Schnittpunkt Kunst und Kleid in vier Museen in St. Gallen
Seit Jahrhunderten ist St. Gallen eine schöpferische Werkstätte, die Heimat von Stickereiunternehmen mit internationaler Ausstrahlung und die Heimat von Akris. Vom 2. September bis 26. November 2006 bilden Kunst und Kleid den Schnittpunkt für ein erstmals museumsübergreifendes Zusammenspiel von vier Häusern auf dem Platz St.Gallen. Zeitgleich befassen sich vier Museen mit den Themen Mode ? Menschen ? Kleider ? Kunst und schlagen untereinander anziehende Brücken. Vordergründig und hintergründig. Von der Mode zur Kunst.
Dresscode | Akris 2.9.2006 ? 7.1. 2007 | MODUS 2.9. ? 26.11. |
Vom Kleid zum Mensch. Von der Stickerei zu St. Gallen.
Lifestyle ist überall! Lifestyle scheint jede und jeden zu betreffen! In nur gerade 0,14 Sekunden finden sich zum Stichwort 62,4 Millionen Einträge im Suchprogramm des Computers und dennoch bleibt der Begriff ungenau. Das englische «life|style [la?;fsta?l m. -s nur Sg.] Lebensgestaltung, Lebensstil [engl.]» (Deutsches Wörterbuch) lässt sich mit Lebensstil nur ungenügend beschreiben. Das Wort bezeichnet vielmehr eine umfassende Form der Lebensgestaltung, eine Übereinkunft bezüglich Kleidung, Haltung und Überzeugung, die eine Gruppe von Menschen miteinander teilt. Lifestyle besetzt die Medien und prägt – bewusst oder unbewusst – unser alltägliches Dasein. In diesem Sinne handelt es sich um ein gesellschaftliches Phänomen von hoher Präsenz und Wirkmacht, das geradezu nach einer soziolo-gischen Befragung verlangt. Doch nicht nur Soziologen oder Philosophen haben sich intensiv mit Lifestyle beschäftigt, auch die Kunst hat sich immer schon dieses Phänomens angenommen. In der Ausstellung «Lifestyle» treffen die Lebensstile unterschiedlicher Epochen und Menschen unmittelbar aufeinander – vom Werte versichernden Bürgerstolz und dem bourgeoisen Selbstverständnis des 19. Jahrhunderts bis zu den Utopien der Moderne, die inzwischen von den Künstlern der Gegenwart dekonstruiert werden. Herausragende Positionen zeitgenössischer Kunst lassen ein Spektrum von Lebensentwürfen sichtbar werden, die von den unter die Haut gehenden Bildzeichen der Hells Angels über die Codes gesellschaftlicher Randgruppen bzw. der Subkultur bis zu den Mode- und Shopping-Obsessionen der Gegenwart oder zu den verträumten Bildwelten weltflüchtiger Zeitgenossen führen. Alle erdenklichen Lebensstile haben in präzisen Formulierungen Eingang in die zeitgenössische Kunst gefunden und werden für einmal im Museum friedlich vereint; sie geben Einblick nicht nur in unterschiedlichste Lebensvorstellungen, sondern bieten ein Panorama der Weltentwürfe schlechthin.
Aus der Palmers-Serie. Wie man sich auch ankleiden kann ? 2 Vorschläge des Künstlers Erwin Wurm.
Die Weltbilder der Zeiten in Stoff
Die Ausstellung spannt den Bogen vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart, folgt jedoch keiner linearen oder chronologischen Entwicklungslinie menschlicher Lebensentwürfe, sondern konfrontiert über die Epochen hinweg unterschiedliche Weltbilder im spielerischen Dialog. Historisch setzt der Ausstellungsparcours mit altmeisterlichen Standesporträts ein, die das bürgerliche Selbstverständnis vom 17. – 19. Jahrhundert selbstbewusst zum Ausdruck bringen und in einen Dialog mit zeitgenössi-schen Porträtdarstellungen treten, u. a. einer Porträtfigur des Modepapstes Karl Lagerfeld im Format 1 : 10 von Karin Sander. Candice Breitz multiple «Madonnas», aktuelles Sinnbild permanenter Neubestimmung der eigenen Identität, treffen auf hundertfünfzig Marylin Monroes, der Andy Warhol in den siebziger Jahren ein Riesenformat gewidmet hat. Zeitgleich leuchten Künstler wie Manon in ihren eindrücklichen Environments hinter die Fassaden traditioneller bildungsbürgerlicher Wertvorstellungen und suchen die künstlerische Provokation, indem sie wie selbstverständlich Elemente der Subkultur in ihre Bildwelten integrieren. Ganz anders die neunziger Jahre: Sylvie Fleury und John Armleder übersetzen die Zeichen und Codes der Konsumwelt lustvoll-affirmativ in raumgreifende Installationen, Erwin Wurm hintertreibt die Modewelt in absurder Weise, Pipilotti Rist oder Mariko Mori greifen den «Girlie»-Kult in der Kunst spielerisch auf, während Felix Gonzalez-Torres die New Yorker Underground-Szene der neunziger Jahre in packenden Bildern bzw. zwingenden Metaphern erfasst. In die unmittel-bare Gegenwart verlängert wird dieses Panorama menschlicher Lebensentwürfe mit eindrücklichen Werken, die buchstäblich unter die Haut gehen bzw. eine dezidiert andere Sicht auf die Wirklichkeit eröffnen: Daniele Buetti, Banks Violette, Fabrice Gygi und Monica Bonvicini.
Die Ausstellung strebt keine vermeintliche Vollständigkeit betreffend Künstlerauswahl etc. an. Sie will vielmehr anhand von signifikanten Einzelwerken, kleineren Werkgruppen bzw. raumgreifenden Installationen einen spannenden Parcours anlegen, der von den Oberflächen von Lifestyle-Magazinen und Fashion Design in die Sphären verschiedenster Subkulturen führt und die übliche Vorstellung eines chic-konfektionierten Lifestyles zugunsten einer Vielzahl unterschiedlichster Weltentwürfe aufbricht. (kmsg/mc/th)
Zeitgenössische KünstlerInnen:
John Armleder (CH), Monica Bonvicini (I), Candice Breitz (ZA), Daniele Buetti (CH), Sylvie Fleury (CH), Nan Goldin (USA), Felix Gonzalez-Torres (CU), Fabrice Gygi (CH), Manon (CH), Robert Mapplethorpe (USA), Mariko Mori (JP), Elizabeth Peyton (USA), Pipilotti Rist (CH), Ugo Rondinone (CH), Karin Sander (D), Banks Violette (USA), Andy Warhol (USA), Erwin Wurm (AT)
Altmeistergemälde von Bartholomäus Bryn (D), Jacob Backer (NL), Anton Graff (CH), Bartholomeus van der Helst (NL), Cornelis Jonson van Ceulen (NL), Salomon Koninck (NL), Michael van Musscher (NL), u.a.m.