Schwächelnde Märkte, ungünstige Wechselkurse, Produktionsausfälle in Folge der Metallerstreiks bei ostdeutschen Zulieferern und eine nach Ansicht der meisten Autoexperten völlig verfehlte Modellpolitik haben Volkswagen in die Bredouille gebracht. Bereits im ersten Quartal hatte VW mit 202 Millionen Euro gut zwei Drittel weniger verdient als ein Jahr zuvor – ein neuerlicher Rückschlag scheint programmiert.
Analysten rechnen mit halbiertem Gewinn
Entsprechend erwarten die meisten Analysten, dass sich der Gewinn von Europas grösstem Autobauer im Jahrevergleich nahezu halbiert hat. Im Schnitt rechnen die von der Wirtschaftsnachrichtenagentur dpa-AFX befragten Experten mit einem Überschuss von 384 Millionen Euro. Vor einem Jahr hatte VW in seiner Bilanz der Monate April bis Juni noch ein Plus von 776 Millionen Euro verbucht. Hauptgrund für den Rückgang: Der starke Euro hat Volkswagen allein im zweiten Quartal vermutlich mehr als 300 Millionen Euro gekostet.
Währungsprobleme zum Teil hausgemacht
Über den hohen Euro-Kurs klagt das Unternehmen bereits seit langem. Angeblich verliert VW mit jedem Cent, den der Euro zum Dollar gewinnt, 38 Millionen Euro beim Vorsteuerergebnis. Dabei sind die Währungsprobleme zum Teil hausgemacht: Im Gegensatz zu den meisten anderen Autokonzernen mit hohem Exportanteil in den Dollarraum sichert Volkswagen traditionell nur rund 40 Prozent des entsprechenden Volumens über Termingeschäfte an den Devisenmärkten ab. In Zeiten eines schwachen Euro spülte das viel Geld in die Wolfsburger Kassen – die Vorzeichen haben sich aber geändert.
Stärkerer Fokus auf den Standort Mexiko
Von Mexiko aus will Konzernchef Bernd Pischetsrieder jetzt gegensteuern: Mittelfristig sollen dort mehr VWs von den Bändern rollen um durch die höhere Produktion möglichst unabhängig von den Kursschwankungen zwischen Euro und Dollar zu werden. Das funktioniert deshalb, weil der Wechselkurs des mexikanischen Peso eng an den Dollar gekoppelt ist. In Zukunft will VW dann auch das Modell Bora für alle Märkte in Mexiko fertigen. Bereits heute werden im VW-Werk Puebla der Jetta für den gesamten amerikanischen Kontinent und der Käfer-Nachfolger New Beetle für die ganze Welt gebaut.
Allgemein schwache Märkte
Zu kämpfen hat Pischetsrieder derzeit aber nicht nur mit den für die Exportindustrie ungünstigen Wechselkursen. In Nordamerika brach der Absatz des Konzerns im Juni um mehr als ein Fünftel ein, im ersten Halbjahr verkaufte VW in den USA nur dank des neuen Beetle Cabrio knapp 146.000 Autos – 14,2 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Und in Deutschland warten viele treue VW-Kunden derzeit auf den neuen Golf, den VW zur Internationalen Automobilausstellung (IAA) im September vorstellen will. Unbestätigten Medienberichten zufolge will Volkswagen von dem Erfolgsmodell noch in diesem Jahr 130.000 Stück bauen.
Grosser Stellenabbau in Brasilien
Auch in Südamerika läuft es für Volkswagen derzeit nicht rund: In Brasilien sieht sich der zuständige Vorstand Peter Hartz nach seinem Ausflug in die deutsche Innenpolitik mittlerweile zum Handeln gezwungen und verkündete erst am Wochenende den Abbau von fast 4.000 Stellen in den Werken Taubaté und Anchieta. Grund: Der brasilianische Markt schwächelt ebenso wie die Nachfrage in den wichtigsten Exportländern.
Lediglich China boomt
Freude macht den Wolfsburgern derzeit eigentlich nur der rasant wachsende chinesische Markt. Im Reich der Mitte ist der Konzern mit weitem Abstand Marktführer und verkauft inzwischen mehr Autos als in Deutschland. Und VW kämpft um seine Vormachtstellung: Pischetsrieder kündigte erst in der vergangenen Woche den Bau zweier neuer Werke an den Standorten Schanghai und Changchun an. In fünf Jahren will Volkswagen in China 1,6 Millionen von den Bändern rollen lassen – mehr als doppelt so viele wie heute. (afx/mc/mad)