Rudolf Ramsauer, CEO economiesuisse: «Der Aufschwung ist branchenmässig sehr breit abgestützt»

Von Alexander Saheb

Moneycab: Wie gut geht es den Schweizer Unternehmen?


Rudolf Ramsauer: Die Jahresabschlüsse, die wir über die letzten Tage und Wochen gesehen haben, zeigen, dass es den Schweizer Unternehmen insgesamt sehr gut geht. Dies ist so wegen der guten Weltkonjunktur und des günstigen Wechselkurses des Frankens zum Euro und zum Dollar. Unsere Unternehmen ernten nun aber auch die Früchte einer tiefgreifenden und oft schmerzhaften Strukturanpassung in den vergangenen Jahren. Sie verfügen über attraktive Güter- und Dienstleistungsangebote und sind auf allen Wachstumsmärkten vertreten.



«Der bilaterale Weg war nie einfach, und mit 27 EU-Mitgliedstaaten wird er sicher nicht einfacher. Aber er war bisher – gerade auch dank konsequentem und geschicktem Vorgehen der Unterhändler – ein sehr erfolgreicher» Rudolf Ramsauer, economiesuisse


Welche Branchen haben vom Aufschwung der vergangenen Jahre am stärksten profitieren können?


Der Aufschwung ist branchenmässig sehr breit abgestützt. Die klassischen Exportbranchen und die starke Performance der Finanzdienstleister standen am Anfang des Aufschwungs. Von den Kapazitätserweiterungen der Unternehmen profitierten die Ausrüstungsinvestitionen; und die gute Verfassung des Arbeitsmarktes und das gestiegene Vertrauen in die Arbeitsplatzsicherheit führten zu höheren Konsumausgaben.


Wo hat economiesuisse im vergangenen Jahr die grössten Erfolge für die Unternehmen erreicht?


Wirtschaftspolitisch war 2006 auf verschiedenen Gebieten ein erfolgreiches Jahr. Die Ablehnung der Kosa-Initiative ermöglicht die Fortsetzung der stabilitätsorientierten Geldpolitik, eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum. Mit der erfolgreichen Abstimmung über die Kohäsionsmilliarde konnte der bilaterale Weg mit Europa einmal mehr bestätigt werden. Economiesuisse hat sich in den beiden Kampagnen massiv engagiert. Im Steuerbereich wurde die fiskalische Behandlung bei Unternehmensnachfolgen neu geregelt, womit ein sehr wichtiges Anliegen der KMU erfüllt ist. Ferner haben wir die Weichen für die zukünftige Milderung der Doppelbelastung von Gewinnen definitiv gestellt. Im für die Schweizer Wirtschaft zentralen Bereich der Bildung und Forschung ging es uns darum, ein für die zukünftige Innovationsfähigkeit angemessenes Volumen staatlicher Finanzierung sicherzustellen. Dies scheint nun gewährleistet. So weit einige Beispiele.


Welche drei Wünsche haben Sie an die Politik im Jahr 2007?


Neben der selbstverständlichen Erwartung, dass in den Eidgenössischen Wahlen im Herbst möglichst viele wirtschaftskundige und unternehmerfreundliche Persönlichkeiten gewählt werden, habe ich eigentlich nur einen Wunsch: Dass es auch in einem Wahljahr möglich sei, im Dienste der Sache Politik zu betreiben. Denn die wirtschaftlichen Reformen zur Stärkung des Standortes Schweiz müssen weitergeführt werden, sie dulden keinen Aufschub. Und gerade die sehr gute Wirtschaftslage darf nicht zu Selbstzufriedenheit führen.


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Aus der EU weht immer wieder ein rauer Wind herüber, mal wegen des Bankgeheimnisses, erst jüngst in Sachen kantonale Steuerregimes. Wird der bilaterale Weg zunehmend steiniger?


Der bilaterale Weg war nie einfach, und mit 27 EU-Mitgliedstaaten wird er sicher nicht einfacher. Aber er war bisher – gerade auch dank konsequentem und geschicktem Vorgehen der Unterhändler – ein sehr erfolgreicher. Es gibt meines Erachtens keinen Grund, warum dies nicht auch in Zukunft der Fall sein soll. Dass es bisweilen zu schwierigen Situationen kommt, in denen der Adrenalinspiegel steigt, ist nicht mehr als normal in einem so engen Verhältnis, wo es um so viel geht. Übrigens kämen wir auch als EU-Mitglied nicht um beinharte Verhandlungen herum.



«Wir unterstützen die Übernahme des Cassis-de-Dijon-Prinzips ausdrücklich, unter der Bedingung allerdings, dass Schweizer Produzenten auf dem Heimmarkt nicht diskriminiert werden.»


Die Übernahme des Cassis-de-Dijon-Prinzips wird künftig erlauben, dass in der Schweiz Waren frei gehandelt werden, die in der EU zugelassen sind. Damit will die Politik das hohe Preisniveau der Schweiz deutlich unter Druck bringen. Wo profitieren die Schweizer Unternehmen davon?


Wir unterstützen die Übernahme des Cassis-de-Dijon-Prinzips ausdrücklich, unter der Bedingung allerdings, dass Schweizer Produzenten auf dem Heimmarkt nicht diskriminiert werden. Vom intensiveren Wettbewerb werden in erster Linie die Konsumenten profitieren, sofern die «Konsumentenschützer» nicht allerlei Ausnahmen vom Prinzip politisch durchsetzen können. Aber auch Branchen wie die Hotellerie und das Gastgewerbe sind Gewinner, da sie ihre Vorleistungen günstiger beziehen können.


Firmen wollen Gewinne erzielen und flexibel sein, Mitarbeiter wollen gute und sichere Arbeitsverhältnisse. Wie frei darf die Wirtschaft sein, ohne unsozial zu werden?


Wirtschaftsfreiheit und Sozialverträglichkeit sind keine Gegensätze. Die Arbeitsplätze in einem Umfeld mit unternehmerischer Freiheit sind auf die Dauer sicherer als in einem regulierten Umfeld. Die Krisen mit grossen Jobverlusten geschehen in aller Regel gerade in jenen Branchen und Unternehmen, die sich vom Wettbewerb abschotten und sich nicht kontinuierlich an neue Konkurrenzverhältnisse anpassen. Selbstverständlich braucht es ein tragfähiges soziales Sicherheitsnetz und Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten für diejenigen, die den Job verlieren und sich neue orientieren müssen. Dies wird mit zunehmender globaler Konkurrenz immer wichtiger.


Neueste Studien belegen, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist und zu hohen volkswirtschaftlichen Schäden führen kann, wenn nicht entschieden Gegensteuer gegeben wird. Vertritt economiesuisse  dazu eine eigene Position?


Die Wirtschaft macht auf diesem Gebiet sehr viel, ja eigentlich ist die Wirtschaft der einzige Akteur, der bisher ganz konkret etwas tut. Innerhalb der Energieagentur der Wirtschaft haben sich zahlreiche Branchen und Unternehmen zum Teil sehr ambitiöse Ziele bezüglich CO2-Reduktion und Energieeffizienz gesetzt. Das alles beruht auf Freiwilligkeit. Die Antwort auf die Klima-Herausforderung ist vor allem der technische Fortschritt, aber neue Technologien müssen sich schliesslich im Markt bewähren und durchsetzen. Wogegen wir uns jedoch wehren, sind dirigistische Massnahmen, die letztlich zur Abwanderung von Unternehmen führen – nota bene in Länder, die sich kaum oder viel weniger um den Klimaschutz kümmern. Deshalb braucht es auch international abgestimmte Regeln und keine nationalen Alleingänge.


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In jüngster Zeit sind Schweizer Firmen immer wieder Ziel von teilweise feindlichen Übernahmeofferten geworden. Erkennen Sie darin einen neuen Trend oder ist das nur eine zufällige Häufung?


Ich glaube, dass es richtig ist, die Transparenz von Übernahmeabsichten zu verbessern, beispielsweise wenn Optionen erworben werden. Entsprechende Verbesserungen sind politisch auch eingeleitet worden. Hingegen halte ich nichts von protektionistischen Konzepten à la «patriotisme économique», wie in Frankreich praktiziert. Ein Blick auf die Kapitalverkehrsbilanz der Schweiz genügt, um festzustellen, in welche Richtung – seit Jahren – die meisten Firmenübernahmen stattfinden.



«Die zunehmende Arbeitsteilung stellt auch kein «Null-Summen-Spiel» dar, sondern dank des resultierenden Wachstums können alle Gewinner sein.»


«Die Schweiz steht in der globalisierten Welt auf der Seite der Gewinner», kommentierte kürzlich economiesuisse-Präsident Gerold Bührer. Welche Rolle haben die Verlierer dieser Entwicklung für Sie?


Herr Bührer hat sicher recht, leider wird diese Tatsache in der öffentlichen Meinung aber noch zu wenig wahrgenommen. Die zunehmende Arbeitsteilung stellt auch kein «Null-Summen-Spiel» dar, sondern dank des resultierenden Wachstums können alle Gewinner sein. Verlierer sind kurzfristig diejenigen, die in Bereichen mit sinkender Wettbewerbsfähigkeit tätig sind. Ihnen muss man helfen – der Staat und die Wirtschaft -, den unvermeidlichen Strukturwandel in Richtung  zukunftsfähige Bereiche zu bewältigen. Die Schlüssel dazu sind: erstklassige Ausbildung, permanente Weiterbildung, wo nötig Umschulung, damit aus den kurzfristigen Verlierern langfristige Gewinner werden. Zugegeben, dies stellt hohe Ansprüche an die Bereitschaft zu Veränderungen und Offenheit für Neues, es braucht auch ein gewisses Mass an Mut und Risikobereitschaft. Besonders für ein kleines Land wie die Schweiz ist die Globalisierung keine Option, sondern ein Faktum, an das wir uns permanent anpassen müssen.





Der Gesprächspartner:
Dr. Rudolf Ramsauer trat nach ersten beruflichen Tätigkeiten im Bankensektor 1981 ins Bundesamt für Aussenwirtschaft ein.
1984 wurde er an die Schweizerische Botschaft nach Washington D.C. versetzt.
Von 1987 bis 1992 arbeitete Dr. Ramsauer bei der EFTA und beim GATT in Genf.
Dr. Ramsauer wird 1995 Botschafter und Delegierter des Bundesrates für Handelsverträge und Leiter des Direktionsbereichs «Freihandel/Europäischer Länder».
Ab 1998 übernahm er als Direktor den Schweizerischen Handels- und Industrie-Verein (Vorort).
Seit 2000 ist er Vorsitzender der Geschäftsleitung von economiesuisse, dem Verband der Schweizer Unternehmen, welcher aus der Fusion von Vorort und wf hervorging.


Das «Unternehmen»:
economiesuisse ist die grösste Dachorganisation der Schweizer Wirtschaft. Als Verband der Schweizer Unternehmen stehen hinter economiesuisse über 30 000 Unternehmen jeglicher Grösse mit insgesamt 1,5 Mio. Beschäftigten in der Schweiz. Hervorgegangen ist economiesuisse aus der Zusammenlegung von Vorort (Schweizerischer Handels- und Industrie-Verein) und wf (Gesellschaft zur Förderung der schweizerischen Wirtschaft) am 15. September 2000 in Lausanne. Unsere Mitglieder sind 100 Branchenverbände, 20 kantonale Handelskammern sowie einige Einzelfirmen.

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