Skandal um Microsoft Schweiz
Bereits vergangenen Sommer meldete ALSO, das Unternehmen müsse 2,9 Millionen Franken «wegen einer rechtlichen Auseinandersetzung mit einem Lieferanten» zurück stellen. Neulich sagte nun ALSO-Chef Thomas Weissmann an der Bilanzpressekonferenz, der Betrag sei definitiv verloren und abgebucht. Doch wer ist der geheimnisvolle ungenannte «Lieferant»? inside-channels.ch weiss die Antwort: Es ist Microsoft Schweiz.
«Gütliche Einigung»
Wie Weissmann an der Bilanz-PK erklärte, habe man sich mit dem Lieferanten gütlich geeinigt und eine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung vermieden. Was er nicht sagte: Die Einigung kam auf höchster Ebene, nämlich an einem Treffen zwischen Thomas Weissmann und dem damaligen Microsoft-Europachef Jean-Philippe Courtois zustande. Die Sache ist für ALSO und andere Distributionspartner aber noch nicht ausgestanden, denn Microsoft fordert offensichtlich auch von anderen Distributoren Geld zurück. So läuft zur Zeit ein Audit beim zweitgrössten Distributoren Tech Data.
«Dealing & Wheeling»
Doch wie ist es möglich, dass ein als äusserst seriös bekannter Betrieb wie ALSO in eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem wichtigen Lieferanten Microsoft geraten kann und sich zum Schluss 2,9 Millionen Franken als Gewinnminderung ans Bein streichen muss? Weissmann gab einen Hinweis, als er sagte, dass Grossfirmen «manchmal unterschiedliche Aussagen machen.» «Es gibt bei Herstellern manchmal Situationen, wo der eigentliche Vertrag A sagt, daneben aber eine schriftliche Weisung exisitiert, welche B sagt, wobei A und B im Widerspruch stehen und der Hersteller sich dessen gar nicht bewusst ist», so Weissmann.
Übliche Praktik
Tatsächlich: Wie verschiedene Brancheninsider, die ihren Namen nicht genannt haben wollen, gegenüber inside-IT berichteten, war es bei Microsoft bis vor etwa 15 Monaten üblich, gegen Quartalsende, wenn das Erreichen der vorgegebenen Verkaufsziele in Frage stand, mit Sonderaktionen und Spezialpreisen den Absatz zu steigern und sich so den Bonus zu sichern. Wohin und zu welchem Preis die so geköderten Distributoren die Software-Lizenzen, beispielsweise Windows OEM-Lizenzen für lokale PC-Hersteller, dann lieferten, oder ob sie später gar in kleinen Portionen an Microsoft zurück gingen, war damals noch egal – Hauptsache die kurzfristigen Verkaufsziele wurden erreicht. So sollen sich deutsche Distributoren in manchen Monaten gewundert haben, wie wenig OEM-Lizenzen für Windows bestellt wurden. Die Lizenzen gingen offenbar aus der Schweiz über Subdistributoren nach Deutschland.
Schneller Abgang
Auf besorgte Fragen der Distributoren hin, hiess es jeweils aus dem Hause Microsoft, die Sache sei in Ordnung und man solle sich keine Sorgen machen. Es kam dann allerdings ganz anders: Im November 2004 mussten die beiden Verantwortlichen für das Distributions- und das OEM-Geschäft bei Microsoft Schweiz ihre Pulte innert wenigen Stunden räumen. Anschliessend haben die «Legal Teams» bei Microsoft Schweiz – wie unsere Leser wissen – die Bücher durchforstet und alle Transaktionen auf Vertragskonformität überprüft – und eben Forderungen an Distributoren gestellt.
Marktanteile verloren oder jetzt mit Rückforderungen konfrontiert
Für alle Microsoft-Distributoren ist die Geschichte sehr unschön. Denn wer vor Ende 2004 das Spiel mit den Sonder-Sonder-Preisen zum Quartals- und Jahresende nicht mitmachte, verlor Marktanteile an die Konkurrenz – wer mitmachte, sieht sich nun mit Rückforderungen seitens Microsoft konfrontiert. Die 2,9 Millionen Franken, die ALSO in dieser Geschichte verlor, betragen immerhin über 10 % des Betriebsgewinns der ganzen Gruppe und sicher mehr als ein Fünftel des Gewinns von Also Schweiz.
Keine internen Massnahmen bei ALSO
Während Microsoft Schweiz zu Fragen von inside-IT nicht Stellung nehmen wollte, betont Thomas Weissmann von ALSO, dass der Fall für seine Firma abgeschlossen sei und dass ALSO «zum betroffenen Lieferanten ein ausgezeichnetes Verhältnis» habe. Bei Also habe man die nötigen Vorkehrungen getroffen, damit sich ein ähnlicher Fall nicht wiederholen kann. Da die ALSO-Spitze weiterhin davon ausgeht, in der Sache im Recht zu sein, gab es keine weiteren internen Konsequenzen, so Weissmann.
Amerikaner ziehen die Schraube an
Offensichtlich ist man in den US-amerikanischen Zentralen nicht mehr bereit, Geschäftspraktiken, wie etwa die Aufblähung von Umsätzen zu Gunsten der Erfolgsausweise Einzelner, aber zu Ungunsten der Marge, zu dulden. Ähnliche rechtliche Auseinandersetzungen wie zwischen Microsoft und ALSO gab es bekanntlich im gleichen Zeitraum (ab Herbst 2004) zwischen zwischen HP Schweiz und Actebis. Die Zeiten des «Dealing & Wheeling», des Umsatzbolzens zu Quartals- und Jahresende um jeden Preis sind definitiv – sogar in der Schweiz – vorbei. Oder? (inside-IT/mc/pg)