Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Wigdorovits, seit dem Start von punkt.ch am 19. September und mit dem Start von News aus dem Hause Tamedia am 5. Dezember hat der Leser von Gratisblättern die Qual der Wahl haben (20 Minuten, heute, Cash daily, punkt.ch, News). Weshalb soll er zu punkt.ch greifen?
Sacha Wigdorovits: Wir positionieren uns qualitativ höher als die übrigen Gratiszeitungen. Zahlreiche Eigenberichte, interessante Gastkolumnen, längere Texte mit einer klaren Gewichtung zwischen Wichtigem und weniger Wichtigem, die Bildsprache und das Design sollen ein «reiferes» Publikum ansprechen. Unsere Leserschaft wird zwischen 19 und 59 sein, während jüngere Leser eher zu 20 Minuten greifen.
«Weil ich noch weiss, wie schwierig wir es seinerzeit beim Start von 20 Minuten hatten, haben wir in den ersten drei Betriebsjahren sehr konservativ budgetiert. So konservativ, dass der Gesamtumfang der Zeitung weiterhin 32 Seiten nicht überschreiten wird» Sacha Wigdorovits, Verleger von «.ch»
Über den finanziellen Erfolg eines Gratisblattes entscheiden vor allem die Inserenten. Bei punkt.ch herrscht hier noch eine leserfreundlich beruhigte Werbezone. Wie viele Seiten Werbung wollen Sie Ende des nächsten Jahres pro Ausgabe verkauft haben und wie liegen Sie im Fahrplan?
Mit unserem Start im September und den ersten WEMF-Zahlen im kommenden Frühjahr war es für uns noch nicht möglich, bei der Werbeplanung und Vergabe von Budgets berücksichtigt zu werden. Die Werbekunden müssen erst einmal Vertrauen in das neue Produkt fassen, das braucht Zeit und beglaubigte Leserzahlen. Für uns ist dies keine Überraschung, sondern wurde bei der Planung so berücksichtigt. Wir sehen auch davon ab, die Werbeplätze künstlich mit Gratis- oder Eigeninseraten zu füllen. Und weil ich noch weiss, wie schwierig wir es seinerzeit beim Start von 20 Minuten hatten, haben wir in den ersten drei Betriebsjahren sehr konservativ budgetiert. So konservativ, dass der Gesamtumfang der Zeitung weiterhin 32 Seiten nicht überschreiten wird…
Ihr Verteilkonzept unterscheidet sich gegenüber den anderen Gratisblättern dadurch, dass Sie neben Kolporteuren und Boxen auf Hauszustellung in ausgewählten Haushalten setzen. Der anfänglich angekündigte Mix von 70% Hauszustellung und 30% Boxen liess sich nach dem Widerstand einiger Vermieter nicht umsetzen. Wie sieht der Mix heute aus und welche Auswirkungen hat das auf Ihr Geschäftsmodell?
Heute stehen wir bei 60 bis 65% Hauszustellung und 35 bis 40% Boxen- und Kolporteurverteilung. Auf das Geschäftsmodell hat dies keinen Einfluss, da jetzt einfach mehr Exemplare in den Boxen platziert werden. Dort hat sich der Bedarf auch schon erhöht. Unser grosser Vorteil gegenüber allen anderen Produkten ist eben diese Flexibilität in der Verteilung. Wir bringen unsere Zeitung genau dorthin, wo die grösste Nachfrage besteht. Die Hauszustellung wird aber ganz klar unser wichtiger USP bleiben.
Während bei 20 Minuten die Regionalisierung kaum ein Thema ist, steht diese bei punkt.ch mit lokalen Redaktionen und Ausgaben im Mittelpunkt. Damit konkurrenzieren Sie nebst den Gratisblättern auch klar die lokalen Printerzeugnisse. Wie soll sich der Mehraufwand für Redaktion und Druck dafür rechnen?
Durch die Regionalisierung können wir dem Werbekunden eine viel genauere Platzierung bieten und können zusätzlich regionale Werbekunden gewinnen, für die eine nationale Kampagne wenig Sinn macht. Somit sind wir sowohl für nationale als auch regionale Kampagnen ein interessantes Medium. Die Mehrkosten bei der Redaktion werden durch eine grössere Leserschaft in den Regionen und die sich dadurch bietenden zusätzlichen Potenziale im Anzeigenmarkt gedeckt.
Die Zusammenarbeit mit der Direct Mail Company DMC, die für punkt.ch exklusiv und langfristig die Verteilung übernimmt, ist für den Erfolg Ihres Konzeptes ein entscheidender Baustein. Wie hoch liegen die Vertriebskosten eines Exemplars Ihrer Zeitung und welchen Vorsprung haben Sie mit diesem Konzept gegenüber Ihren Konkurrenten?
Die Hauszustellung ist zwar teurer als eine reine Boxenverteilung. Aber wir haben ein Verteilmodell, dass sich dennoch rechnet, weil es sich stark von der Hauszustellung abonnierter Zeitungen unterscheidet. Grob aufgeteilt machen der Vertrieb und der Druck je 40% der Kosten aus, das Personal 20%. Unser Vertriebskonzept gibt uns in der momentanen Situation einen Marktvorsprung von etwa drei Jahren. Die Mitbewerber müssten sich hier zuerst einen Partner organisieren, der die Hauszustellung zu einem kompetitiven Preis übernimmt. Das dürfte zur Zeit sehr schwer werden.
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Seit dem 5. Dezember erscheint «News» in den Städten Basel, Bern und Zürich. Bei Erfolg Ihres Vertriebskonzeptes wäre die Tamedia wahrscheinlich auch schnell in der Lage, dieses für sich zu adaptieren. Welchen Einfluss hat der Start von News auf Ihre Strategie und wann rechnen Sie mit einer Übernahmeofferte aus dem Hause Tamedia?
Mit News konkurrenziert Tamediavor allem 20 Minuten, da News denselben Vertriebskanal (Boxen) benutzt. Im Gegensatz zu .ch hat News auch keine Regionalausgaben, weil es sonst die anderen Titel von tamedia, Espace Media Groupe und Basler Medien Gruppe zu stark konkurrenzieren würde. Es handelt sich bei News um ein rein destruktives Produkt, das .ch vom Markt drängen will. Dies hat der Werbemarkt von Anfang an durchschaut und lehnt es ab, weil er weiss, dass es tamedia mit News nur darum geht, die eigene Monopolsituation im Deutschschweizer Werbemarkt zu zementieren und die Anzeigenpreise hoch zu halten..
«Es handelt sich bei News um ein rein destruktives Produkt, das .ch vom Markt drängen will. Dies hat der Werbemarkt von Anfang an durchschaut und lehnt es ab.»
Alle Anbieter wollen in Gebieten mit jungen und kaufkräftigen Lesern präsent sein, beauftragen dieselben Institute für soziodemografische Auswertungen und treten sich dann an den gleichen Adressen auf die Füsse. Welches Lesersegment haben Sie im Visier und wie gehen Sie bei der Adressselektion vor?
Unser Hauptzielpublikum sind die 19- bis 59-jährigen urbanen Frauen und Männer. Dieses Publikum stellt auch an die Qualität einer Gratiszeitung hohe Ansprüche. Bei der Adressselektion für die Hausverteilung haben wir uns auf Gebiete fokussiert, in denen diese für den Werbemarkt wichtige Zielgruppe stark vertreten ist. Wir liefern nur dorthin, wo wir annehmen, auch gelesen zu werden.
Mit Ihrer Strategie der regionalen Ausrichtung und dem Qualitätsanspruch sind Sie in einem kleinen Markt wie der Schweiz fast dazu verpflichtet, der Marktführer in jeder Region zu werden. Das heisst, bezüglich Verbreitung und Profitabilität muss 20 Minuten überholt werden. Wann soll das geschehen und wie sieht die Regionenreihenfolge dabei aus?
Unser Ziel ist es, in drei Jahren der Marktleader zu sein, also die grösste Verbreitung auf nationaler, aber auch auf regionaler Ebene zu haben. Zuerst werden wir das in Zürich forcieren, dann in Basel und Bern und zum Schluss in St. Gallen und Luzern sein.
Mit Ihrem Modell der Hauszustellung wäre es prinzipiell einfach, schnell die Nummer 1 bei den Gratiszeitungen zu werden, indem Sie einfach die Zustellung erhöhen. Eine valide Option, um sich an die Spitze zu setzen und über eine kurzfristige Investition mittelfristig höhere Werbegelder zu generieren?
Theoretisch könnten wir mit unserem Modell in der Tat schon morgen die Nummer eins in der Schweiz sein. Aber die Hauszustellung ist logistisch sehr anspruchsvoll. Deshalb müssen wir stufenweise wachsen. Sonst würden wir das Geld der Investoren zum Fenster hinauswerfen.
«Wir haben einen langen Atem. Das Ziel ist jedoch, in sechs bis sieben Jahren den Break-Even zu erreichen.»
Bei 20 Minuten rechnete man mit etwa 84 Millionen CHF Investitionen, die NZZ sieht das Investitionsvolumen von punkt.ch irgendwo zwischen 50-60 Millionen CHF. Wie lange werden sich Ihre Investoren gedulden müssen, bis schwarze Zahlen geschrieben werden und das Investment finanzielle Früchte trägt?
Ich werde mich hüten, der NZZ zu widersprechen. Mit unseren Investoren haben wir einen Worst-Case durchgespielt und alle sind bereit, auch diesen Fall mitzutragen. Das heisst, wir haben einen langen Atem. Das Ziel ist jedoch, in sechs bis sieben Jahren den Break-Even zu erreichen. Unser Vorteil ist, dass alle selbst Unternehmer sind, die Hälfte von ihnen mit Background Medien. Ich wollte bewusst die Finanzierung nicht mit Private-Equity-Geldern vornehmen, weil ich damit bei 20 Minuten schlechte Erfahrungen gemacht habe. Der dortige Private-Euqity-Investor verstand zwar viel von Zahlen, aber nur wenig vom Geschäft und hatte deshalb nicht die Geduld, bis zum Durchbruch mitzumachen. Dadurch brachte er auch alle anderen Investoren in eine missliche Situation und erzwang einen Verkauf im ungünstigsten Zeitpunkt..
Alle Gratisblätter wenden sich an ein urbanes, jugendliches, interessiertes Publikum. Wäre es hier nicht konsequenter, statt die Papierflut zu erhöhen, exklusiv auf neue Kanäle (Internet, Smartphones, PDAs) zu setzen (das generiert zwar zur Zeit noch weniger Werbeeinnahmen, ist aber im Vertrieb enorm viel günstiger)?
Bei uns ist das anders: Unser Zielpublikum sind die 19- bis 59-jährigen urban ausgerichteten Frauen und Männer. Zudem hat Crossmedia bei uns einen sehr hohen Stellenwert. Internet und Mobile sind bei uns integrale Bestandteile in Ergänzung zur Zeitung. Aber am schnellsten grosse Reichweite erreicht man immer noch mit der Zeitung, oder natürlich dem Fernsehen. Deshalb bildet die Printausgabe von .ch die Basis für unser Crossmedia-Modell. Ob das auch in zezhn Jahren noch der Fall sein wird, und wie die Printausgabe von .ch dann ausschaut, das ist allerdings eine andere Frage. .
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?
Einer reicht mir: Dass die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft dieses Jahr Europameister wird.
Der Gesprächspartner
Sacha Wigdorovits, Jahrgang 1952, Gründer, Partner, Verwaltungsrat und Hauptaktionär von Contract Media AG. 20 Jahre Journalist unter anderem für Blick (Chefredaktor), Luzerner Neuste Nachrichten (Stv. Chefredaktor), SonntagsZeitung (US-Korrespondent, Chefreporter), Tages-Anzeiger (Redaktor Stadt Zürich). Lic. phil. I Uni Zürich, Absolvent AMP Harvard Business School. 1999 lancierte er das Pendlerblatt 20 Minuten. Sein Werk ist auch der Relaunch des Winterthurer Landboten. Wigdorovits, dessen Partnerschaft mit Fernsehdirektorin Ingrid Deltenre immer wieder in die Medien gerät, gilt als Workaholic. Er schätzt Opern und Konzerte, liest, reist, taucht, fährt Ski, spielt Tennis, Fussball und Bridge.
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