Saul J. Berman, Global Leader IBM Strategy & Change Consulting
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Berman, Sie sind ein gefragter Redner für Konferenzen und Executive Meetings und haben ausgezeichnete Kenntnisse der Medien-Industrie. Weshalb sind die Medien so zögerlich beim Erfinden neuer Geschäftsmodelle und beim ich Anpassen an wechselnde Bedingungen?
Saul J. Berman: Wegen der Herausforderungen, die solche Veränderungen für Unternehmen bedeuten und den damit verbundene strukturellen Wechseln in der Medien-Industrie, verstecken sich die Medienunternehmen hinter einer Mauer des Misstrauens. Genau wie in der Musik-Industrie: Niemand will der Erste sein, keiner will ein Risiko eingehen, niemand will nur schon über etwas nachdenken, was das heutige Geschäft kannibalisieren könnte. Deshalb warten alle darauf, was als nächstes geschieht. Und wenn sie lange genug warten, kommt jemand von aussen mit einem völlig neuen Geschäftsmodell und stellt alles auf den Kopf. In der Musikindustrie kam Apple und hat das Geschäft revolutioniert. Niemand sonst in der Musikindustrie fand eine Lösung, wie sie all ihre Musik auf einer gemeinsamen Plattform allen Hörern zugänglich machen konnten.
«Alles spricht davon, dass die Musik-Industrie viel Geld verloren habe. Meine Überzeugung ist, dass die Musikindustrie mehr Geld verdient, aber an unterschiedlichen Orten.» Saul J. Berman, Global Leader IBM Strategy & Change Consulting
Kennen Sie Beispiele aus Segmenten mit wegbrechenden Geschäftsmodellen, in denen Unternehmen neue Wege gefunden haben, erfolgreich zu sein?
Unternehmen im Videobereich verhalten sich ein wenig intelligenter in ihrem Geschäft. Sie formieren Allianzen und Geschäftsmodelle, die es ihnen erlauben, weiterhin einen Teil der Wertschöpfung bei sich zu behalten. Alles spricht davon, dass die Musik-Industrie viel Geld verloren habe. Meine Überzeugung ist, dass die Musikindustrie mehr Geld verdient, aber an unterschiedlichen Orten. Nehmen Sie nur schon die Wertschöpfung der Mobiltelefonanbieter mit den Klingeltönen und Musik-Downloads. Addieren sie den Wert, den die Konzertveranstalter durch die zusätzlichen Konzertteilnehmer generieren. Dazu kommt, in den USA zumindest, der Mehrwert, welchen Anbieter dadurch schaffen, dass sie all die unterschiedlichen Multimedia-Geräte in den Häusern der Konsumenten miteinander verbinden.
«Es geht nicht nur um Kostenreduktion, sondern darum, aus dem Vorhandenen das Optimum herauszuholen.»
Hier geht es um neue Geschäftsmodelle. Apple erfand, was ich das «umgekehrte Rasierklingen-Modell» nenne. Gillettes Modell war: Wir geben ihnen den Rasierer praktisch kostenlos, sie kaufen dafür in alle Ewigkeit die Klingen dazu und wir haben einen hübschen Gewinn auf den Klingen. Apple kehrt das Ganze um und macht die Klingen (Musik) praktisch kostenlos. Dafür benötigt man aber einen schicken Rasierer (Abspielgerät). Übrigens, der Rasierer kommt jedes Jahr in einem neuen Modell heraus und sie sollten einen neuen kaufen. Nur so nebenbei, nach einem Jahr ist die Batterie eh hin und sie sollten einen neuen kaufen. Ach ja, wir teilen den Gewinn für das Gerät nicht mit der Musikindustrie.
Haben Sie einen Ratschlag für Unternehmer, die mit sinkenden Margen und schrumpfenden Budgets konfrontiert sind?
Unternehmern, die über die Zukunft nachdenken, kann ich sagen, dass sich die künftigen Geschäftsmodelle von den heutigen unterscheiden werden. Die Modelle werden fragmentierter sein. Man muss im Auge behalten, wo die Wertschöpfung stattfindet und diese wird sich entlang der Wertschöpfungskette verschieben. Viele Leute, die für den Einkauf von Werbeflächen zuständig sind fragen mich «Geht es mit der Werbung nach oben oder nach unten?» Ich sage ihnen jeweils, dass sie sich darum kümmern sollten, was die Kunden für Marketing ausgeben und wie sie sich ihren Anteil davon sichern, statt darum, ob es mit der Werbung rauf oder runter geht. Wir glauben, dass die Leute in der aktuellen Wirtschaftslage ziemlich innovativ sein müssen bei den Geschäftsmodellen. Die Möglichkeit, dass sich hier Anteile zugunsten von Unternehmern mit gewinnbringenden Geschäftsmodellen verschieben, nimmt zu.
«Die meisten Unternehmen zerstören Werte im Übernahmeprozess. Unternehmen, die nur einmal in dieser Situation sind, wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen und kriegen es auch nicht richtig hin.»
Manager werden konfrontiert mit sich häufenden Aufgaben und zunehmender Verantwortung. Auf welche Themen sollen sie sich konzentrieren, wo sollten sie ihre Kräfte bündeln?
Was wir unseren Kunden versuchen beizubringen ist, dass sie sich auf ihre wahren Werte konzentrieren sollten, auf ihre Kernkompetenzen, auf die Kostenreduktion und auf ihre Aktivposten. Es geht nicht nur um Kostenreduktion, sondern darum, aus dem Vorhandenen das Optimum herauszuholen. Ob es sich dabei um eine Zufahrtsstrasse in die Stadt handelt, die Polizei oder Feuerwehr, ein Kraftwerk oder die Fabrikgebäude eines Herstellers; wenn man es in der Planung frühzeitig berücksichtigt, kann man die Güter effektiver einsetzen. Somit muss auch weniger Kapital dafür zu Verfügung gestellt werden. Kapital, das eh schon schwer zu beschaffen ist.
Ebenso sagen wir den Leuten, dass sie gerade jetzt Möglichkeiten ausschöpfen sollen, ihr Geschäft weiter auszubauen. Sie sollten Güter ausfindig machen, die aus Notsituationen günstig zu bekommen sind und selbst Güter und Beteiligung loswerden, die nicht zentral sind. Zudem sollen sie nach Innovationen in Geschäftsmodellen Ausschau halten, die langfristig zu finanziellem Erfolg führen.
Unternehmer müssen also mit Veränderungen smarter umgehen und die Chancen schneller ergreifen?
Ja und es braucht ein Change-Programm und einen Plan, wie die Änderungen schnell umgesetzt werden können. In einem Report, den wir im letzten Herbst erstellten, haben wir so genannte «Meister der Veränderung» identifiziert. Diese machen es in 80 Prozent der Fälle richtig, aber es sind nur zwanzig Prozent der Unternehmen. Etwas sehr Ähnliches fanden wir in einer Untersuchung vor einigen Jahren zum Thema «Mergers and Acquisitions». Die meisten Unternehmen zerstören Werte im Übernahmeprozess. Unternehmen, die nur einmal in dieser Situation sind, wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen und kriegen es auch nicht richtig hin. Es gibt aber die GEs der Welt, die andauernd Übernahmen tätigen und wissen, wie man damit Werte schaffen kann. Wir sind davon überzeugt, dass «Change» gerade in der heutigen Situation eine Strategie und umso bedeutender ist wird, je schneller und effektiver man damit umgehen kann.
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Eine der wichtigen Antriebe für Veränderungen ist die Technologie. Nach der ersten Welle der e-Business Euphorie ist heute das Internet allgegenwärtig. Wie beurteilen Sie das Rennen zwischen der «alten» und «neuen» Geschäftswelt?
Wir haben schon 1999 gesagt, dass das Silicon Valley falsch liege. Die sprachen immer von «clicks and mortar» (Onlineshops versus etablierte Geschäfte). Wir sprachen von «bricks and modem» und meinten damit, dass die traditionellen Unternehmen wie Charles Schwab oder Time Warner und nicht etrade oder AOL das Rennen machen würden. Die etablierten Geschäfte würden sich die Technologie aneignen, um erfolgreich zu sein. Ebenso prognostizierten wir im September 1999, dass Wall Street eines Tages wieder aufwachen und Profit wieder wichtig sein werde.
In Hinblick auf die Medien schrieben wir 2002 einen Bericht «Vying for attention». Die Idee dahinter ist das tägliche Informations-Bombardement sämtlicher Medien auf allen Kanälen und an allen Orten. Es gibt aber weiterhin nur sieben Tage in der Woche und 24 Stunden am Tag. Wie wählen die Leute das für sie Wichtige aus, wie wälzen sie sich durch all die Überflutung? Es geht also darum, die Aufmerksamkeit des Einzelnen zu gewinnen.
«Es gibt keine einzig richtige Antwort. Es ist nicht wie der Wechsel vom Schwarz-Weiss Fernseher zum Farbfernseher. Sie bewegen sich nicht von einem stabilen Zustand zum nächsten. Die Technologie ändert sich viel schneller. Und dann blenden fast alle aus, dass wir hier vom digitalen Geschäft sprechen.»
Junge Leute tendieren dazu, immer mehr Informationen über das Internet zu beziehen. Zeitungsverleger haben das lange Zeit mit verheerenden Folgen ignoriert. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Ich nahm vor drei Jahren an einem Podiumsgespräch mit dem Verband der Nationalen Radio- und Fernsehgesellschaften teil. Ich sagte ihnen, dass die nächste Generation kein Kabel- oder Satelliten-Abonnement mehr haben werde, wie das heute für 80 Prozent der Bevölkerung der Fall ist. Es ist wie mit den heutigen Schulabgängern, die meistens keinen Festnetzanschluss mehr haben. In einigen Teilen der Welt hat gar niemand einen Festnetzanschluss. Die haben nur noch ein Mobiltelefon. Du erzählst ihnen von deinen drei Festnetzanschlüssen und sie schauen dich verständnislos an. Genau so benötigen die heutigen Schulabgänger auch kein Fernesehgerät mehr, kein Kabel- oder Satelliten-Abonnement. Sie beziehen sämtliche Inhalte über das Internet.
Wie gut sind die heutigen Geschäftsführer der grossen Unternehmen darauf vorbereitet, diese Entwicklungen in ihre Strategie einzubinden?
Teilweise sehen sie die Dinge kommen, verstehen sie aber nicht. 1999 sass ich im Sitzungszimmer des Verwaltungsrates eines führenden Musikunternehmens und wir mussten einen Computer ins Zimmer bringen und der Geschäftsleitung zeigen, was Napster ist und wie es funktioniert. Es ist irgendwie schwierig, eine Strategie für Geschäftsmodelle zu entwickeln, die man nicht versteht.
Es wird immer wichtiger für das oberste Management zu verstehen, wie sich die Welt um sie herum verändert und dass sich ihre Kunden nicht mehr gemäss altbekannter Muster verhalten. In der Medienwelt teilen wir die Kunden in drei weit gefasste Segmente ein, die wir «massive passives», «gadgeteers» und «cool kids» nennen. Die «massive passives» stellen den Grossteil des Publikums. Hier wird das meiste Geld gemacht, also konzentrieren sich die Anbieter auf diese Gruppe. 90 Prozent des Musikumsatzes kam im Jahre 2006 noch von den physischen Medien, nicht den digitalen. Diese Gruppe hat einen Videorekorder oder DVD Spieler zuhause in dessen Display immer die 12:00 blinkt, da sie niemals in der Lage sein werden, das Abspielgerät richtig zu programmieren. Diese Gruppe wird sich der Technologie und Veränderung anpassen, wenn es ihnen leicht gemacht wird. So hat zum Beispiel Apple die Musik zum Herunterladen für die «massive passives» vereinfacht und sie haben diese Neuheit übernommen.
Die «gadgeteers» geben viel Geld aus für das Neuste und Beste. Diese Leute gaben 600 Dollar aus für das Apple iPhone als es auf den Markt kam, auch wenn es als Telefon unbrauchbar war. Die «coolen kids» haben zu viel Zeit, eine zu hohe Bandbreite und zu wenig Geld. Das Problem mit ihnen ist, wie wir sie ausfindig machen, einen Weg finden, mit ihnen Geld zu verdienen und gleichzeitig für sie bedeutend bleiben. Ich versuche den Geschäftsführern klar zu machen, dass sie dieses unterschiedliche Publikum vorfinden und dass sie mit allen Gruppen arbeiten müssen.
«Der Wert des sozial verantwortlichen Handelns wird umso grösser, je besser er sich im Einklang mit den ökonomischen Zielen eines Unternehmens befindet.»
Alles gut, aber wie soll ein Geschäftsführer jetzt vorgehen, wie kann er eine Strategie entwickeln, um all diese oben genannten Gruppen anzusprechen?
Das ist Teil meiner Geschäfts-Modell-Innovation. Es gibt keine einzig richtige Antwort. Es ist nicht wie beim Wechsel vom Schwarz-Weiss Fernseher zum Farbfernseher. Sie bewegen sich nicht von einem stabilen Zustand zum nächsten. Die Technologie ändert sich viel schneller. Und dann blenden fast alle aus, dass wir hier vom digitalen Geschäft sprechen. Heute hat das Geschäft mit den physischen Produkten noch einen grossen Vorsprung. Es ist aber so, dass jedes physische Produkt einen immer grösseren Anteil an digitalen Elementen hat. Nehmen sie zum Beispiel ein Auto. Der Wert der Sensoren, Rechner und Informations-Systeme nimmt immer mehr zu. In einer Rede für die Automobilindustrie vor neun Monaten legte ich dar, dass sie ihre Autos für die Herstellungskosten verkaufen und den Gewinn alleine durch Informationsleistungen, die zusammen mit dem Auto angeboten werden, machen könnten. Das Auto wird zum blossen Träger, um andere Produkte und Dienstleistungen verkaufen zu können. Dies ist eines der Beispiele die zeigen, dass die Leute radikaler und ganzheitlicher über zukünftige Geschäftsmodelle nachdenken müssen. Sie müssen die Technologien verstehen und welchen Einfluss sie auf die Geschwindigkeit der Veränderungen haben.
Die Globalisierung wird oft als Entschuldigung vorgeschoben für Vieles, das zurzeit schief läuft. Wie beurteilen Sie den Einfluss der Globalisierung?
Durch die Globalisierung geschehen und verändern sich die Dinge schneller. Als die USA im Hypothekenmarkt Probleme hatten, weitete sich das sehr schnell zur weltweiten Krise aus. In der Vergangenheit wäre das nicht annähernd so schnell geschehen und die Leute hätten mehr Zeit gehabt zu reagieren, ihr Kapital zu schützen, oder andere Massnahmen zu treffen. Aus diesem Grund muss heute das Risiko Management intelligenter gehandhabt werden in Bezug auf die Diversifikation und die Marktbeobachtung. Das Timing wird bedeutender, da weniger Zeit zum Reagieren bleibt. Lebenszyklen von Produkten werden kürzer, also muss der Gewinn früher im Zyklus anfallen.
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In Ihren Papieren sprechen Sie häufig von Werten. Auf welche Werte schauen Sie?
Auf viele, aber vor allem auf Innovation, Risiko Management, Fokus und Veränderung. Das sind Schlüsselwerte. Veränderung betrifft alle Interessensvertreter eines Unternehmens. Die Werte ändern sich und es gibt mehr Beeinflussung von Seiten der Öffentlichkeit, seien dies die Gewerkschaften, die Behörden oder die öffentliche Meinung über sozial verantwortliches Handeln. Der Wert des sozial verantwortlichen Handelns wird umso grösser, je besser er sich im Einklang mit den ökonomischen Zielen eines Unternehmens befindet. Wir sehen immer mehr Firmen die versuchen, sozial verantwortliches Handeln gewinnbringend einzusetzen und es nicht aus reiner Nächstenliebe oder aus altruistischen Motiven heraus tun.
«Ein Teil des Problems ist, dass die Zeitungsverleger zuerst gar nicht und dann nicht schnell genug reagiert haben.»
Im Wissen, dass die Fokussierung der Manager auf kurzfristige Aktienperformance eine der Ursachen der aktuellen Krise ist, bot sich keine bessere Messgrösse für den Erfolg einer Firma in Ihrer letzten Studie an, als der Verlauf des Aktienkurses?
Ich glaube, der Aktienkurs ist eine gute Messgrösse, aber in Zukunft wird es eine grössere Anzahl von Messkriterien geben. Der Aktienkurs misst aber ganz klar einige Dinge, die getan werden müssen, falls eine Firma überleben will. Zudem wird ein Unternehmen Mühe haben, seinen weiteren Verpflichtungen nachzukommen, wenn es nicht wirtschaftlich erfolgreich ist. Ich glaube, dass Firmen eine zunehmend grössere Verantwortung wahrnehmen, wie wir alle übrigens, und dass sich dies auch im Aktienkurs widerspiegeln und die Firma Gewinn aus einem verantwortungsvollen Handeln ziehen wird.
Vor einigen Jahren war das Verlegen einer Zeitung praktisch eine Lizenz zum Gelddrucken. Nun gehen viele Zeitungen Konkurs oder stehen kurz davor. Welches Geschäftsmodell würden Sie entwickeln, um die Zeitungen vor dem Untergang zu retten?
Ein Teil des Problems ist, dass die Zeitungsverleger zuerst gar nicht und dann nicht schnell genug reagiert haben. Als ich im Jahre 2002 mit einigen CEOs von mittelgrossen Zeitungen auf einer Konferenz zusammentraf und ihnen einige der kommenden Szenarios erläuterte, haben sie mich als «Internet-Fanatiker» abgelehnt. Heute sind einige dieser CEOs und ihre Zeitungen nicht mehr im Markt.
In einigen Fällen haben sie einfach die sich ergebende Lücke zum Handeln verpasst. So zum Beispiel im Anzeigengeschäft. Der Teil des Anzeigengeschäfts, der in den USA Craigslist oder eBay zufiel, hätte im Besitz der Zeitungen bleiben können. Die Technologie, die heute bei eBay zum Einsatz kommt, wurde so ähnlich schon 1993 im MIT Medien-Lab vorgeführt. Die Erfindung stand also zu Verfügung, es fehlte aber das innovative Geschäftsmodell dazu. Erst eBay hat daraus eine geschäftliche Innovation gemacht. Weshalb haben das die Zeitungen nicht in ihrem lokalen Markt getan? Craigslist agiert als Vermittler und hilft den Leuten, ihre Produkte im digitalen Raum auszutauschen, anstatt über Anzeigen in herkömmlichen Medien.
In unserem Papier 2005 «Beyond Access» versuchten wir darzulegen, dass Leser Informationen von anderen Lesern im Internet aus öffentlichen Quellen als vertrauenswürdig und legitim akzeptieren würden. Das Zielpublikum der Publikation waren Informations-Dienstleister. Wir sagten ihnen, dass die Leser nicht mehr auf ihre Daten angewiesen seien, wenn sie diese aus frei verfügbaren, öffentlich anerkannten Quellen bekämen. Die Antwort war: «Wenn die Leser etwas Wichtiges wissen müssen, werden sie unsere Daten brauchen, darauf wetten wir.»
«Die meisten Leute versuchen, das bestehende Geschäftsmodell so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Meistens stehen sie damit Neuem im Wege, bis zum Beispiel Google daher kommt und den Benutzern genau das ermöglicht, das sie tun möchten.»
In «Beyond Access» zeigen wir auf, dass die Informations-Dienstleister weiter gehen müssen. Sie müssen Verständnis vermitteln und Erklärungen geben, sie müssen die Analyse zu den Daten liefern. Wer wie Bloomberg eigenständige Analysen zu den Daten liefern kann, schafft Mehrwert. Zudem müssen die Daten in den Arbeitsablauf der Benutzer eingebunden werden können. Die Benutzer müssen selbstständig weitere Datenquellen und eigene Daten dazu mischen können. In Teilen sehen wir das jetzt im traditionellen News Geschäft. Woher beziehen heute viele Leser die News? Von Google. Weshalb? Weil Google die News für die Leser zusammenstellt und zusammenfasst. Ich kann mir ein Thema aussuchen und bekomme verschiedene Meldungen und Meinungen dazu. Im Gegensatz dazu schalten die traditionellen Zeitungen statische Meldungen auf ihre Webseite, die weder genügend schnell aktualisiert noch mit externen Quellen ergänzt werden, da die Zeitung keine Fremdmeinung auf ihrer Seite duldet. Wie im Musikgeschäft geht es aber nicht darum, den Benutzer von dem abzuhalten, was er eigentlich tun möchte, sondern ihn dazu zu befähigen und Wege zu finden, damit auch Geld zu verdienen.
Die meisten Leute versuchen, das bestehende Geschäftsmodell so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Meistens stehen sie damit Neuem im Wege, bis zum Beispiel Google daher kommt und den Benutzern genau das ermöglicht, das sie tun möchten. Jetzt kann man sich darüber aufhalten, wer welche Rechte hat, was zu tun oder eben nicht zu tun. Schon die Musikindustrie hat aber erfahren, dass das ein Kampf auf verlorenem Posten ist. Man muss den Benutzern etwas Attraktiveres bieten, dass sie bereit sind, dafür zu bezahlen.
Gibt es Beispiele dafür, wie ein Unternehmen mit einer solch neuen Entwicklung auch Geld machen kann?
Ich schreibe gerade an einem Buch für Harvard, wie man im digitalen Zeitalter Geld verdienen kann. Mein Lieblingsbeispiel sind die Mobiltelefone und die Klingeltöne. Wenn sie ein ganzes Musikalbum herunterladen, bezahlen sie mindestens 9.99 Dollar, ein einzelner Titel kostet 99 Cents. Wenn sie nur einen kleinen Auszug von 10 Sekunden als Klingelton haben möchten, kostet es zwei, drei oder mehr Dollars. Die 10 Sekunden kosten also mehr als das gesamte Lied. Das ist ein unglaublich interessantes Modell. Verleger experimentieren mit einem ähnlichen Modell. Wenn sie nur einige Kapitel eines Buches möchten, oder einzelne Artikel aus dem Archiv einer Zeitung, kann es sein, dass die einzelnen Teile mehr als das ganze Buch oder die gesamte Ausgabe der Zeitung kosten.
Wenn Zeitungen Online sind, geht es darum, wie sie aus dem Inhalt auch Geld machen können. Vielleicht können Sie Veranstaltungen zu Themen, mit denen sie sich Online eine grosse Glaubwürdigkeit erworben haben, organisieren. Wir kratzen hier erst an der Oberfläche. Es wird neue Modelle geben.
Saul J. Berman
Saul J. Berman, Ph.D. is the Global & Americas Leader for the IBM Strategy & Change Consulting group within IBM Global Business Services (GBS). In this role he works closely with major corporations around the globe on strategic business issues. Prior to this role, Dr Berman was the Lead Strategy Partner for the Media and Entertainment Practice as well as a Global Strategy & Change Services Leader at IBM GBS. Before joining IBM, Saul was the Global Strategic Change Leader at PwC Consulting. He was also previously with The Boston Consulting Group, and a divisional Vice President with Broadway Department Stores and an Assistant Professor of Management at the University of Southern California.
Dr. Berman holds a Ph.D. in Management and Information Systems and a MBA in Production Systems and Operations Research from the Graduate School of Business at Columbia University in New York. He obtained a Bachelor of Science in Economics at The Wharton School, University of Pennsylvania, Philadelphia. Dr Berman was named as one of the Top 25 Consultants of 2005 by Consulting Magazine and he is an editorial advisory board member for Strategy & Leadership Magazine.