Der derzeitige Gesamtarbeitsvertrag (GAV) wurde von der SBB im Frühling per Ende Jahr gekündigt. Falls sich die Sozialpartner bis dahin nicht auf einen neuen GAV einigen können, dürfte die Zeit des Arbeitsfriedens vorbei: Die SBB hätte die Möglichkeit, Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen auszusprechen, die Gewerkschaften ihrerseits könnten zum Streik aufrufen.
Verhandlungen seit Juli blockiert
Mit einer Flugblatt- und Plakataktion und mit einer Medienkonferenz machte der SEV am Donnerstag die Öffentlichkeit auf seine Forderungen aufmerksam: Ein neuer GAV, der dem bestehenden mindestens gleichwertig sein muss. Die SBB dagegen will laut SEV beim Personal 5% einsparen, und zwar über höhere Arbeitszeiten (bis zu 3,5 Stunden mehr pro Woche), die Streichung von Zulagen und die Aufweichung des Kündigungsschutzes. Seit den letzten Gesprächen im Juli sind die Verhandlungen blockiert, wie François Gatabin, Vizepräsident des SEV und Leiter der Verhandlungsgemeinschaft, erklärte. Ein neuer Versuch wird nun am (morgigen) Freitag unternommen.
Streik als Option, nicht als Ziel
Ein Streik sei nicht das Ziel, sagte Gatabin. Er bleibe aber eine Option. Der St. Galler SP-Nationalrat und SGB-Präsident Paul Rechsteiner hatte bereits in der letzten «SonntagsZeitung» in einem Interview erklärt, die Eisenbahner diskutierten «ernsthaft und verbindlich» über einen Streik. Der SEV will seine Anliegen am 23. September mit einer Grosskundegbung in Bern bekräftigen, und zwar vor der gleichentags geplanten Kundgebung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB). 80 Prozent des SBB-Personals sind im SEV organisiert.
Bestrafung statt Erfolgsbeteiligung für das Personal
Der SEV ist umso mehr empört über die SBB-Haltung, als das Unternehmen in bester Verfassung sei. «Es ist absurd, das Personal mit Verschlechterungen zu bestrafen, statt es am Erfolg zu beteiligen.» Ganz allgemein habe der SEV den Eindruck, dass die SBB ihre Prioritäten zurzeit falsch setze. So lasse sie sich widerspruchslos von Bundesrat und Parlament die Mittel kürzen und reduziere ihr Zustellnetz im schweizerischen Güterverkehr auf die Hälfte, setze aber alles daran, die Anstellungsbedingungen ihres Personals zu verschlechtern.
(awp/mc/hfu)