Die Beziehung Oskar Kokoschkas zur Schweiz und zum Genfersee begann sehr früh. Sein Mentor, der Wiener Architekt Adolf Loos, der die Kraft seiner Porträtkunst früh erkannt hatte, reiste mit dem 23-Jährigen im Winter 1909/10 nach Leysin. Hier entstand das Landschaftsbild «Dent du Midi» und eine Serie von Porträts – Bilder, die in kürzester Zeit Eingang fanden in grosse Museumssammlungen und den frühen Erfolg begründeten. Mit Alma Mahler reiste Kokoschka 1912 nach Mürren und malte hier zwei Alpenlandschaften, die die Momente des Glücks in dieser fast tragisch endenden Liebesbeziehung widerspiegeln. Sogar während er in Dresden seine Kriegsverletzungen therapierte, war er dank den Bemühungen von Herwarth Walden und weiterer Berliner Freunde bei den Zürcher Dada-Manifestationen präsent: mit seinem Stück «Sphinx und Strohmann» auf der Bühne und im Frühjahr 1917 mit Bildern in zwei Ausstellungen.
27 Jahre in der Schweiz
In den zwanziger Jahren entfloh der Künstler seinen Fesseln als Akademielehrer in Dresden und reiste erneut in die Schweiz – diesmal mit Anna Kallin – wobei drei weitere Schweizer Landschaften entstanden. 1953 schliesslich baute sich Kokoschka in Villeneuve am Genfersee ein Haus und lebte hier mit seiner Frau Olda bis ins hohe Alter von 93 Jahren.
Frühe Anerkennung in der Schweiz
Kokoschka fand in der Schweiz auch früh eine Kennerschaft, die sein Werk förderte. Im Kunsthaus Zürich zeigte er bereits 1913 eine Serie von Werken, 1927 war am selben Ort seine bisher grösste Ausstellung mit über hundert Gemälden zu sehen. Der 41-Jährige befand sich auf der Höhe seines Ruhmes. Doch von Prag aus, wohin er sich Ende 1934 nach der Machtübernahme der Nazis geflüchtet hatte, musste er wenige Jahre später zusehen, wie ein Grossteil seiner Werke in Museen konfisziert wurde.
Knapp der Verfolgung entgangen
In der Auktion Fischer in Luzern wurden 1939 einige seiner Hauptwerke versteigert. Sein wichtigstes Werk, die Windsbraut, gelangte dank den Bemühungen von Georg Schmidt in die Sammlung des Kunstmuseums Basel und wurde gerettet. Als Kokoschka 1938 mit dem letztmöglichen Flug von Prag nach London entkam, waren bereits verschiedene seiner Sammler in die Schweiz emigriert, u. a. Nell Walden, die ihre Sturm-Sammlung 1932 in die Schweiz in Sicherheit gebracht hatte. Es war naheliegend, dass die erste Ausstellung Kokoschkas nach dem Zweiten Weltkrieg nicht im Londoner Exil, sondern 1947 in der Kunsthalle Basel und im Kunsthaus Zürich stattfand. Der Erfolg dieser Doppel-Ausstellung bestärkte seine Entscheidung, in der Schweiz Wohnsitz zu nehmen, obwohl sein Werk auch in den USA in dieser Zeit eine hohe Wertschätzung erlangte.
Die Schweiz mit den Augen Kokoschkas gesehen
Während in den vergangenen Jahren die Beziehung des Künstlers zu Dresden, Wien und Schottland thematisiert wurde und die Exilzeit in Prag und London eingehende Darstellungen erhielten, ist die Beziehung Kokoschkas zur Schweiz bislang unbeachtet geblieben. In der Ausstellung im Seedamm Kulturzentrum mit 50 Gemälden und über 200 Arbeiten auf Papier werden die Bilder, die Kokoschkas Verbundenheit zur Schweiz zeigen, im Kontext aller Schaffensphasen seines Werks zu entdecken sein. Die gleichzeitig mit der Ausstellung im Seedamm Kulturzentrum erscheinende Publikation beleuchtet profund die vielfältigen Beziehungen des Künstlers zur Schweiz und deren Spiegelung im Werk.
Intensiv-facettenreiches Künstlertalent
Kokoschka behauptet sich mit seiner intensiven Malerei als Klassiker des Expressionismus, und seine selten an Auktionen auftauchenden Frühwerke verzeichnen Höchstpreise. Seine schriftstellerische und bildnerische Doppelbegabung, sein kosmopolitischer Geist, sein Engagement für die Kriegsopfer während des Zweiten Weltkrieges, sein mit Entschiedenheit vertretenes Europäertum und sein kunstpädagogisches Sendungsbewusstsein zeichnen den vielgereisten Künstler aus, dessen Werk vielleicht doch noch in vielen Teilen zu wenig bekannt ist, obwohl er zu den erstrangigen Künstlern des 20. Jahrhunderts gehört. (sz/mc/th)
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag 10.00?17.00 Uhr
An Feiertagen:
24. und 31. Dezember 2005 geschlossen
25. Dezember 2005 und 1. Januar 2006 geöffnet