Siemens-Aufsichtsratschef Pierer tritt zurück

«Ich gehe davon aus, dass die Neubesetzung des Aufsichtsratsvorsitzes auch einen Beitrag leisten wird, unser Unternehmen allmählich wieder aus den Schlagzeilen und in ruhigeres Fahrwasser zu bringen», sagte Pierer in München. Eine persönliche Verantwortung für die Affäre trage er aber nicht.


Auf Pierer folgt Cromme
Nachfolger Pierers wird Gerhard Cromme, Aufsichtsratsvorsitzender von ThyssenKrupp. Der Vorsitzende der Regierungskommission Corporate Governance leitet bereits den Prüfungsausschuss im Siemens-Aufsichtsrat, der die Affäre aufklären soll.


«Keine Kenntnis von möglichen illegalen Vorgängen»
Pierer stellt sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender mit Beginn der Aufsichtsratssitzung am kommenden Mittwoch (25. April) zur Verfügung. Er war in den vergangenen Wochen stark unter Druck geraten. Das System schwarzer Kassen bei Siemens, das derzeit die Justiz beschäftigt, war in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender aufgebaut worden. Pierer hatte stets betont, dass er keine Kenntnis von den möglichen illegalen Vorgängen hatte und als Vorstandschef weit weg gewesen sei vom operativen Geschäft. Zuletzt war wegen möglicher Schmiergeldzahlungen an den Gründer der Arbeitnehmerorganisation AUB der Siemens-Zentralvorstand Johannes Feldmayer verhaftet worden.


Pflicht gegenüber Unternehmen vor eigenen Interessen
Pierer sagte zu seinem Rücktritt, der zu diesem Zeitpunkt im Unternehmen für viele überraschend kam: «Ich habe immer die Überzeugung vertreten, dass die Pflicht gegenüber dem Unternehmen und seinen weit mehr als 400’000 Mitarbeitern in aller Welt Vorrang vor eigenen Interessen haben muss.»


Pierer war lange Zeit einer der angesehensten Manager in Deutschland. Er berät Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und galt zeitweise sogar als Unions-Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. An der Spitze von Siemens stand er als Vorstandsvorsitzender von 1992 bis Ende Januar 2005. Anschliessend wechselte er an die Spitze des Aufsichtsrats.


Druck aus dem Aufsichtsrat
Bei Siemens sind in den vergangenen Jahren bis zu 420 Millionen Euro in schwarzen Kassen verschwunden und möglicherweise im Ausland als Schmiergeld eingesetzt worden. Zu den Beschuldigten zählt unter anderem auch der frühere Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger, der ein enger Vertrauter Pierers war. Durch die bekannt gewordenen Millionenzahlungen an den Gründer der Arbeitnehmerorganisation AUB verschärfte sich die Krise bei Siemens. Auch aus dem Aufsichtsrat wurden Stimmen laut, die Pierer zum Rücktritt drängten. (awp/mc/pg)

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