SMG: Harry Hohmeister über die Krise der SWISS

Und auch wenn für ein Unternehmen alles gut endet, so sind die Prozesse dennoch schmerzhaft. Und sie erfordern Mut.



«80 Fluggesellschaften sind während der Krise vom Himmel verschwunden», Harry Hohmeister, CEO Swiss


«80 Fluggesellschaften sind während der Krise vom Himmel verschwunden», sagte Harry Hohmeister in seinem Referat am SMG Forum der Schweizerischen Management Gesellschaft gestern Donnerstag im Park Hyatt in Zürich. Die Ausführungen des SWISS-CEO machten deutlich, dass auch die Gesellschaft mit dem Schweizerkreuz in der Krise in heftige Turbulenzen geraten war. Sie überstand die schwierige Zeit unter anderem deshalb gut, weil das Management rasch Kosten senkte. «44 Millionen Franken Personalkosten konnten wir allein dadurch sparen, dass viele Mitarbeiter freiwillig Teilzeit arbeiteten oder Urlaub nahmen», führte Hohmeister aus. Zusätzlich investierte SWISS mutig enorme Beträge in neue Destinationen und profitiert jetzt davon. Inzwischen kann das Unternehmen darauf fokussieren, fit für das nächste Jahrzehnt zu werden. Laut Hohmeister gehören dazu Strategien für verschiedenste Szenarien, denn er rechnet mit noch kürzer werdenden Wirtschaftszyklen und höherer Volatilität. Zudem läuft der Kampf zwischen den Hubs und Zürich drohe mit 66 Flugbewegungen pro Stunde in Rückstand zu geraten, während beispielsweise Madrid 120 Bewegungen bewältigen könne und rund um die Schweiz herum die Flughäfen Frankfurt, München und Wien dabei seien, ihre Kapazitäten zu erweitern.


Der schlechte Ruf der Cablecom
Mit besonderem Interesse wurde der Auftritt von Eric Tveter erwartet. Der Amerikaner ist seit gut einem Jahr bei Cablecom am Ruder; einer Gesellschaft, die in der Öffentlichkeit ihrer Reputation wegen abgeschrieben schien. Eben CEO geworden, machte sich Tveter auf zu einer «Listening Tour», wie er es nennt. Er sprach fast pausenlos mit Kunden, Behördenvertretern und Journalisten und gelobte Besserung. Inzwischen misst das Unternehmen täglich die Kundenzufriedenheit. Von Moderatorin Christine Maier danach befragt, wo er diese heute auf einer Zehnerskala sehe, sprach Tveter von einer 7 oder 8. «Die aktuell grösste Herausforderung ist es, diese enormen Fortschritte auch ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit zu bringen. Ich habe unterschätzt, wie schwierig das in der Schweiz ist», sagte er. Hartnäckigkeit, Durchhaltevermögen und Geduld nannte der erfahrene Turnaround-Manager als entscheidende Eigenschaften, um sich aus einer Krise zu manövrieren.


Massive Einschnitte und Glück retteten Georg Fischer
CEO Yves Serra von Georg Fischer steckt der Schock noch in den Knochen. Der Mischkonzern, der 2007 und 2008 noch je gegen 4,5 Milliarden Franken Umsatz machte, stand im vergangenen Jahr mit weniger als 3 Milliarden da. Das Konzernergebnis betrug 2006 und 2007 je fast 250 Millionen Franken. 69 Millionen waren es 2008, im Jahr 2009 resultierte dann ein Verlust von 238 Millionen Franken. Dank einschneidenden Sparmassnahmen konnte das erste Halbjahr 2010 trotzdem mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen werden. Als Personal entlassen wurde, verzichtete das Kader auf 10 Prozent des Fixlohns. Serra selbst und die Verwaltungsräte kürzten ihre Gehälter um 20 Prozent. «Das schuf Akzeptanz für die notwendigen Einschnitte», sagte Serra. Georg Fischer habe allerdings auch Glück gehabt, findet er: «Als die Krise zuschlug, hatten wir eben ein neues Führungsteam zusammengestellt und uns strategisch stärker auf Asien und das solide Rohrleitungsbusiness fokussiert. Beides erwies sich als Volltreffer.»



«Jede Krise gefährdet auch den gesellschaftlichen Zusammenhang.» Thomas Maissen, Historiker


An Gott und der Welt verzweifeln
Der vom Schweizer Fernsehen (Sternstunde Geschichte) bekannte Historiker Thomas Maissen bestätigte, dass Krisen auch historisch gesehen tatsächlich Chancen bergen. Er warnte jedoch vor einer Verklärung, denn «jede Krise gefährdet auch den gesellschaftlichen Zusammenhang» und er zitierte aus einer auf das Ende des 19. Jahrhunderts datierenden Ausgabe einer Lehrerzeitschrift: «Immer grösser wird die Zahl derer, die an Gott und der Welt verzweifeln.» Es folgte wenig später eine Aneinanderreihung von Krisen, die letztlich in den zweiten Weltkrieg mündete.


«Tue, was du am Besten kannst – und manchmal solltest du auf deine Frau hören.»
Walter Lindemann, DHL-Geschäftsleiter bei der Deutschen Post, gewährte den 200 Besucherinnen und Besucher des SMG Forums Einblicke in seine lange Karriere. 2005 machte er nach eigener Aussage den grössten persönlichen Fehler, als er sich vom damaligen Postchef Klaus Zumwinkel zum Chef Human Resources machen liess. Was hat er aus der Krise gelernt? «Tue, was du am Besten kannst – und manchmal solltest du auf deine Frau hören.»


Was im Leben wirklich zählt
«Ich bin ein Mensch, der nach vorne schaut, und viele Unternehmer sind wie ich», sagte Joachim Schoss. Was bei anderen oberflächlich klingt, erhält beim Gründer von Scout24 eine tiefer schürfende Bedeutung: 2002 verlor er bei einem Verkehrsunfall einen Arm, ein Bein und um ein Haar das Leben. Er erinnerte die Zuhörer daran, dass am Ende fast nur eins zähle: die Beziehung zu den Menschen, denen man nahe steht.


Weitere Redner waren Lester Brown (Gründer Earth Policy Institute, Washington), das Ehepaar Jackie & Kevin Freiberg (Business Coaches, San Diego) und Gery Colombo. Der CEO der Hocoma AG stellte seinen Therapie-Roboter vor, der Querschnittgelähmten mit teilweise intaktem Rückenmark dazu verhelfen kann, wieder gehen zu lernen.


SMG-Präsident Thomas Bergen fasste das intensive SMG Forum zusammen: «Krisen betonen Schwächen, und auch Stärken. Die Wirtschaftsgeschichte ist voll mit Beispielen von erfolgreichen Unternehmen, die in Rezessionen gegründet wurden oder einen einschneidenden Kurswechsel vollzogen und die danach grosse Erfolge feierten.»


(SMG/mc/hfu)





SMG
Die 1961 aus dem Betriebswissenschaftlichen Institut (BWI) der ETH hervorgegangene Schweizerische Management Gesellschaft (SMG) ist die Vereinigung der Schweizer Führungskräfte aus Wirtschaft und Gesellschaft. Mit 1300 Mitgliedern ist die SMG eine Kontakt- und Weiterbildungsplattform für Persönlichkeiten, die dem oberen Management angehören oder als Verwaltungsräte tätig sind. Die Schweizerische Management Gesellschaft bietet den Mitgliedern Veranstaltungen an, die der Wissensvermittlung, dem Erfahrungsaustausch sowie der Beziehungspflege dienen. Ein Kernpunkt ist das jährliche Forum, das relevante und aktuelle Themen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft aufgreift.

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