Schweizer KMU-Exporteure: Überleben ? zu welchem Preis?

Der Schweizer Franken bleibt im Umfeld einer instabilen Eurozone langfristig stark und dürfte auf einer Bandbreite von CHF 1.20 bis 1.40 verharren. Bei den Firmeninsolvenzen kann trotz einer Trendumkehr noch keine Entwarnung gegeben werden. Nach dem Rekordjahr 2009, mit einer weltweiten Zunahme von 29% im Vergleich zum Vorjahr, werden die Firmeninsolvenzen nur leicht abnehmen (2010: -3%; 2011: -5%). Exportorientierte KMUs sollten daher Währungs- und Insolvenzrisiken absichern und strukturelle Konsequenzen infolge des lang anhaltenden starken Schweizer Frankens ziehen. Gefordert werden zudem geeignete Massnahmen, um Arbeitsplätze in der Exportindustrie zu schützen. Diese aktuellen Einschätzungen lieferten heute Experten des Verbandes swiss export, der UBS und des Kreditversicherers Euler Hermes.


Branchen mit kurzfristigen Verträgen unter Druck
Der Verband swiss export wollte von seinen Mitgliedern wissen, ob sich Schweizer Exporteure langfristig gut positioniert sehen und wo ihre Chancen liegen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, der tiefe Eurokurs und die deutlich gestiegenen Länderrisiken die Gewinne und die Liquidität von international tätigen KMUs schmälern und ihre Risiken markant erhöhen. Geschäftsleiterin Claudia Moerker präsentierte die Ergebnisse der Umfrage unter 96 Unternehmen. Unter der aktuellen Wirtschaftskrise leiden vor allem Branchen, bei denen in der Regel keine langfristigen Verträge bestehen, also die Bereiche Lebensmittel, Druck/Papier, die mechanisch-technische Industrie sowie die Maschinen- und die Elektroindustrie.


Sinkende Gewinne verändern Export-Engagements
62% aller befragten Unternehmen gaben an, dass die kritische Schmerzgrenze des Eurokurses zwischen CHF 1.30 und 1.40 liegt und sich ihr Unternehmensgewinn in den letzten 12 Monaten aufgrund der Währungssituation negativ entwickelt hat. Durchschnittlich sind die Gewinne um 20% eingebrochen. Dennoch erwarten Schweizer KMUs in den nächsten 12 Monaten in ihren wichtigsten Exportmärkten mehrheitlich ein marginales Wachstum oder zumindest eine Stagnation. Währungsrisiken sichern bis anhin nur gerade 30% der Mitglieder von swiss export ab, Tendenz jedoch stark steigend. Viele stellen sich zudem die Frage, warum die Importpreise nicht sinken und wer von diesen Margen profitiert.


KMU-Exporteure wollen Arbeitsplätze sichern
Welche Konsequenzen ziehen die Unternehmen aus der derzeitigen Situation? Die in der Umfrage geäusserten Angaben sind keine Freude für die Schweizer Volkswirtschaft: Angekündigt werden Lohnkürzungen, härtere Verhandlungen beim Einkauf, eine Zunahme von Parallel-Importen, nicht realisierte Produkteinführungen, Produktionsverlagerungen ins Ausland oder gar Schliessungen von Produktionsstätten infolge des anhaltend starken Frankens, um nur einige zu nennen. «Die Handlungsfähigkeit der exportorientierten KMUs muss dringend mit geeigneten Massnahmen gesichert werden, etwa beim Abbau von administrativen Belastungen», bilanzierte Claudia Moerker, Geschäftsleiterin swiss export.


Historische Veränderungen in instabiler Eurozone?
Sandro Merino, Head Wealth Management Research Europa der UBS, nennt in erster Priorität globales Wirtschaftswachstum und erst an zweiter Stelle die Wechselkurse als Haupttreiber für den Exporterfolg. Der Anteil der Exporte am Wachstum der Schweizer Wirtschaft (2010 ca. 2%) macht aktuell ca. einen Drittel aus. An erster Stelle für Schweizer Exporte stehen nach wie vor Deutschland, USA, Italien, Frankreich, Grossbritannien und Japan. Diese Destinationen verzeichnen derzeit ein Export-Wachstum von 2-3%. Erst danach folgt als erster BRIC-Staat China mit 5% des Export-Volumens. Die Absatzmärkte in Schwellenmärkten werden immer wichtiger, entwickeln sich jedoch trotz zweistelliger Wachstumsraten von einem tiefen Niveau aus. Die BRIC-Staaten machen zusammen weniger als 10% des Schweizer Exportvolumens aus und werden derzeit eher überschätzt. Sie wachsen jedoch mit rund 10% und dürften in 10-15 Jahren entsprechend bedeutend sein.


Schweizer Franken bleibt stark
Was die Zukunft des Euro anbelangt, geht die UBS derzeit davon aus, dass sich der Schweizer Franken gegenüber dem Euro in einer Bandbreite von CHF 1.20 bis 1.40 tendenziell seitwärts bewegen wird. Gemäss Merino wird der Schweizer Franken auch langfristig stark bleiben. Folglich wird derjenige Teil der Exportwirtschaft mit hoher Wertschöpfung und tiefer Preissensibilität weniger anfällig. Für Branchen mit hoher Preissensibilität dürfte es ohne Strukturanpassungen oder gar Produktionsverlagerungen schwierig werden. Der Euro ist unterbewertet und diese Situation dürfte noch lange anhalten, bis die Staatshaushalte in der Eurozone sich wieder erholen. Sandro Merino rät Schweizer KMUs, Währungsrisiken mittels Absicherungsgeschäften zu vermeiden und prognostiziert: «Die Eurozone ist instabil und grossen Spannungen ausgesetzt. Die Ungleichgewichte sind so bedeutend, dass es zu institutionellen Veränderungen kommen könnte inklusive Austritten aus der Währungsunion innerhalb der nächsten fünf Jahre.»


Insolvenzen 2011: Keine Entwarnung trotz Trendumkehr
Christian Pletscher, Risk Director von Euler Hermes Schweiz, geht aktuell von einer Abflachung des Weltwirtschaftswachstums aus, die sich im zweiten Halbjahr 2010 und insbesondere in 2011 niederschlagen wird (BIP-Erwartung von 3.3% in 2010 und 2.9% in 2011). Er verwies auf die zunehmend kürzer werdenden Wirtschaftszyklen, welche für alle Akteure grössere Flexibilität im Handeln erfordern. Euler Hermes präsentierte seinen Outlook auf die weltweiten Firmeninsolvenzen, welche jeweils zeitlich verzögert zur konjunkturellen Entwicklung eintreten. Die Euro Zone wird in 2010 nochmals einen Zuwachs an Firmeninsolvenzen verzeichnen (+6% im Vergleich zum Vorjahr). Aktuell wird für 2011 ein leicht rückläufiger Trend prognostiziert (-3%). Der Rekordwert aus globaler Betrachtung (inklusive Euro Zone) wurde 2009 mit einer Zunahme von 29% erreicht; weltweit werden die Firmeninsolvenzen 2010 und 2011 abnehmen (2010: -3%; 2011: -5%). Diese erfreuliche Tendenz läuft parallel zur wirtschaftlichen Erholung. Die effektive Anzahl der prognostizierten Fälle 2011 ist allerdings sehr hoch: Die Anzahl der Firmeninsolvenzen im Betrachtungszeitraum von 1995 bis 2011 liegt nur in den Jahren 2009 und 2010 höher als in 2011. In dieser Hinsicht ist die Krise also noch nicht ausgestanden.


Nur langsame Erholung der Hauptexport-Destinationen
Die heterogene Entwicklung von Märkten und Branchen schlägt sich auf die Firmeninsolvenzen der verschiedenen Länder nieder. Bei den Emerging Markets liegen die Insolvenzprognosen 2011 anzahlmässig deutlich unter den Höchstwerten seit 1995. Auch im Vergleich zu 2010 stehen diese Länder in 2011 verhältnismässig gut da: China (0%), Süd Korea (+3%), Hong Kong (-6%), Singapur (0%) und Brasilien (-5%). Wesentlich weniger entspannt präsentiert sich die Situation in den etablierten Märkten in Europa und den USA, wo die Anzahl Firmeninsolvenzen deutlich über den Jahreswerten seit Messbeginn 1995 liegt und sich auf sehr hohem Niveau eingependelt hat. So weisen auch die Hauptexport-Destinationen der Schweizer Produzenten relativ hohe Prognosewerte auf und erholen sich nur langsam in 2011.


Was bedeutet dies für Schweizer Exporteure?
Dazu Christian Pletscher, Risk Director von Euler Hermes Schweiz: «Exportorientierte KMUs sollten ihre Geschäftsbeziehungen weiterhin sorgfältig prüfen und nötigenfalls absichern. Euler Hermes sucht im Interesse der Versicherungsnehmer die Entwicklungstendenzen differenziert zu erkennen und zu erfassen. Entsprechend stehen wir Unternehmen zur Verfügung, um Opportunitäten wahrzunehmen und um Gefahren rechtzeitig zu erkennen ? und um unsere Kunden im Fall von Fehleinschätzungen schadlos zu halten.» (swiss export / UBS / Euler Hermes /mc/ps)

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