Sie hatten seit dem 7. März gegen die Abbaupläne bei SBB Cargo protestiert. Der Streik sei nicht vergebens gewesen, man habe ein wichtiges Ziel erreicht, sagte Streikführer Gianni Frizzo am Montagmorgen an einer Betriebsversammlung. Sein Antrag, den Streik zu beenden, wurde einstimmig gutgeheissen. Frizzo erntete grossen Applaus. Der 52-jährige Elektromechaniker wird die Interessen der Arbeiter auch am Runden Tisch vertreten. Dabei wollen der Bund, die Gewerkschaften, die Tessiner Regierung sowie die SBB vorbehaltlos Lösungen für die defizitäre SBB Cargo ausarbeiten. Mit Blick auf diese Verhandlungen mahnte Frizzo zur Wachsamkeit: «Wir haben eine Schlacht, aber nicht den Krieg gewonnen.» Ziel sei es, allen Angestellten eine sichere Zukunft zu garantieren.
Von SBB wird mehr Fairplay verlangt
Mit einer «schwierigen zweiten Halbzeit» rechnet auch der Schweizerische Eisenbahn- und Verkehrspersonal-Verband (SEV). Bei den kommenden Verhandlungen erwartet er von der SBB «mehr Fairplay», wie er am Montag in einem Communiqué schrieb. Der SEV fordert überdies, dass nicht nur die Abbaupläne in Bellinzona, sondern auch in Basel, Biel und Freiburg sistiert werden: «Der Gang zurück an den Start muss für das ganze Abbaupaket gelten!»
Deutliche Worte an SBB-Spitze
Mit der SBB-Spitze geht der SEV hart ins Gericht. Diese hätte in den letzten Wochen einen alles andere als guten öffentlichen Eindruck hinterlassen. Die Vorwürfe des SEV sind harsch. Von «Arroganz», «Halbwahrheiten» sowie einem «Mangel an Bereitschaft zuzuhören und zu kommunizieren» ist im Communiqué die Rede. Ins selbe Horn stiess Unia-Sekretär Matteo Pronzini, der den Angestellten in Bellinzona sagte: «Ihr habt allen Arbeitern in der Schweiz die Würde zurückgegeben.» Die Angestellten in Bellinzona wollen ihre Arbeit am Mittwoch mit einem symbolischen Akt wieder aufnehmen: Um 7 Uhr wollen sie sich vor dem Haupteingang einfinden und danach in Gruppen zur Arbeit schreiten.
Neuer Slogan: «L’officina vivrà»
In der Zwischenzeit werden die Räumlichkeiten so hergerichtet, dass ab Mittwoch wieder Normalbetrieb herrscht. Die Zufahrtsgleise zu den Industriewerken wurden am Montag bereits wieder geöffnet. In der Malerei hingegen, die in den letzten Wochen als Versammlungsort und operative Zentrale des Streikkomitees diente, wird nur das Nötigste aufgeräumt. Man werde die Tische und Stühle so wegräumen, dass man sie rasch wieder hervorholen könnte, falls jemand versuche, die Angestellten bei den Verhandlungen über den (runden) Tisch zu ziehen, liess das Streikkomitee verlauten. Ansonsten dominierte im Tessiner Hauptort der neue Slogan: «L’officina vivrà» – «Das Industriewerk wird weiter leben».
Streik ist in Freiburg noch nicht vom Tisch
Die Angestellten des Freiburger Call Center werfen der SBB vor, in Bellinzona und Freiburg mit verschiedenen Ellen zu messen. Am Donnerstag wollen sie für die Beibehaltung des Call Center auf die Strasse gehen. Ob die Belegschaft die Arbeit niederlegt, ist laut Eric Levrat, Zentralsekretär des Schweizerischen Eisenbahn- und Verkehrspersonal-Verbands (SEV), noch unklar. Darüber werde nach der Demonstration und den Gesprächen mit der SBB-Spitze von nächstem Montag entschieden.
Festhalten an Forderungen
Ausschlaggebend dürfte dabei sein, wie die SBB die Schliessung des Call Center mit 50 abgebauten und 115 nach Basel verlegten Stellen begründet. Wie Levrat am Montag sagte, halten die Angestellten in Freiburg inzwischen an ihrer Forderung fest: Rückzug der geplanten Massnahmen und Gespräche am Runden Tisch. Diese dürften allerdings erschwert werden durch das in Freiburg vorherrschende Gefühl, es werde mit anderen Massstäben als im Tessin gemessen. So hatte etwa Staatsratspräsident Pascal Corminboeuf am Sonntag eine «untragbare Ungleichheit der Behandlung» den Tessinern kritisiert. (awp/mc/ps)