit in die Banken weiterhin schwer. Da ist es aus meiner Sicht nötig, dass die Banken und ihre Verantwortlichen alles daran setzen, wieder Vertrauen aufzubauen. Bei der Aargauischen Kantonalbank hat das Geschäftsjahr 2009 sehr erfreulich begonnen. Wir verzeichnen für den Januar sowohl im privaten wie im kommerziellen Ausleihungsgeschäft ein deutlich über Budget liegendes Resultat. Der Geldzufluss hält unvermindert auf sehr hohem Niveau an.
«Man kann von einem eigentlichen Revival des «Modells Kantonalbank» mit ihren Kernwerten «Sicherheit» und «Vertrauen» sprechen.»
Das Hypothekargeschäft gehört zu den Kernkompetenzen der AKB. Wie hat sich dieser Bereich 2008 entwickelt?
Das Hypothekargeschäft hat sich in 2008 sehr erfreulich entwickelt. Die Nettozunahme bei den Hypothekarforderungen beträgt CHF 524,2 Mio. oder 4,1 %, Das Gesamtvolumen der Hypothekarkredite betrug Ende 2008 CHF 13,2 Milliarden. Die Aargauische Kantonalbank leistet damit einen wichtigen Beitrag an die wirtschaftliche Entwicklung in ihrem Geschäftsgebiet.
Die AKB hat zuletzt im November die Zinssätze für variable Hypotheken auf 2,75 % gesenkt. Wie werden sich die Hypothekarzinsen weiterentwickeln?
Die Hypothekarzinsen sind derzeit an einem historischen Tiefstand angelangt. Wir sehen das u.a. daran, dass sehr viele Kundinnen und Kunden ihre variablen Hypotheken in den letzten Monaten in Festhypotheken umgewandelt und sich so tiefe und exakt kalkulierbare Zinsbelastungen gesichert haben. Sollte sich die Nationalbanken zu weiteren Zinsschritten entscheiden, werden auch wir selbstverständlich darauf angemessen reagieren.
Die Ausleihungen der AKB an KMU betrugen netto 3,9 Mio. Franken. Gehen Sie in den nächsten Monaten von höheren Ausleihungen aus, um die regionalen KMU in der Rezessionsphase zu unterstützen?
Wir haben bei den Ausleihungen in 2008 markant zugelegt; es wurden aber auch ein paar grosse Positionen im Gesamtwert von gegen CHF 90 Mio. bei Fälligkeit zurückbezahlt. Die Aargauische Kantonalbank war für die KMU in der Region seit jeher eine verlässliche Finanzpartnerin. Das werden wir auch in Zukunft so halten. Befürchtungen einer bereits spürbaren Kreditklemme kann ich an dieser Stelle zerstreuen. Bis jetzt stellen wir keine Anzeichen einer vermehrten Kreditanfrage seitens regionaler KMU fest. An unserer Geschäftspraxis betreffend Ausleihungen an die KMU und an unserer Kreditpolitik werden wir nichts ändern. Dazu gibt es keine Veranlassung.
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Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Situation in der Region?
Der Kanton Aargau darf als wirtschaftlich stabiler und robuster Kanton bezeichnet werden. Seine Wirtschaftskraft ist nicht durch einzelne Branchen wie beispielsweise die Finanz- oder die Pharmabranche, dominiert. Im Aargau sind sehr viele KMU vertreten, dadurch ist die Region wirtschaftlich breit diversifiziert und abgestützt. Das ist in rezessiven Phasen, und in einer solchen befinden wir uns nun, ein klarer Vorteil.
Wie schätzen Sie die Entwicklung im Handelsgeschäft ein, das einen Anstieg von 5,6 % zu verzeichnen hatte?
Wir schätzen diese Entwicklung als sehr positiv ein. Gemessen an der sehr volatilen Börse und den negativen Ausprägungen in 2008 hat sich der Bereich Anlagen und Handel der Aargauischen Kantonalbank damit ausgezeichnet behauptet.
«Ob zusätzliche Regulierungen zur Bewältigung der Folgen dieser Finanzkrise notwendig sind, erachte ich als fraglich.»
Ein Teil der höheren Geschäftsaufwände ist auf die Erneuerung der IT zurückzuführen. Die AKB hat sich im Juni 2008 entschieden, im Laufe des Jahres 2010 von der jetzigen Kernbanksoftware IBIS von RTC auf Avaloq zu wechseln. Die Wahl fiel nicht nur zu Ungunsten von RTC aus, sondern auch zu Ungunsten des Lenzburger Anbieters Finnova. Was gab den Ausschlag zu Gunsten von Avaloq?
Es gab nach einem umfassenden Evaluationsverfahren verschiedene Gründe, die für Avaloq sprachen. Schwergewichtig ist zum einen der Fit mit der AKB-Strategie anzuführen. Diese setzt einen Schwerpunkt im Bereich «Anlegen». Hier verfügt das Avaloq Bankensystem über eine wesentliche Stärke. Zum anderen ist die sich bildende Community zu erwähnen: In der Deutschschweiz haben sich in der letzten Zeit etliche Kantonalbanken (Basel, Baselland, Thurgau, St. Gallen, Luzern) für die Bankensoftware Avaloq entschieden. Dies bietet inskünftig die Gelegenheit der institutsübergreifenden Zusammenarbeit, so z.B. bei der Formulierung von Entwicklungsanforderungen gegenüber Avaloq.
Welche Kosten wird das Projekt im laufenden und im nächsten Jahr verursachen?
Wir rechnen gesamthaft mit Kosten in Höhe von rund CHF 64 Millionen für die Implementation der Avaloq Bankensoftware, wobei zusätzlich noch Kosten für den Ausstieg aus dem RTC-Verbund anfallen, die wir in der Jahresrechnung 2008 bereits zurückgestellt haben.
Im Zusammenhang mit der Finanzkrise werden Rufe nach mehr Regulierung der Finanzindustrie laut. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Im Kanton Aargau sind die Diskussionen über eine allfällige Rechtsformänderung der Aargauischen Kantonalbank seit langer Zeit ein politisches Thema. Regelmässig wurden Forderungen nach einer (Teil-) Privatisierung der Bank laut. Die Finanzkrise hat dem Thema ein vorläufiges Ende gesetzt weil sich gezeigt hat, dass auch Banken ohne Staatsgarantie de facto auf eine solche zurückgreifen können. Ob zusätzliche Regulierungen zur Bewältigung der Folgen dieser Finanzkrise notwendig sind, erachte ich als fraglich. Die grösste Herausforderung der Finanzbranche liegt darin, das verlorene Vertrauen der Kunden wieder herzustellen. Es stellt sich auch die Frage, ob mit zusätzlichen Regulierungen die vordringlichsten Aufgaben der grossen Finanzinstitute wirklich in den Griff zu bekommen sind, beispielsweise die Rückbesinnung auf traditionelle Bankwerte, eine angemessene Eigenmittelhinterlegung, die Schaffung von Transparenz sowie eine angemessene Reduktion der Risiken.
Wie beurteilen sie die Unterstützung der Schweizer Nationalbank für die UBS?
Wir erachten die Unterstützung der Nationalbank für die UBS als absolut wichtig und richtig. Ein allfälliger Zusammenbruch der UBS hätte verheerende Auswirkungen auf den Finanzplatz Schweiz und die gesamte Wirtschaft gehabt, und daher war dieser Schritt der SNB auch aus Sicht einer regionalen Kantonalbank der einzig richtige.
Wagen Sie einen Ausblick auf das Geschäftsjahr 2009?
Die ersten beiden Monate haben sich aus unserer Perspektive gut entwickelt und zeigen positive Tendenzen. Allerdings befinden wir uns mitten in einer Rezession, deren Auswirkungen und Dauer noch sehr schwer abschätzbar sind. Die Aargauische Kantonalbank ist aber strategisch und operativ sehr gut vorbereitet, und daher sieht mein Ausblick für das Geschäftsjahr 2009 vorsichtig optimistisch aus.
Herr Dellenbach, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Rudolf Dellenbach (57) ist seit 2006 Direktionspräsident der Aargauischen Kantonalbank. Zuvor war er fast 30 Jahre bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) in verschiedenen Funktionen tätig, zuletzt als Regionalleiter Zürich-Ost. Er ist Inhaber des eidg. Bankfachdiploms und hat verschiedene Executive Management Programme absolviert.
Zum Unternehmen:
Die AKB ist eine Staatsbank, gegründet im Jahr 1855 als Aargauische Bank. Sie steht noch heute zu 100% im Eigentum des Kantons Aargau. Die AKB beschäftigt heute rund 650 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie ca. 70 Lernende und Praktikanten. Die Aargauische Kantonalbank ist von Standard & Poor?s mit dem Top-Rating AAA ausgezeichnet. Die AKB versteht sich als Universalbank mit den Kernkompetenzen Sparen, Hypotheken, KMU- und örK-Kredite sowie Anlageberatung und Portfolio-Management. Die Dienste werden im Sinne einer Multichannelstrategie sowohl über 30 Geschäftsstellen im Kanton Aargau und im angrenzenden solothurnischen Gebiet Olten-Gösgen-Gäu wie auch über Internet und Electronic Banking angeboten.