Die weltweite Konjunkturlage hat sich gemäss SNB in den letzten Monaten verbessert, und auch der Rückgang der Schweizer Wirtschaft sei deutlich weniger markant als erwartet ausgefallen. Für die Konjunkturentwicklung und was die Inflation anbelangt, bestehen aber weiterhin bedeutende Risiken, begründete die SNB ihren heutigen Zinsentscheid.
BIP-Prognose deutlich angehoben
Die SNB erwartet einen Rückgang der Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr um 1,5 bis 2%. Das ist deutlich optimistischer als vor drei Monaten, als sie einen Rückgang des BIP von 2,5 bis 3% vorhergesagt hatte. Im Verlauf der nächsten Monate werde die Schweizer Wirtschaft gar allmählich wieder wachsen. Die Nationalbank bleibt jedoch der Meinung, dass der Weg bis zur vollen Auslastung der Produktionskapazitäten länger und unsicherer sein wird, als dies üblicherweise gegen Ende einer Rezession der Fall ist.
Insgesamt befinde sich die Schweiz «weiterhin in einer schwierigen konjunkturellen Lage». So werde die Konjunktur derzeit von kurzfristigen Faktoren wie staatlichen Ankurbelungsmassnahmen gestützt. Die jüngsten Anzeichen einer weltweiten konjunkturellen Erholung müssten sich demnach erst noch bestätigen.
Inflation im Moment noch im Griff – Deflationsgefahr nicht ganz gebannt
Die Gefahr einer anziehenden Teuerung hat die SNB trotz der weiterhin grosszügigen Versorgung der Wirtschaft mit Geld im Griff – zumindest für den Moment. Doch die Inflationssaussichten deuteten darauf hin, dass die aktuelle Geldpolitik nicht endlos weitergeführt werden kann, ohne die mittel- und langfristige Preisstabilität zu gefährden. Denn wegen der expansiven Geldpolitik nimmt auch die Inflationsgefahr zu. Zwar dürfte sich die Teuerung in diesem Jahr noch um 0,5% zurückbilden, für das Jahr 2010 geht die SNB neu von einer Teuerung von +0,6% (bisher +0,4%) aus. Die Inflationsprognose für 2011 wurde auf +0,9% (+0,3%) angehoben.
Obschon die Inflationsprognosen wieder im Steigen begriffen sind, ist das Deflationsgespenst noch nicht gebannt. Denn die Inflationsaussichten seien weiter mit grossen Abwärtsrisiken behaftet. Unsicherheiten bestehen der SNB zufolge sowohl bezüglich der Weltkonjunktur als auch hinsichtlich der Erholung des Finanzsektors. Sollten sich diese Risiken bestätigen, könnte die Deflationsgefahr wieder aufflammen, warnt die SNB.
Erneute Verschlechterung im Finanzsektor nicht ganz ausgeschlossen
Der Finanzsektor befinde sich in der Erholungsphase. Es ist aber schwer einzuschätzen, inwieweit der Bankensektor von der zu erwartenden Verschlechterung der finanziellen Situation bei den privaten Haushalten und Unternehmen betroffen sein wird. Eine erneute Verschlechterung der Lage im Finanzsektor sei daher nicht ganz ausgeschlossen, auch wenn sich dieser Sektor derzeit spürbar erhole. Immerhin gebe es in der Schweiz keine Anzeichen für eine Kreditverknappung. Die SNB ist aus heutiger Sicht daher der Auffassung, dass zusätzliche Stützungsmassnahmen der öffentlichen Hand auf dem Kreditmarkt nicht angebracht sind.
Ausserordentliche Massnahmen werden fortgesetzt
Die im letzten März von SNB ergriffenen geldpolitischen Massnahmen haben sich aus Sicht der Währungshüter als wirksam erwiesen und werden fortgesetzt. Weiterhin trete die SNB einer Aufwertung des Franken zum Euro «entschieden entgegen». Nach Ankündigung dieser Politik im März war der Euro von 1,47 auf 1,53 CHF geklettert; seither hielt sich der Kurs über 1,50 CHF. Etwas abgeschwächt hat die SNB ihre Tonalität mit Blick auf den weiteren Kauf von Schweizerfranken-Obligationen privater Schuldner, um die Risikoprämien auf langfristigen Anleihen zu reduzieren. Diese will sie allerdings nur noch «falls nötig» tätigen, fügte die SNB erstmals an. (awp/mc/pg/22)