Signal an die SVP Schweiz: Kein Rauswurf von Widmer-Schlumpf
In einer Konsultativabstimmung entschied die Delegiertenversammlung am Mittwochabend in Chur mit 163 Stimmen bei einigen Enthaltungen, die Bundesrätin nicht bis Ende April aus der Partei auszuschliessen. Gleichzeitig sprach sich die Versammlung gegen eine Abspaltung der Kantonalsektion von der Mutterpartei aus. Der Antrag auf eine Konsultativabstimmung war nach einer engagiert geführten Diskussion gestellt worden. Dabei wurde unter anderem das Verhalten der Mutterpartei angeprangert. Sie lege ein «autoritäres Machtgehabe» an den Tag, sagte ein Delegierter. Ein anderer Votant sagte, die Forderungen der SVP Schweiz seien rechtswidrig.
SVP Schweiz leitet Ausschlussverfahren ein
Interimspräsident Ueli Bleiker betonte, die Geschäftsleitung der Kantonalpartei werde alles daran setzen, dass die SVP Graubünden Mitglied der Mutterpartei bleiben werde. Sie werde dafür kämpfen, dass die nötige Zweidrittels-Mehrheit für einen Ausschluss im Zentralvorstand der SVP Schweiz nicht zu Stande komme. Die SVP Schweiz wird nach dem Beschluss der Delegiertenversammlung das angekündigte Ausschlussverfahren gegen die Kantonalpartei in die Wege leiten. Falls der Plan bis zum Ende verfolgt wird, käme es zur Gründung einer neuen Bündner Kantonalpartei, die auf der Linie der Mutterpartei stünde.
«Standing ovations» für Widmer-Schlumpf
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf informierte die Versammlung ausführlich über die Tage vor der Bundesratswahl vom letzten Dezember aus ihrer Sicht und erntete für ihren Auftritt grossen Applaus. Sie habe sich die Wahl nicht erschlichen und nicht gelogen, sagte die Magistratin vor den rund 350 Anwesenden, von denen 186 Delegierte waren. Verständnis habe sie für die Unsicherheit, die auch in den Reihen der SVP Graubünden um sich gegriffen habe. Kein Verständnis habe sie jedoch für Äusserungen von Exponenten der SVP Schweiz, die sie als Verräterin bezeichnet und der Lüge bezichtigt hätten.
Rücktritt erneut abgelehnt
Die Wahl angenommen habe sie letztlich, weil viele Exponenten aus der SVP der Meinung gewesen seien, Christoph Blocher wäre auch bei einem Verzicht ihrerseits nicht im Amt bestätigt worden. Die Frage aus der Versammlung, ob sie den damaligen SVP-Präsidenten Ueli Maurer im falschen Glauben gelassen habe, sie nehme die Wahl nicht an, verneinte Widmer-Schlumpf. Sie betonte, sie werde ihr Bundesratsamt nicht niederlegen und nicht aus der SVP austreten, die seit 30 Jahren ihr politische Heimat sei.
Polit-Prominenz im Publikum
Vor dem Auftritt der Bundesrätin hatte die Kantonalpartei die Parolen zur eidg. Abstimmung vom 1. Juni gefasst. Im Gegensatz zur Mutterpartei lehnt sie die Maulkorb-Initiative ab. Der Beschluss fiel mit 142 zu 18 Stimmen. Die Einbürgerungsinitiative sowie der neue Gesundheitsartikel in der Verfassung werden zur Annahme empfohlen. Zur mit Spannung erwarteten Delegiertenversammlung waren viele prominente Bündner SVP-Mitglieder erschienen, darunter alt Bundesrat Leo Schlumpf, der 83-jährige Vater von Eveline Widmer-Schlumpf, Ständeratspräsident Christoffel Brändli sowie die Nationalräte Brigitta Gadient und Hansjörg Hassler. (awp/mc/ps)