Siemens will nun im Gesamtjahr ein Ergebnis im operativen und fortgeführten Geschäft auf dem Niveau des Vorjahres erreichen, Sonderbelastungen durch die Schmiergeld-Affäre und den Konzernumbau ausgeklammert. Die Mittelfrist-Prognose bestätigte Konzernchef Peter Löscher am Mittwoch in München: «Wir halten an unseren Zielen für 2010 fest.» Die Börsianer zeigten sich beruhigt, hatten sie doch nach der Gewinnwarnung von Mitte März weitere negative Überraschungen befürchtet. Die Aktie des DAX-Schwergewichts gewann in einem schwachen Markt 1,02 Prozent auf 74,14 Euro.
Ergebnis eingebrochen
Das Ergebnis der Bereiche sank von Januar bis März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 1,781 auf 1,203 Milliarden Euro. Erwartet hatten die Analysten ein Abrutschen unter die Milliardenmarke. Frank Rothauge von Sal. Oppenheim sprach insofern von «sehr guten Zahlen». Sein Kollege Bernd Laux von Cheuvreux schlug in die gleiche Kerbe. Unterm Strich brach der Gewinn von 1,259 Milliarden auf 412 Millionen Euro ein.
«Keine zusätzlichen Risiken identifiziert»
Die tatsächlichen Belastungen aus Grossprojekten summierten sich auf 857 Millionen Euro, nachdem das Unternehmen im März von bis zu 900 Millionen Euro gesprochen hatte. «In keinem der drei untersuchten Bereiche wurden zusätzliche Risiken identifiziert», hiess es. Dies war die grosse Sorge der Börsianer gewesen. Einzig in der Bahnsparte (TS) können noch kleine Belastungen auftauchen; die beiden anderen Problembereiche Kraftwerksbau (PG) und IT- Dienstleistungen (SIS) hat Siemens komplett durchforscht.
Konzernchef verbreitet Aufbruchstimmung
Siemens-Chef Löscher verbreitete nach dem Einbruch wieder Aufbruchstimmung. Nicht einmal die Schmiergeldaffäre sieht er als Problem fürs operative Geschäft an: «Wir haben keinerlei Vertrauensverlust bei Kunden.» Die Folgen der Subprime-Krise spüre das Unternehmen zwar mittlerweile in einer ersten Kaufzurückhaltung bei den deutschen Kunden, sagte Löscher. Er zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass Siemens seine Ziele erreichen wird – nicht zuletzt durch ein Sparprogramm in Vertrieb und Verwaltung, das bis 2010 die Kosten um 1,2 Milliarden Euro drücken soll. Auch Stellenstreichungen sind geplant.
Löscher bestätigt Eigenvorgabe
«Wir erwarten, dass der Umsatz von Siemens im Geschäftsjahr 2008 organisch doppelt so schnell wachsen wird wie das Welt-Bruttoinlandsprodukt», bestätigte Löscher seine eigene Vorgabe. Er untermauerte seine Einschätzung mit dem Auftragseingang im zweiten Geschäftsquartal, der von 20,6 auf 23,4 Milliarden Euro zulegte. Der Umsatz nahm von 18,001 auf 18,094 Milliarden Euro zu. Die Vergleichszahlen sind um den an Continental abgetretenen Autozulieferer VDO bereinigt.
Belastungen an anderer Stelle
Gleichwohl Siemens die Probleme bei den Grossprojekten bilanziell weitgehend abgehakt hat, kommt das Unternehmen nicht zur Ruhe. Aus dem Verkauf der Telefonnetzwerk-Sparte SEN rechnet der Konzern mit einem «erheblichen» Verlust. Im zweiten Quartal fielen bereits Restrukturierungskosten von 109 Millionen Euro an sowie eine Wertberichtigung über 12 Millionen Euro. Der Konzern hatte sich zum Verkauf des Bereichs entschlossen, will diesen allerdings zuerst sanieren, um ein Debakel wie beim Pleite gegangenen Handyhersteller BenQ Mobile zu vermeiden. Wann mit einem Vertragsabschluss zu rechnen ist, wollte Konzernchef Löscher nicht sagen.
Schmiergeld-Affäre kostet
Zudem geht die Schmiergeld-Affäre weiter ins Geld. Compliance-Vorstand Peter Solmssen geht davon aus, dass sich die Gespräche mit der US-Börsenaufsicht SEC über «viele Monate» erstrecken werden. In dieser Zeit durchforsten Anwälte weiter das Unternehmen und erstatten nicht nur dem Konzern, sondern auch der SEC Bericht. Am Ende droht eine Milliardenstrafe ob der 1,3 Milliarden Euro an dubiosen Zahlungen, die bislang bei Siemens aufgetaucht sind. Die Gesamtkosten für die Schmiergeldaffäre haben sich bis Ende März auf 1,8 Milliarden Euro summiert.
Wo Siemens Geld verdient hat
Dass Siemens angesichts der Belastungen im zweiten Quartal noch einen Gewinn erzielt hat, ist in erster Linie der Automations- (A&D) und Medizintechnik (Med) sowie der Sparte Energieverteilung (PTD) zu verdanken. Hier liefen die Geschäfte, was sich in teilweise deutlichen Umsatz- und Ergebniszuwächsen bemerkbar machte. So konnte A&D den Gewinn von 526 auf 712 Millionen Euro steigern. Dagegen rutschten die drei Problemsparten PG, TS und SIS ins Minus. Am ärgsten traf es die Kraftwerksbauer, die 221 Millionen Euro Verlust schrieben. Vor einem Jahr hatte der Bereich noch 330 Millionen Euro verdient.
Zwischenbilanz zum letzten Mal in alter Form
Das Unternehmen hat zum letzten Mal in seiner alten Form eine Zwischenbilanz vorgelegt. Ab dem dritten Quartal spiegelt sich auch in der Bilanz der Konzernumbau in die drei Sektoren Industrie, Energie und Medizintechnik wieder. Für die teils neu zugeschnittenen Sparten greifen dann auch höhere Margenziele. (awp/mc/ps)