Sammlung E. G. Bührle Zürich

von Tanja Hess

Weit spannt sich der Bogen in der Sammlung Bührle und doch zeigt diese Sammlung mit ihren rund 200 Bildern und Skulpturen einen Kern. Von den Nabis über die Fauves, hin zu den Kubisten und den Vertretern der französischen Avantgarde, es ist alles da. Doch von diesem Zentrum aus schweift der Blick immer wieder in die Ferne, dahin wo gotische Holzplastiken das Terrain zur Vergangenheit abstecken oder holländische und italienische Malerei des 16. bis 18. Jahrhunderts die Ausgangspunkte der Sammlung aufzeigen.







Die Biografie des Sammlers als Schlüssel
In den Nachkriegsjahren von 1951 bis 1956 ist die Sammlung entstanden. Hinter der Sammlung steht wie so oft, wenn etwas Grosses entsteht, eine Person mit viel Profil. Heute kennen wir diese Person als den Industriellen Emil Georg Bührle, den Mann, der im Jahre 1937 die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co. erwarb. Doch beim genaueren Hinsehen zeigt sich hinter dem Industriellen ein Sammler mit Leidenschaft. So verrät uns seine Biografie, dass er vor dem Ersten Weltkrieg in Freiburg, München und Berlin Kunstgeschichte und Literaturgeschichte studiert hat. Doch sein Leben verlief anders als geplant. Der Weltkrieg kam und machte aus dem Studenten einen Offizier und der Offizier kam nach dem Krieg als erfahrener Mann ins Erwerbsleben zurück. Ausgestattet

Einblick in die Räume der Sammlung Bührle an der Zollikerstrasse in Zürich.


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mit dem Auftrag der Werkzeugmaschinenfabrik Magdeburg, in der Schweiz abzuklären, wie es sich verhalten könnte mit einer Beteiligung der norddeutschen Firma an der Werkzeugmaschinenfabrik in der Schweiz, ist er gekommen. Er soll seine Erfahrungen als Offizier einbringen können und gilt als Fachmann für automatisches Geschütz.

Der Industrielle als Sammler
Emil Georg Bührle war ein Mann, der die Dinge bestimmte und so war der Fortbestand der Werkzeugfabrik in seinen Händen. Im Jahre 1936 kaufte er die Werkzeugfabrik Oerlikon und nur ein Jahr später beantragte er die Schweizer Staatsbürgerschaft. Diese Ausgangslage ist keine einfache Sache für ein Unternehmen im Nachbarland der Grossmacht.


«Mit etwas Geduld und vor allem materiellem Mut ist es heute noch möglich in einer kurzen Zeitspanne eine ebenso gute Sammlung als die von Oskar Reinhart zu gestalten, um den Namen Bührle für immer festzulegen.» Carl Montag 1939.


Vorliebe fürs Französische
Für den Sammler E. G. Bührle ist der Zweite Weltkrieg ein wichtiger Grund, dass er seine Bilder in der Schweiz kaufen muss. Seine seit der Studienzeit gehegte Liebe für die französische Malerei zeigt sich in den Ankäufen des Jahres 1937 deutlich. So kauft er in Luzern Bilder von Manet, Renoir, Cézanne Gauguin und van Gogh. 100`000 Franken zahlte er in diesem Jahre für eine Montagne St. Victoire von Cézanne. Für einen Fragonard bezahlte er 200`000 Franken. Die französischen Impressionisten erzielten erst zwanzig Jahre später gleich hohe Preise. Wert hatte, was älter als aus dem Jahre 1800 war. Die Bilder des französischen Impressionismus gewannen erst zwanzig Jahre später markant an Wert.








Heikle Erwerbungen
1939 ist E. G. Bührle in Luzern an der Auktion dabei, an der «entartete Kunst» aus deutschem Museumsbesitz versteigert wird. Bührle kehrt mit einem Blumenstilleben von Lovis Corinth heim nach Zürich; ein Selbstbildnis von Van Gogh ist ihm entgangen (vgl. «Van Gogh echt falsch»!). Während des Zweiten Weltkriegs gelangen in der Schweiz Bilder in den Handel, die sich nachträglich als gestohlen erweisen – E.G. Bührle hat 13 davon erworben. Nach 1945 ist es E.G. Bührle sehr darum zu tun, die richtigen Eigentümer ausfindig zu machen und sich mit ihnen zu einigen, entweder durch Rückgabe der Bilder oder indem er sie ein zweites Mal kauft. In allen Fällen attestiert ihm das Bundesgericht die vollständige «Gutgläubigkeit» beim Kauf.


Die Nachkriegsjahre
Wirtschaftlich gesehen ist die Lage schwierig. Somit wächst auch die Sammlung nur sehr langsam. Der Knabe mit der roten Weste von Cézanne kommt im Jahre 1948 in die Sammlung. Dies ist ein entscheidender Punkt in der Geschichte des Sammlers. Man kann das Bild als Angelpunkt des französischen Impressionismus sehen. Denn erstmals entzieht sich ein Meisterwerk der «richtigen Wiedergabe» als primärem Qualitätsmerkmal und stellt die Gesamtheit des Bildes in den Vordergrund. Mit dieser Öffnung in der Rezeption sind der Malerei die unglaublich einengenden Fesseln entfallen. Mit diesem Kauf geht der Sammler einen wegweisenden Schritt in die Zukunft.


Edgar Degas, Kleine vierzehnjährige Tänzerin
Bronze. 97 x 0 cm. Entstanden 1880/81



Paul Cézanne, Der Knabe mit der roten Weste
Öl auf Leinwand. 80 x 64.5 cm.
Entstanden 1894/95




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Kunstpflege macht nicht vor nationalen Grenzen halt
Schon während des Zweiten Weltkrieges gibt sich E. G. Bührle als Förderer des Kunsthauses Zürich zu erkennen. Zuerst stellt er seine Bilder für Ausstellungen zur Verfügung, was wiederum als Zeichen für die Entwicklung des Kunstverständnisses der Schweiz massgebend war. Dann ab dem Jahre 1944 ist er im Vorstand es Kunsthauses.


Die starken Fünfzigerjahre
Der Kalte Krieg macht die wirtschaftliche Situation Bührles stabiler. Während bis zu diesem Zeitpunkt nur einzelne Bilder pro Jahr für die Sammlung Bührle gekauft werden, ändert sich dies in den Fünfzigerjahren. Durch seine Reisetätigkeit hat E. G. Bührle nun Zugang zu Händlern in der ganzen Welt. Er nutzt seine Reisen zu diesem Zwecke. So kauft er jährlich gut und gerne an die hundert Bilder und auch einige Zeichnungen dazu. In dieser Zeit baut E. G. Bührle langsam und beständig seinen Sammlungskern auf und weitet diesen aus. Zeitweilig hatte er auch mit dem Gedanke gespielt, dass er sich einen geeigneten Präsentationsrahmen für die Bilder bauen könnte. Doch die Bilder hatten eine Bleibe in Zürich an der Zollikerstrasse, gleich in seinem Nachbarhaus. Für sein Empfinden hingen die Bilder da zu eng und in ungünstigen Lichtverhältnissen. Pläne für einen eigenen Neubau stellte er im Interesse des Kunsthaus Neubaus zurück. Er wollte abwarten und seine Sammlung im Licht des von ihm finanzierten Neubaus des Kunsthauses sehen. Aus Briefen geht hervor, dass er sich sehr freute auf dieses Erlebnis. Doch unerfüllt blieb ihm seine Hoffnung, denn die Eröffnung des «Bührle-Baus» erlebte er im Jahre 1958 nicht mehr.







Eine starke Leidenschaft des Sammlers lag in der Gotik.


In der Sammlung Bührle  werden Zeit und Raum eins. Es begleitet die Präsenz der ganzen Geschichte.


Das Anliegen des Sammlers
Vor Augen hatte der Sammler und Industrielle E. G. Bührle die ganze Zeit die Bilder, welche er 1913 in der neu eingerichteten Nationalgalerie in Berlin gesehen hatte, Bilder des Französischen Impressionismus. Die Entwicklung seines Verständnisses für diese Malerei, welche bei ihm zuerst Ablehnung hervorrief und dann schliesslich in Verehrung und Liebe mündete, war ihm Vorbild für seine Sammeltätigkeit. Nicht zuletzt hat diese Erfahrung des Verstehens etwas damit zu tun, wie die schwierige Deutsche Geschichte dieser Zeit gesehen werden kann.








Was geblieben ist
Vielleicht versteht man die Grösse eines Sammlers erst, wenn man die Person und deren subjektiven Erfahrungen vor dem Bild nachvollzieht. Erst dann wird klar, was der Sammler dem Betrachter gegeben hat. 


Es lag dem Mann daran, dass alle, die ganze Stadt, die Welt, an etwas Grossem teilhaben. Es ist die Öffnung des Blickes, verbunden mit der Öffnung des Geistes, was er suchte.



Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich im Jahre 1955-58



Zur Sammlung ist eben ein neuer Katalog in drei Bänden erschienen und online online erhältlich.





Stiftung Sammlung E. G. Bührle, Zollikerstrasse 172, 8008 Zürich
Dienstag, Mittwoch, Freitag, Sonntag, 14 – 17 Uhr


Anreise: S 6 & S 16 bis Tiefenbrunnen; Tram 2 & 4 bis Wildbachstrasse.
Parkplätze vor dem Haus.


www.buehrle.ch

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