Siemens will 3.000 Stellen streichen
«Die Restrukturierung ist unabhängig von der Suche nach einem Partner notwendig», hiess es am Samstag in Unternehmenskreisen. Bei Siemens Enterprise Networks (SEN), das Telekommunikationstechnik für Firmenkunden anbietet, stünde damit in Deutschland fast jeder zweite der derzeit 6.200 Arbeitsplätze zur Disposition. Die Angaben zum Umfang der Streichung von Arbeitsplätzen waren zunächst unklar. Die «Süddeutsche Zeitung» berichtet in ihrer Online- Ausgabe vom Montag von 2.000 Stellen, die in Deutschland gestrichen werden sollen, und weiteren 2.000 im Ausland, die gefährdet seien. Nach «Spiegel»-Angaben dürfte der vorgesehene Personalabbau das Unternehmen allein in Deutschland rund 370 Millionen Euro kosten.
IG Metall will Klarheit
Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer warnte vor einem «zweiten Fall BenQ». Falls es zu einem Stellenabbau komme, müsse eine sozialverträgliche Lösung für alle Beschäftigten gefunden werden. Die Mitarbeiter bräuchten schnell Klarheit. Weltweit hat SEN derzeit rund 17.500 Mitarbeiter. Das Geschäft hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt: Verkaufte Siemens früher vor allem Hardware in Form von Telefonanlagen, sind heute in erster Linie Software-Lösungen gefragt. Daher ist nach Einschätzung in Unternehmenskreisen ein Teil der Stellen überflüssig geworden. Zudem habe Siemens im Vergleich zu Wettbewerbern wie Cisco und Nortel mit deutlich höheren Kosten zu kämpfen. Daher war ein Stellenabbau bei SEN erwartet worden.
Gewerkschaft überrascht
Allerdings zeigten sich Arbeitnehmervertreter von der Grössenordnung überrascht. Bisher sei von etwa 600 Stellen die Rede gewesen, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Neugebauer der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Uns trifft diese Zahl ebenso überraschend wie die Öffentlichkeit.» In Unternehmenskreisen wurde betont, dass die Arbeitsplätze in erster Linie durch natürliche Fluktuation, eventuelle Verkäufe und andere sozialverträgliche Massnahmen abgebaut werden sollen. Am Dienstag (26. Februar) soll eine Sitzung des zuständigen Wirtschaftsausschusses stattfinden. «Wir erwarten, dass dann Ross und Reiter genannt werden», sagte Neugebauer.
Suche nach Käufer
SEN ist eines der letzten Überbleibsel des traditionsreichen Siemens-Telekommunikationsgeschäfts. Zuletzt wurde der Grossteil der Festnetzsparte Com in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Nokia eingebracht. Für SEN wird bereits seit längerem ein Käufer gesucht. Konzernchef Peter Löscher sagte am Freitag dem Nachrichtensender Bloomberg TV, man sei mit mehreren Partnern im Gespräch, die Verhandlungen seien weit fortgeschritten. Laut Branchenkreisen sind die Konkurrenten Nortel und Alcatel sowie der Finanzinvestor Cerberus an einer Übernahme interessiert. Bis zum Sommer muss eine Lösung gefunden werden, sonst muss Siemens SEN wieder als fortgeführtes Geschäft in der Bilanz führen.
Stellenabbau auch in Administration?
Mit dem Stellenabbau soll SEN nun für die Käufer attraktiver gemacht werden. Gewerkschafter Neugebauer forderte, die betroffenen Arbeitnehmer müssten weiter qualifiziert werden, um sie an anderer Stelle im Konzern einsetzen zu können. «Siemens sucht ja händeringend nach Fachkräften.» Es dürfte nicht nur um einen Stellenabbau gehen. «SEN braucht ein zukunftsfähiges Konzept, um auch künftig Telefonanlagen verkaufen zu können.» Auch in der Siemens-Verwaltung dürfte ein Stellenabbau bevorstehen. In dem Fernseh-Interview bekräftigte Löscher, dass in den Verwaltungs- und Vertriebsabteilungen Stellen wegfallen könnten. Der Konzern hatte angekündigt, die Verwaltungskosten um 10 bis 20 Prozent zu senken. Insgesamt werde Siemens im Gesamtkonzern aber weiterhin neue Stellen schaffen, sagte Löscher. (awp/mc/ps)