Beide Seite deuteten an, dass sie an diesem Donnerstag neue Gespräche über die eskalierte Situation aufnehmen wollen.
Totalausfalle in Südosteuropa
Nachdem bereits am Dienstag weite Teile Europas von russischen Gaslieferungen abgeschnitten waren, verschärfte sich die Situation weiter. Österreich, Bulgarien, Griechenland, Tschechien und Rumänien meldeten am Mittwoch einen Totalausfall russischer Gasimporte. In Serbien frieren zehntausende Menschen zum orthodoxen Weihnachtsfest in kalten Wohnungen.
Preisstreit ohne Ende
Die Ukraine beruft sich bei der Abschaltung der Pipelines auf ein Gerichtsurteil, dass die bisherigen Transit-Verträge für ungültig erklärt hatte. Moskau wiederum will von Kiew höhere Preise für das an den Nachbarn gelieferte Land. Die Ukraine zahlt bisher weniger als die Hälfte für russisches Gas als zum Beispiel Deutschland. Im Streit über höhere Preise war als erster Schritt am Neujahrstag die Gaslieferung an die Ukraine eingestellt worden.
Putin bezichtigt Ukraine des Diebstahls
Daraufhin beschuldigte Russland die Ukraine, die Transitleitungen anzuzapfen und Gas für eigene Zwecke zu stehlen. Regierungschef Wladimir Putin warf der Ukraine vor, das Gas von den «europäischen Verbrauchern, die dafür viel Geld bezahlt haben, zu klauen». Kiew bestreitet dies. Deshalb drosselte der russische Gasmonopolist Gazprom auf Anweisung von Putin den Gastransport durch die Ukraine am Dienstag um 65,3 Millionen Kubikmeter Gas. Nachdem die Ukraine in einem weiteren Schritt die Pipelines abschaltete, sei man überhaupt nicht mehr in der Lage, Gas über die Ukraine nach Europa zu pumpen, betonte Gazprom nun.
Gazprom warnt vor Schäden an Pipelines
Gazprom warnte am Mittwoch vor Schäden an den Pipelines, sollten die Lieferungen nach Europa durch die Ukraine länger unterbunden werden. Bei den eisigen Temperaturen könnte das System «ernsthaften Schaden» nehmen, sagte Vize-Chef Alexander Medwedew in Berlin. Er warf der Regierung in Kiew vor, Gazprom als Geisel nehmen zu wollen, und forderte sie erneut auf, die russischen Gaslieferungen nach Europa wieder zu ermöglichen. Unter normalen Umständen könnten die Pipelines in 12 bis 24 Stunden wieder hochgefahren werden.
Alternativrouten und Gasreserven
Westeuropa erhält noch über andere Leitungen weiterhin Gas, zudem verfügen die Staaten über Gasreserven für solche Krisensituationen oder können kurzfristig mehr Gas aus anderen Ländern bekommen. Als Folge der Eskalation erhielt Österreich in der Nacht zum Mittwoch erstmals überhaupt kein russisches Gas mehr über die ukrainischen Pipelines. Wirtschaftsminister, Reinhold Mitterlehner sagte im Österreichischen Rundfunk ORF, dass sein Ministerium voraussichtlich am kommenden Freitag eine sogenannte Notverordnung darüber erlassen werde, wie das vorhandene Gas auf die Verbraucher verteilt werde. Österreich hat nach seinen Angaben Gasvorräte für volle drei Monate.
EU-Ratspräsidentschaft drängt auf neue Verhandlungen
Auch Tschechien erhält kein russisches Gas mehr durch Pipelines aus der Ukraine und der Slowakei. Dies gab ein Sprecher des grössten tschechischen Gasversorger RWE Transgas bekannt. Der derzeitige Tagesverbrauch von etwa 50 Millionen Kubikmetern Gas sei aber durch Reserven und den Import norwegischen Gas für mehrere Wochen gesichert. Die EU unter tschechischer Ratspräsidentschaft drängt Kiew und Moskau darauf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und die Gaslieferungen an EU-Staaten wieder in vollem Umfang aufzunehmen.
Kalte Wohungen zum orthodoxen Weihnachtsfest
Zehntausende Serben wachten am Mittwochmorgen zum orthodoxen Weihnachtsfest wegen des russischen Gasstopps in kalten Wohnungen auf. In kleineren Städten wie Becej, Kikinda, Kovin, Beocin und Velika Plana im Norden des Landes waren die Heizkraftwerke nicht in der Lage, das Gas durch Öl als Energielieferanten zu ersetzen. Seit Mitternacht war die Gasversorgung aus Richtung Ungarn vollständig unterbrochen worden. Der Lieferstopp hat bei vielen Serben Bitterkeit ausgelöst, weil ihr Land zu Jahresbeginn die Erdölindustrie zu einem Billigpreis an Russland verkauft hatte. Im Gegenzug war eine sichere Gasversorgung verabredet worden.
Krisensitzung in Rumänien
Die Zufuhr russischen Erdgases ist auch nach Rumänien gänzlich zum Erliegen gekommen. Damit fallen für Rumänien täglich 6,5 Millionen Kubikmeter Gas aus. Wirtschaftsminister Adriean Videanu berief eine Krisensitzung ein. Zuvor waren bereits in Bulgarien und der Slowakei Sparmassnahmen angekündigt worden, die slowakische Regierung rief den Notstand aus. Dort sind alle nationalen Lieferverpflichtungen ausser Kraft gesetzt. Die Versorgung der Haushalte sowie Krankenhäuser und anderer wichtiger Einrichtungen soll garantiert werden. Einzelne Grossabnehmer könnten komplett von der Gaszufuhr abgeschaltet werden.
Bulgarien vor Wiedereinschaltung von Atomreaktoren?
Angesichts der Krisenlage sprach sich Bulgariens Staatspräsident Georgi Parwanow für die Wiederinbetriebnahme eines der beiden vor dem EU-Beitritt abgeschalteten Reaktoren im Atomkraftwerk Kosloduj an der Donau aus. Regierungschef Stanischew kündigte Sparmassnahmen an, um das Heizen von Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten zu sichern. Bulgarien ist fast ausschliesslich vom russischen Erdgas abhängig. (awp/mc/pg/05)