Schweinegrippe: Bisher kein konkreter Verdachtsfall
In den USA seien die bekannten Fälle alle glimpflich verlaufen. «Doch offenbar ist das Virus in der Lage, sich schnell zu verbreiten.» Personen die aus betroffenen Gebieten zurückkehren und Grippesymptome haben, rät das BAG, sich telefonisch beim Arzt zu melden. Eine Reisewarnung wollen die Behörden allerdings noch keine abgeben. Eine solche Warnung leichtfertig ausgesprochen, könnte Schadenersatzforderungen nach sich ziehen, sagte Staub.
Run auf BAG-Hotline
Die zum Teil überlastete Hotline des Bundesamtes habe hunderte von Anfragen entgegengenommen, sagte Staub weiter. Die meisten Personen haben gefragt, ob sie noch Schweinefleisch essen könnten. Staub gibt Entwarnung: «Mit dem Konsum von Lebensmitteln oder Schweinefleisch hat die Krankheit rein nichts zu tun.» BAG-Direktor Thomas Zeltner, der am Montagabend zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach Genf reiste, äusserte sich auf Radio DRS besorgt. Nachdenklich stimmten ihn vor allem drei Dinge: Die Neuartigkeit des Virus, die Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch sowie die Tatsache, dass auch gesunde Menschen mittleren Alters erkranken.
Erhöhung der Pandemie-Alarmstufe
Weil die Krankheit – im Gegensatz zum Vogelgrippe-Virus – von Mensch zu Mensch springen kann, erwartet das BAG, dass die WHO demnächst die Pandemie-Alarmstufe von drei auf vier erhöht. Die Schweiz würde in diesem Fall per Beschluss des Bundesrates nachziehen. Stufe vier bedeutet unter anderem, dass der Sonderstab Pandemie des Bundes eingesetzt wird. Reisewarnungen könnten folgen. Die Federführung in Sachen Schweinegrippe würde vom BAG eine Stufe höher, ins Eidg. Departement des Innern, verlegt. Und: «Es würde alles daran gesetzt, allfällige Erkrankunen zu isolieren», sagte Patrick Mathys, Leiter der Sektion Pandemievorsorge.
Grippemittel in grosser Menge vorrätig
Das BAG sieht die Schweiz – wegen vor einigen Jahren ausgebrochenen Vogelgrippe – für eine mögliche Pandemie gut gerüstet. Das Roche-Grippemittel Tamiflu, auf welches auch das neuartige Schweinegrippevirus A/H1N1 aus Mexiko anspricht, liegt in Pflichtlagern des Bundes. Rund ein Viertel der Bevölkerung könnte damit versorgt werden. Auch sind kleinere Dosen für Kinder bereitgestellt. Von einer vorsorglichen Einnahme von Medikamenten rät das BAG ab: Es könnten sich Resistenzen bilden und das Medikament würde im Falle einer wirklichen Erkrankung nicht mehr wirken.
Warten auf Impfstoff
Ein Impfstoff ist gegen den neuen Schweinegrippe-Erreger, welcher ebenfalls Genkomponenten der Menschen- und der Vogelgrippe aufweist, noch nicht verfügbar. Die WHO ist daran, ein Serum zu entwickeln. Eine saisonale Grippeimpfung oder die acht Millionen in der Schweiz verfügbaren Impfdosen gegen die Vogelgrippe (Erreger H5N1) taugten nicht zur Bekämpfung der Schweinegrippe, erklärte Mathys. Die Schweiz hat sich aber mittels eines Vertrags mit einem international tätigen Pharmaunternehmen den Zugriff auf einen allfälligen neuen Impfstoff gesichert. Der Vertrag sichert dem Land einen bestimmten Prozentsatz der ausgestossenen Menge.
Test fehlt – Masken schützen
Neben einer Impfung fehlt auch ein Test, um das Virus überhaupt zu erkennen. Diagnose-Tests, die in den USA bereits heute angewendet werden, können noch nicht in der Schweiz angewendet werden. Da Grippeviren über die Luft übertragen werden, kommt Schutzmasken ein wichtige Rolle bei der Eindämmung der Krankheit zu. Wegen der Vogelgrippe hat die Schweiz in grossen Mengen Schutzmasken gehortet. Diese sind nach Angaben der Grossverteiler auch noch nach Jahren brauchbar und weiter im Sortiment.
WHO berät über Anhebung der Pandemiephase
Der Grippe-Notfallausschuss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist am Montagnachmittag in Genf überraschend zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Das bestätigte WHO-Sprecher Gregory Hartl. Dabei dürfte es nach seinen Worten auch um eine Änderung des derzeitigen Alarmplans angesichts des Ausbruchs der Schweinegrippe vor allem in Mexiko gehen. Das Gremium hatte zuletzt am Samstag getagt und war erst für diesen Dienstag erneut einberufen worden. Nach dem Ausbruch der Vogelgrippe befindet sich die Welt seit 2005 in einer von der WHO festgelegten Alarmphase 3. Das bedeutet, das ein neues Grippevirus von Tieren auch Menschen infizieren kann.
Phase 6 bedeutet Pandemie über Kontinente hinweg
Die Anhebung auf Phase 4 zeigt an, dass der Erreger nach dem Urteil der Experten anhaltende Ausbrüche auslösen kann. Dies würde sich aber noch in einer geografisch überschaubaren Region abspielen, sagte Hartl. Erst die höchste Phase 6 spricht von einer Pandemie über Kontinente hinweg. Die Experten verwundere insbesondere, dass unter den mehr als 1’000 Erkrankungsfällen in Mexiko bislang nur bei 26 das mutierte Schweinegrippevirus vom Typ H1N1 im Labor nachgewiesen wurde, sagte Hartl. Dies seien aber besonders schwere Fälle, während es sich bei den bestätigten Fällen in den USA, in Kanada und in Spanien um leichte Fälle handle. (awp/mc/ps/06)