Ständerat will Parallelimporte aus dem europäischen Wirtschaftsraum zulassen

Im Gegensatz zum Nationalrat fand sich am Mittwoch in der kleinen Kammer eine deutliche Mehrheit für diesen Systemwechsel: Mit 32 zu 10 Stimmen setzte sich nach einer dreieinhalbstündigen Debatte in der Schlussabstimmung ein Bündnis der Linken, der CVP und von Teilen der FDP durch. Demgegenüber hatte sich der Nationalrat in der Sommersession hinter den Bundesrat gestellt. Mit 93 zu 88 Stimmen bei 14 Enthaltungen sprach er sich damals dafür aus, das Verbot von Parallelimporten im Gesetz festzuschreiben.


Beträchtliches Sparpotenzial
Simonetta Sommaruga (SP/BE) sprach namens der siegreichen Kommissionsmehrheit von einem tragfähigen Kompromiss. Einerseits blieben die Parallelimporte auf den EWR-Raum beschränkt, andererseits würden Medikamente und andere Produkte mit staatlich festgesetzen Preisen ausgenommen. Es bestehe ein beträchtliches Sparpotenzial. Die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz beziffere dieses alleine für ihre Branche auf 1,1 bis 1,4 Mrd CHF. Das Beispiel der Landwirtschaft habe gezeigt, dass Parallelimporte zu Preissenkungen führten. Die einseitige Einführung von Parallelimporten durch die Schweiz sei zudem mit internationalen Abkommen konform.


Patente als «bestes Mittel für den Wohlstand»
Die Gegner der Vorlage werteten dagegen den Schutz von Patenten und Innovationen höher als mögliche Preissenkungen. Patente seien das «beste Mittel für den Wohlstand», sagte Erika Forster (FDP/SG). Das Potenzial für Preissenkungen sei zudem gering, sekundierte Rolf Schweiger (FDP/ZG). Nicht das Verbot von Parallelimporten verursache die hohen Preise in der Schweiz. Dafür seien andere Faktoren ausschlaggebend, insbesondere die hohen Löhne und die hohen Kosten im Land. Eine wichtige Rolle spielten auch technische Handelshemmnisse und Agrarzölle, sagte Schweiger. Hier wolle man mit dem Cassis-de-Dijon-Prinzip und einem Agrarfreihandelsabkommen ansetzen.


Bundesrats-Modell abgelehnt
Geschlagen geben musste sich auch Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf, die für das «dynamische Modell» des Bundesrats warb. Ein Verbot von Parallelimporten sehe der Bundesrat nur dort vor, wo Innovation wichtig für die Wertschöpfung sei. Habe der Patentschutz für die funktionelle Beschaffenheit einer Ware jedoch nur untergeordnete Bedeutung, etwa bei Bestandteilen eines Produktes, so wolle die Landesregierung gar weltweit Parallelimporte erlauben.


Medikamente ausgenommen
Die kleine Kammer sprach sich weiter dafür aus, für die Pharmaindustrie auch künftig eine Ausnahme zu machen. Diese hatte sich in der Vergangenheit vehement dagegen gewehrt, dass Parallelimporte von Medikamenten zugelassen werden. Er habe diesen Kampf nie ganz verstanden, sagte Claude Janiak (SP/BL). Auf der anderen Seite habe sich die Pharmaindustrie anderen Lösungen zur Senkung der Medikamentenpreise nicht verschlossen. Für Hannes Germann (SVP/SH) ein ordnungspolitischer «Sündenfall»: Er wisse nicht, wie man den KMU erklären solle, dass ihre Patente nicht denselben Schutz geniessen würden wie jene der Pharmaindustrie. Mit 27 zu 12 Stimmen setzten sich jedoch die Befürworter einer «Lex Pharma» durch.


Das Geschäft geht nun an den Nationalrat zurück. Die Vorlage würde dem fakultativen Referendum unterstehen. (awp/ mc/pg/22)

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