Sammlung E.G. Bührle Zürich: van Gogh – echt falsch
von Tanja Hess
Die Geschichte begann mit einer in guter Absicht gemalten Kopie des Selbstportraits van Goghs, welches sich im Besitz Paul Gauguins befand. Die Kopistin wollte ein Doppel als Erinnerung an das Original herstellen, weil Gauguin das Original verkaufen musste.
«In der aktuellen Ausstellung zu Vincent van Gogh gibt es gleich mehrere Schätze zu entdecken. Dazu gehört sicher der Sämann. Durch die Arrondierung mit weiteren Bildern Vincents bekommt der Betrachter die Möglichkeit, das Wesentliche von Vincent van Gogh zu verstehen.»
Lukas Gloor, Kurator Sammlung E. G. Bührle.
Der Sämann, Öl auf Jute, auf Leinwand aufgezogen. 73.5 x 93 cm. Vincent, Entstanden 1888 in Arles.
Mit roter Farbe hat die Kopistin ihr Tun, gleich einem Titel am oberen Bildrand, angebracht: «Copie d`après Vincent». Und doch hat dieses Bild verschiedene Male die Hand gewechselt. So gelangt das Bild im Jahre 1948 auch in die Hände des Industriellen Bührle. Den Prozess gegen den Verkäufer hat E.G. Bührle verloren. Der Grund: Emil Georg Bührle hätte die Publikation aus dem Jahre 1939 bekannt sein können. Dort wird das Bild nämlich erstmals als angebliche Fälschung bezeichnet.
Der gute Grund
Vincent van Gogh malte oft die gleichen Motive in verschiedenen Variationen. Dabei suchte er nach dem Ausdruck der Farbe, setzte farbige Motive in den Hintergrund oder tauscht Accessoires aus. Man kennt die Bilder des Postboten, welche in mehr Variationen gemalt wurden, als es Finger an einer Hand hat. Warum soll es bei diesem Bild nicht anders sein. Weiss man doch, dass Vincent mehrere Selbstportraits malte. Doch Vincent malte nur diese Variante mit dem kupferoxyd grünen Hintergrund ohne Muster. Das Besondere an diesem Bild, es trägt eine Widmung «Selbstbildnis für Gauguin». Im Gegenzug schenkte Gauguin Vincent ein Bild von sich. So hatte also jeder Künstler ein Bild des anderen in seiner Sammlung. Dies entsprach der gegenseitigen Verehrung.
Das Original des Selbstportraits van Goghs befindet sich im Fogg Art Museum, Harvard.
Die Fälschung ist im Besitz der Sammlung Bührle, Zürich.
Wie es zur Fälschung kommt Doch Gauguin zog es zunehmend in die Südsee. Bei seiner zweiten und endgültigen Abreise stellt er seine Habe bei einem Freund und Nachbarn in Paris ein. Wir schreiben das Jahr 1897/98, die Tochter des Nachbarn heisst Judith Gérard und ist Malerin. Ebendiese Frau erfährt einige Jahre später, dass Gauguin das Bild Vincents verkaufen muss. Als Gefälligkeit stellt sie eine Kopie des Bildes her. Sie weiss, dass Gauguin das Bild Vincents sehr viel bedeutet und dass ihn den Verlust schmerzen wird. Also malt sie für Gauguin eine Kopie als Erinnerungsstück. Mit einer entsprechenden Widmung wie sie Vincent für Gauguin anbrachte zeichnet auch die junge Malerin ihr Bild mit den Worten: «Copie d`après Vincent»…. ein Geschenk für Paul Gauguin. Das Original Vincents wird dann 1901 | Weiteres Selbstbildnis aus der Sammlung Bührle, Öl auf Leinwand. 47 x 35.5 cm. Entstanden 1887 in Paris. |
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von einem Mann abgeholt, der sich mit einem Brief Gauguins als Käufer ausweist: Kaufpreis 300 Francs.
Der Täter ein Händler? Ein Jahr später veräussert die Mutter der jungen Malerin die Kopie des Selbstportraits an den Kunsthändler Amedée Schuffenecker. Wahrscheinlich ist das Original auch über den Ladentisch dieses Kunsthändlers gegangen. Jedenfalls war es Schuffenecker klar, dass man die Kopie, so wie sie vor ihm lag, nicht verkaufen konnte. Schlau, wie er war, nicht zuletzt getrieben vom enormen Vincent-Boom, veranlasste er, den Hintergrund des Bildes, sowie kleine Eingriffe am Motiv selbst zu verändern. Damit lag Schuffenecker nicht weit entfernt von den Gewohnheiten Vincents Variationen zu malen. Selbstverständlich wurde auch die Deklaration der Kopie, so wie sie die Malerin angebracht hatte, entfernt. Weiter zur Sammlung Bührle… | Emil Georg Bührle& (Pforzheim, 1890 – 1956, Zürich) Emil Bührle studiert Kunstgeschichte in Freiburg i. Br. und München und sieht 1913 in der Nationalgalerie in Berlin die neue Hängung, in der die französischen Impressionisten einen wichtigen Platz einnehmen. Er wird 1924 im Auftrag seines Arbeitgebers von Magdeburg nach Zürich versetzt und reorganisiert die Schweizerische Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon. Seit 1936 ist er Alleininhaber der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co. und Schweizer Bürger; er tätigt erste Bilderkäufe im Schweizer Handel. Der Ankauf von «Der Knabe mit der roten Weste» von Cézanne 1948 und «La Petite Irène» von Renoir 1949 ist erster Ausdruck einer zunehmenden Konsequenz, mit der sich Bührle auf Meisterwerke neuerer Künstler konzentriert. Rund drei Viertel seiner Sammlung erwirbt Bührle zwischen 1951 und 1956 bei führenden Händlern in New York, London, Paris und Zürich. Er stiftet dem Kunsthaus Zürich ein Gebäude für Ausstellungen (erbaut 1954-1958), für das er eigene Galerie-Pläne zurückstellt. 1960 gründet die Familie Emil Bührles die Stiftung Sammlung E.G. Bührle und übergibt ihr einen grossen Teil der Sammlung. |
Die Etablierung ohne Zertifikat
Das Bild kommt im Jahre 1904 in die Galerie von Eugène Druet. Die Galerie gilt als etablierte Vincent van Gogh Galerie. Von da an gilt das Bild als «echter Vincent». Die eigentliche Malerin Judith Gérard sieht das Bild in der Ausstellung und will die Sache bei der Galerie richtig stellen. Doch ihr wird nur die Tür gewiesen.
Ein Vierteljahrhundert später 1928 erscheint ein Katalog des Werkes von Vincent van Gogh. Darin wird das Bild von Judith Gérard als ein Original Vincents bezeichnet. Darauf reagiert Judith Gérard und geht an die Öffentlichkeit. Erst im Jahre 1939 kommt eine Neuauflage des Katalogs in den Buchhandel, worin ein Hinweis auf Judith Gérards Urheberschaft ist. |
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Die zweite Hälfte der Geschichte Am 30. Juni 1939 sitzt Emil Georg Bührle, der erfolgreiche Industrielle mit einem Studium der Kunstwissenschaft in Luzern an der Auktion des Originals (Selbstbildnis für Paul Gauguin) in der Galerie Fischer. Als er schon meint, den Zuschlalg zu haben, meldet sich ein weiterer Auktionsbesucher mit Protest und meint, er sei übersehen worden. Verärgert bietet E. G. Bührle nicht mehr weiter. Das Bild geht für 175 000 Franken an den amerikanischen Mitbieter. Der gute Glaube an die Herkunft | |