SNB: Aufschwung bleibt mit Risiken behaftet
Wie SNB-Präsident Philipp Hildebrand gemäss Redetext an der heutigen Generalversammlung ausführte, beurteilt er die weltwirtschaftlichen Aussichten vorsichtig optimistisch. «Die Weltwirtschaft befindet sich seit Mitte 2009 in einer Erholungsphase. Die Nationalbank geht davon aus, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird». Der Aufschwung bleibe jedoch mit Risiken behaftet und falle regional sehr unterschiedlich aus.
SNB erwartet 2010 BIP-Wachstum von 1,5 Prozent
Für die Schweiz erwarte die SNB für 2010 zurzeit ein BIP-Wachstum von rund 1,5%, wiederholte der Präsident frühere Aussagen. «Einerseits ist unsere Exportwirtschaft der relativ zögerlich expandierenden Nachfrage in Europa ausgesetzt. Andererseits ist die Schweiz gut für eine Erholung gerüstet», so Hildebrand. Die öffentlichen Haushalte befänden sich in einer relativ gesunden Verfassung, die Finanzlage sowohl der Privaten wie auch der Firmen sei solide und der Arbeitsmarkt flexibel.
Deflationsrisiko verringert
Angesichts der konjunkturellen Erholung habe sich das Deflationsrisiko verringert und Preisstabilität sei in der kurzen Frist nicht gefährdet. «Die Nationalbank verfügt über genügend Spielraum, um ihre expansive Geldpolitik im Moment beizubehalten», sagte Hildebrand. Der gegenwärtige geldpolitische Kurs könne aber nicht über den gesamten Prognosehorizont weitergeführt werden, ohne die mittel- und langfristige Preisstabilität zu gefährden.
Inflationsprognose weiter mit Unsicherheiten behaftet
Die Inflationsprognose bleibe zudem mit grossen Unsicherheiten behaftet, so der Präsident weiter. Die jüngsten Sorgen an den Finanzmärkten um die Staatsfinanzen einzelner Euroländer stellten in dieser Hinsicht ein «bedeutendes» Risiko dar. In den vergangenen Jahren habe die Schweiz von der Einführung des Euro und der damit gestärkten europäischen Währungsstabilität profitiert. Eine Gefährdung dieser Währungsstabilität würde sich zwangsweise negativ auf die Schweiz auswirken, vor allem wenn sich der Franken in seiner Funktion als sicheren Hafen stark aufwerten sollte, wiederholte Hildebrand frühere Aussagen.
Geschaffene Liquidität rechtzeitig wieder abschöpfen
«Die Nationalbank wird aber nicht zulassen, dass über eine solche Entwicklung ein neues Deflationsrisiko für die Schweiz entsteht», sagte Hildebrand. «Deshalb wirkt sie einer übermässigen Aufwertung des Frankens entschieden entgegen.» Die Liquidität, welche durch den Erwerb von Devisen oder Franken-Anleihen geschaffen wurde, müsse rechtzeitig wieder abgeschöpft werden, um die Preisstabilität zu gewährleisteten. Mit den SNB Bills und Reverse-Repos verfüge die SNB über die notwendigen Instrumente, um bei Bedarf rasch und in grossen Mengen Liquidität abzuschöpfen. Die Herausforderung bestehe jedoch in der Wahl des richtigen Zeitpunkts für eine Normalisierung der Geldpolitik.
«Too-big-to-fail»: SNB unterstützt bundesrätliche Stossrichtung
Die SNB unterstützt Hildebrand zufolge die von der Expertenkommission des Bundesrat vorgeschlagene Stossrichtung zum Umgang mit der «Too-big-to-fail»-Problematik der Grossbanken in der Schweiz. Sie teilte die Meinung, dass die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage notwendig ist, um den systemrelevanten Banken besondere Anforderungen auferlegen zu können. Der vorgeschlagene Gesetzesentwurf sei eine «gute Grundlage» zur Entschärfung des Problems. Hildebrand erachtet es hierbei als «zentral», dass die Eigenmittelanforderungen progressiv ausgestaltet werden. Die SNB sei ferner der Ansicht, dass auch die Organisation und die rechtliche Struktur der Grossbanken anzupassen seien, damit eine geordnete Liquidation in extremen Krisensituationen möglich werde.
Bankrat-Präsident Raggenbass: Höhere Rückstellungen notwendig
Hansueli Raggenbass, Präsident des Bankrats, betont an der GV der SNB die Wichtigkeit der erhöhten Rückstellungen der SNB. Die Bilanz der Nationalbank sei auch während der Finanz- und Wirtschaftskrise weitgehend robust geblieben, sagte Raggenbass. Zum einen sei dies auf das vorausschauende und langfristig angelegte Konzept zur Gewinnausschüttung zurückzuführen. Die definierte Koppelung zwischen Gewinnausschüttung und Aufbau von Eigenkapital habe sich sehr bewährt. Zum anderen sei der SNB auch der aussergewöhnliche Anstieg des Goldpreises über die letzten Jahre entgegen gekommen. «Dass wir heute über eine, mit 19 Mrd CHF, sehr gut dotierte Ausschüttungsreserve verfügen, ist praktisch ausschliesslich auf diesen Goldpreisanstieg zurückzuführen», sagte der Bankrat-Präsident.
«Rüsten für den Fall sehr negativer Schocks»
«Damit möchte ich betonen, dass sowohl verantwortungsvolles Handeln als auch positive Marktentwicklungen dazu beigetragen haben, dass unsere Bilanz derzeit gesund ist.» Auf eine weiterhin glückliche Marktentwicklung allein dürfe man sich allerdings nicht verlassen. Die Bilanz der Nationalbank sei derzeit geprägt von den Folgen verschiedener Vorkommnisse, die im Voraus als sehr unwahrscheinlich eingestuft worden seien. «Niemand weiss, welche Überraschungen uns in den nächsten Jahren erwarten. Deshalb ist es unsere Pflicht, auch für den Fall sehr negativer Schocks gerüstet zu sein.»
Bilanz langfristig stärken
Tatsache sei, dass die derzeit hohe Stressresistenz der Bilanz massgeblich von der hohen Ausschüttungsreserve abhänge. Werde diese dereinst abgebaut sein, und trete danach ein negativer Schock ein, müsste dieser allein durch die Rückstellungen aufgefangen werden. «Die Rückstellungen bilden den zentralen Teil des Eigenkapitals der Nationalbank.» Vor diesem Hintergrund hätten sich Bankrat und Direktorium dafür entschieden, vorausschauend zu handeln und die nötigen Schritte zur langfristigen Stärkung der Bilanz jetzt einzuleiten, so Raggenbass. Der zusätzliche Aufbau von Rückstellungen trage dazu bei, dass die Bilanz der Nationalbank auch nach dem Abbau der Ausschüttungsreserve den hohen Ansprüchen an Robustheit genügen werde. «Dies erlaubt es der SNB auch in Zukunft, jene Währungsreserven zu halten, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt, und es verschafft ihr den nötigen Handlungsspielraum, um auch in künftigen Krisen die notwendigen Massnahmen ergreifen zu können», schloss der Bankrat-Präsident. (awp/mc/ps/10)