Stefan Arn, CEO AdNovum: «Unternehmertum ist ein Lebensstil»


Ernst & Young wählte ihn zum ‹Entrepreneur of the Year 2003›, er gilt als einer der innovativsten Köpfe in der High-Tech Informatik. Im Moneycab Interview gibt Stefan Arn einen Einblick in seine Ansichten und seine Pläne mit AdNovum.

Von Helmuth Fuchs


Stefan Arn
Moneycab: Herr Arn, «Software aus der Schweiz» tönt im allgemeinen Trend der Auslagerung von Softwareherstellung in Billiglohnländer (Indien, Ungarn, Russland, Malaysia) schon fast wie ein Widerspruch. Wie beurteilen Sie die Chancen, in der Schweiz eine eigenständige Softwareindustrie zu erhalten?
Stefan Arn: Ich erachte die Chancen, eine eigenständige Schweizer Softwareindustrie im High-End-Bereich zu erhalten, als sehr gut. Dafür sprechen mehrere Gründe. Zunächst stelle ich eine ganz klare Zäsur im Offshore-Outsourcing-Trend fest. Etliche Projekte wurden gestoppt oder befinden sich in arger Schieflage. Die Zeichen mehren sich, dass die Prognose von Anfang Jahr, dass Offshoring-Outsourcing zur Internet-Blase der Jahre 2003 und 2004 mutiert, stimmt. Was auch nicht weiter erstaunlich ist. Denn für den Bau von anspruchsvollen Softwarelösungen im Hochsicherheitsbereich ist zum Beispiel ein sehr profundes Wissen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und unternehmensspezifischen Gegebenheiten absolut notwendig. In diesen sicherheitssensitiven Bereichen, die gerade bei Finanz- und Versicherungsunternehmen, bei Behörden oder Krankenkassen mit schützenswerten Personendaten von zentraler Bedeutung sind, ist die Nachfrage nach herausragenden Lösungen in Schweizer Ingenieurqualität ungebremst.

Die Chancen für Schweizer Softwareunternehmen, sofern sie sich in diesem High-End-Markt bewegen, stehen auf diesem Hintergrund sogar besser als vor der Offshore-Outsourcing-Welle.


«Die Zeichen mehren sich, dass Offshore-Outsourcing zur Internet-Blase der Jahre 2003 und 2004 mutiert» Stefan Arn, CEO AdNovum



Seit Mai 2004 haben Sie eine Niederlassung in Budapest (Ungarn) mit fünf Mitarbeitern. Bis vor kurzem waren Sie eigentlich noch der Ansicht, dass ein solcher Schritt nicht nötig sei. Was hat bei Ihnen den Stimmungswechsel ausgelöst?
Wir haben ja bereits seit 1994 eine Schwesterfirma in Kalifornien. Dadurch verfügen wir über langjährige Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit einem ‹Offshore›-Entwicklungsstandort. Dass wir diese Erfahrungen nun auch im Zusammenhang mit einem Standort mit tieferen Lohnkosten nutzen, ist vorwiegend dadurch motiviert, dass die Softwareproduktion in den letzten Jahren vermehrt nach «industriellen» Kriterien geschieht.
Damit können klar spezifizierte und definierte Aufgaben partiell an Standorte ausgelagert werden, die qualitativ hochstehende Leistungen bei niedrigeren Lohnkosten gewährleisten. Bei einer derartigen Auslagerung kommen für mich aber weiterhin Entwicklungen im Sicherheits- und Middlewarebereich nicht in Frage.

Als eines der Rezepte für den Aufschwung schlagen Sie die Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf mindestens 52 Stunden vor. Können Sie Ihre Schweizer Mitarbeiter motivieren, solche Leistungen zu erbringen?
Bei uns stellt sich das Motivationsproblem in dieser Art nicht. Es ist faktisch so, dass unsere Leute oftmals sogar auf höhere Pensen kommen, wir aber aus arbeitsrechtlichen Gründen peinlich genau darauf achten müssen, dass die vorgegebenen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Daher kommt auch mein Anliegen: Da motivierte Leute mit anspruchsvoller Tätigkeit auch höhere Pensen arbeiten, sollten die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen so
gestaltet werden, dass man ihnen als Arbeitgeber dies auch problemlos erlauben kann.

Ich glaube, dass dem allseits beschworenen und gewünschten Aufschwung mit einer erhöhten Flexibilisierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Arbeitszeitregelung gedient werden kann. Hinzu kommt, dass wir in der Schweiz in bestimmten Branchen ja nicht an Mangel an Arbeit leiden, sondern vor allem unter den horrenden Fixkosten, wobei die Lohnkosten den grössten Brocken ausmachen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass wir in der Schweiz bald vermehrt höhere Arbeitszeiten bei gleich bleibendem Lohn sehen werden.

Peter Sauber (Formel 1) und Sie mit AdNovum zeigen, dass für hochqualifizierte Technologieprodukte die Schweiz als Standort attraktiv sein kann. Dennoch ist die finanzielle Ausstattung der Hochschulen ein politisches Dauerthema. Wie beurteilen Sie die Leistung der Hochschulen und wo wünschen Sie sich Verbesserungen?
Das Beispiel der «AdNovum» mit über 50 Prozent ETH-Absolventen zeigt direkt den hohen Stellenwert eines Standortes nahe an einer Bildungsstätte mit Weltruf wie der ETH auf: Im High-End-Markt, in dem wir uns bewegen, sind hochqualifizierte Mitarbeiter und die von ihnen gebauten Lösungen das A und O des Geschäfterfolges. Deshalb ist es abslout notwendig, dass Bildungsinstitutionen über genügend finanzielle und personelle Ressourcen für deren Ausbildung verfügen. Bezüglich Verbesserung der Ausbildung von Informatik-Ingenieuren begrüsse ich Ansätze, praxisbezogene Aspekte wie Qualitätsmanagement oder Spezifikationsprozesse auch in adäquater Weise zu berücksichtigen.
Skeptisch stehe ich gegenüber Nivellierungsbestrebungen wie dem Bologna-Modell mit Halbstudiengängen und ähnlichem Firlefanz.

Letztes Jahr wurden Sie von Ernst & Young zum `Entrepreneur of the Year› gewählt. Was zeichnet einen guten Unternehmer aus?
Unternehmertum ist eine langfristige Entscheidung und ein Lebensstil. Ein Unternehmer braucht einen langen Atem beziehungsweise ein grosses Stehvermögen, muss fähig
sein, Entwicklungen schnell antizipieren und Entscheide schnell treffen zu können. Zu den getroffenen Entscheiden muss er auch stehen, im Guten wie im Schlechten.

Aber noch wichtiger sind zwei andere Aspekte: Ein guter
Unternehmer muss von Natur aus neugierig sein und muss aus Interesse fokussiert handeln.

Die Margen im Bereich der Softwareentwicklung kommen immer mehr unter Druck. Da die AdNovum vor allem individuelle, massgeschneiderte Entwicklungen macht und wenig Standardprodukte anbietet, können Sie sinkende Margen schlecht abfangen. Wie sieht Ihre Diversifizierungsstrategie aus, falls die Margen noch weiter fallen?
Die sinkenden Margen haben wir vor allem über umfangreiche Prozessoptimierungen und natürlich zu einem Teil über Ausgabenkürzungen abfangen können.
Mit der Eröffnung unserer ungarischen Niederlassung erhoffen wir uns mittelfristig noch weitere Einsparungen vor allem bei den Produktionskosten. Gleichzeitig hatten wir das Glück, neue Geschäftsfelder erschliessen und neue Kunden hauptsächlich im Bundesstellen- und Privatbanken-Bereich gewinnen zu können. Dass die Margen noch weiter fallen, glaube ich nicht, zumal auch der Markt andere Zeichen setzt. Sollten die Margen aber wider Erwarten trotzdem nochmals ins Rutschen kommen, so müsste man im Entwicklungsprozess noch weiter
und schneller optimieren und beim Projektmanagement die Aufwandseite noch restriktiver im Griff halten.

Die AdNovum mit gut 100 Mitarbeitern hat für Schweizer Verhältnisse eine respektable Grösse erreicht. Welche Art von Wachstum planen Sie mit Ihrem Unternehmen für die kommenden Jahre?
Unsere Firmengrösse werden wir wie bis anhin entlang der Auftrags- und Marktentwicklung im Rahmen eines qualitativen Wachstums vollziehen. Denn nach wie vor zählt für den Bau von High-End-Lösungen nicht die Man Power sondern die Brain Power.

Der Börsengang war zu Zeiten des «Internet-Hypes» kein Thema. Unter welchen Voraussetzungen könnten Sie sich einen Börsengang vorstellen?
Ein Börsengang ist für uns kein Thema, unabhängig, ob dieser nun in Mode ist oder nicht.
Die AdNovum besteht letztlich aus der Anzahl Mitarbeitenden mal 1.5kg schlauer grauer Masse. Der daraus resultierende Wert ist
a) nicht sinnvoll zu beziffern und
b) könnte er sich in der Form eines IPO sofort
zersetzen. Dieses Experiment möchte ich nicht wagen, denn es macht so, wie es heute läuft, viel zu viel Spass.

Sie haben zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
Erstens, dass die kommenden Wahl in den USA ein positives Zeichen setzt.
Zweitens, dass in der Schweiz Projekte und Entscheide wieder in couragiert konstruktiver Zusammenarbeit zustande kommen können. Momentan ist das politische und wirtschaftliche Umfeld vor allem von einer «Einsprachenkultur», getrieben von Partikulärinteressen, geprägt. Ein beeindruckendes Beispiel ist das Schattenwurf-Seilziehen beim Zürcher Stadionbau.


Moneycab Interviews Der Gesprächspartner 
Stefan Arn, AdNovum
 
Stefan Arn, Dipl. Informatik-Ing. ETH
geboren am 14. August 1961

1988: Gründung und Aufbau der AdNovum AG

CEO und Gründer der AdNovum Informatik AG, Mitglied der Geschäftsleitung der AdNovum Firmengruppe.

Die AdNovum beschäftigt knapp über 100 Mitarbeiter, hat ihren Hauptsitz in Zürich und unterhält Büros in Bern, Budapest (Ungarn), und San Mateo (Kalifornien).

Stefan Arn wurde von Ernst & Young zum Entrepreneur of the Year 2003 in der Kategorie Handel/Dienstleistungen gekürt. Ende Mai 2004 hat er die Schweiz bei der Wahl des World Entrepreneur of the Year 2004 in Monaco repräsentiert und wurde in die Hall of Fame der besten Unternehmer der Welt aufgenommen.

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