Skyguide-Prozess: Vier Schuld- und vier Freisprüche für Mitarbeiter
Drei Hauptangeklagte, alles damalige Kadermitarbeiter von Skyguide, wurden wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung vom Bezirksgericht Bülach zu bedingten Freiheitsstrafen von 12 Monaten verurteilt. Der Staatsanwalt hatte im zweiwöchigen Prozess im Mai Strafen von 15 Monaten beantragt. Ein vierter Angeklagter, der Projektleiter von technischen Arbeiten in der Unglücksnacht, die zu Einschränkungen für die Flugverkehrsleiter führten, wurde mit einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 150 Franken verurteilt. Für ihn hatte die Anklage eine Gefängnisstrafe von 12 Monaten beantragt. Freigesprochen wurden unter anderen derjenige Fluglotse, der während des Unglücks – im Einverständnis mit seinem Arbeitskollegen – im Pausenraum war. Ebenfalls Freisprüche gab es für einen Systemmanager, einen Projektmitarbeiter und den Dienstleiter, der am Abend – vor der Übergabe an die Nacht-Crew – im Kontrollraum verantwortlich war.
Langjährige Praxis war unzulässig
Unzulässig war gemäss Urteil die langjährige Praxis bei Skyguide in Zürich, dass nachts bei wenig Verkehr nur ein Flugloste am Radar im Kontrollzentrum arbeitete. Die Chefs hätten dies nicht tolerieren dürfen, fand das Gericht. Denn dies verstosse gegen anerkannte Sicherheitsgrundsätze in der Flugsicherung. «Bei Anwesenheit von zwei Fluglotsen hätte das Unglück wohl verhindert werden können», sagte der Richter bei der Urteilseröffnung. Der Flugsicherheit hätte alles untergeordnet werden müssen. Die Sicherheit habe sich nicht am Normalfall, sondern am Notfall zu orientieren. Bei einem Ein-Mann-Betrieb fehle die aus Sicherheitsgründen nötige Redundanz. Mit menschlichem Versagen und technischen Störungen müsse immer gerechnet werden. Mit einer ausreichenden personellen Ausstattung des Kontrollzentrums wären solche Defizite ausgeglichen worden. Immerhin müsse beispielsweise auch mit dem Ausfall des Fluglotsen wegen eines Herzanfalls gerechnet werden.
Arbeit zusätzlich durch Systemarbeiten erschwert
Die drei Kadermitarbeiter hätten als Verantwortliche dafür sorgen müssen, dass stets zwei Lotsen am Arbeitsplatz waren. Eine solche Anordnung sei in der Nacht vom 1. Juli umso mehr nötig gewesen, als die Arbeit des Fluglotsen durch Systemarbeiten erschwert war. Ein wichtiges Warninstrument am Radar stand nicht zur Verfügung. Erschwerend hinzu kam ein verspäteter Anflug auf den Flugplatz Friedrichshafen und ein technischer Defekt der Telefonanlage. Der allein anwesende Fluglotse bemerkte um etwa 23.30 Uhr zu spät, dass sich ein Passagierflugzeug der Bashkirian Airline und eine DHL-Frachtmaschine auf Kollisionskurs befanden. Weil der Lotse das eine Flugzeug nach unten ausweichen lassen wollte, gleich wie es das Warnsystem an Bord der anderen Maschine anordnete, kam es im Bodenseegebiet in einer Höhe von rund 11 Kilometern zum Zusammenstoss.
69 Insassen und 2 Piloten des russischen Flugzeugs kamen ums Leben
Die 69 Insassen des russischen Flugzeugs – unter ihnen 49 Kinder und Jugendliche auf dem Weg in die Ferien nach Spanien – sowie die beiden Piloten des DHL-Jets kamen ums Leben. Anderthalb Jahre nach dem Unglück wurde der Fluglotse von einem Russen, der beim Unglück Frau und Kinder verloren hatte, getötet. (awp/mc/gh)