Stefan Leuthold, VR-Präsident Spar Gruppe Schweiz: «Es wird zu einer grossen Marktbereinigung kommen»

von Patrick Gunti


Herr Leuthold, die SPAR Gruppe Schweiz hat ihren Gruppenumsatz im vergangenen Jahr um 5,1 Prozent auf 809 Mio. Franken gesteigert. Gerade in Anbetracht einer Lebensmittel-Minusteuerung von 2 Prozent sind Sie mit dem Erreichten sicher sehr zufrieden?


Ja, wir sind sehr zufrieden. Wir haben letztes Jahr von den Veränderungen im Schweizer Detailhandels-Markt profitiert. Wir haben sehr schnell reagiert und sind nach dem Ausstieg von REWE bei den Primo- und Vis-à-vis-Detailisten in die Bresche gesprungen. Wir haben aber in allen drei Kerngebieten, in denen wir tätig sind, also SPAR, der Belieferung von Drittkunden und Cash&Carry, unsere Hausaufgaben gemacht und waren erfolgreich.
 
Die 148 SPAR Supermärkte und EUROSPAR Märkte steigerten den Umsatz um 5,3 Prozent und gewannen in einem immer umkämpfteren Markt Marktanteile dazu. Wo sehen Sie die Gründe für diesen Erfolg?


Bei SPAR konnten wir den Umsatz dank unseren Marktanstrengungen und unserer klaren Positionierung als Nachbarschafts-Supermarkt mit günstigen Preisen steigern. Es ist unser Credo, unsere SPAR-Märkte bei den Kunden zu haben und nicht irgendwo auf der grünen Wiese. Damit kann der Kunde lange Anfahrtswege, Benzinkosten und Parkgebühren vermeiden. Das ist unser Konzept, und wir glauben, dass der Kunde dies immer mehr akzeptiert, als Alternative zu den Einkaufspalästen. Wir sind aber auch flächenbereinigt gewachsen. Von unseren Konkurrenten sagt ihnen niemand, wie viel er auf der Fläche gewachsen ist. Man hört nur von gestiegenen Umsatzzahlen. Dass die Fläche überproportional zum Umsatz zugenommen hat, wird dabei gerne verschwiegen.


«Es ist unser Credo, unsere SPAR-Märkte bei den Kunden zu haben.» (Stefan Leuthold, VR-Präsident Spar Gruppe Schweiz)nbsp;


Im Bereich der Drittkunden konnte der Umsatz um 9,1 Prozent gesteigert werden. Sie haben dabei stark vom Rückzug von REWE aus der Schweiz profitiert. 92 ehemalige Primo- und Vis-à-vis-Detailisten haben sich Ihrer Gruppe angeschlossen. Wie verläuft das maxi///-Konzept mit den selbständigen Detaillisten?


Wir haben sicher vom REWE-Rückzug profitiert. Das maxi///-Konzept war für die selbständigen Detaillisten im Gegensatz zur einzigen Alternative auf dem Markt am attraktivsten. Wir sind flexibel, wir haben ein 14-tägiges Flugblatt mit günstigen Aktionen und wir bieten ihnen natürlich auch unsere Discount-Linie an. Davon können die selbständigen Detaillisten profitieren und im Dorf recht «aggressiv» auftreten. Diese Gründe haben die selbständigen Detaillisten bewogen, zu uns zu kommen und mit dem maxi///-Konzept weiterzumachen. Auch die Abladewerte, wo wir uns sehr flexibel verhalten haben, waren da sicher ein Thema. Da sollen unsere Mitkonkurrenten ja relativ stur gewesen sein. Wir haben diejenigen selbständigen Detaillisten übernommen, die bei uns auf der Linie sind, also diejenigen, die in unserem Wirtschaftsgebiet sind und wo wir eben auch schon mit SPAR vertreten sind. Dadurch konnten wir unsere Logistik optimieren und quasi auf dem Weg zu SPAR auch die maxi///-Detaillisten beliefern.


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Gehen Sie davon aus, dass sich weitere ehemals von REWE belieferte Detaillisten der SPAR-Gruppe anschliessen?


Ich glaube, im Bereich der selbständigen Detaillisten ist der Kuchen noch nicht verteilt. Es gibt ja jetzt zwei neue «Selbsthilfeorganisationen» ? Treffpunkt und Marktplatz ? aber man kann ein Detailhandels-Know-how nicht einfach so in drei Monaten aufbauen. Vielleicht kommen noch sechs oder sieben weitere Detaillisten zu uns, wir gehen nicht davon aus, dass da nochmals ein grosser Schub auf uns zukommt. Aber es wird noch Einiges los sein im kleinflächigen Detailhandel. Treffpunkt und Marktplatz werden Mühe bekommen, dann gibt es noch die Valaisanne Holding, die Pick-Pay-Partner gekauft hat, und offen ist, was mit den Denner-Satelliten passiert. Dann sind da auch noch die Kleinsten, also die Abholer, die ihre Ware im Cash&Carry beziehen. Das sind die Schwächsten, und die werden den Konkurrenzkampf besonders zu spüren bekommen. Es wird also in diesem Jahr noch eine grosse Bereinigung des Marktes stattfinden. Ich bin überzeugt, dass sich im Gebiet mit selbständigen Detaillisten in 5 Jahren nur noch zwei Anbieter tummeln werden: VOLG und SPAR.


Wie sieht Ihre Bilanz im Bereich der Cash&Carry-Abholmärkte aus?


Wir hatten ein positives Jahr, wir haben ohne neue Märkte mehr Umsatz gemacht. Wir wollen jetzt aber unsere Expansionsstrategie umsetzen und im Herbst in Rümlang ein neues Cash&Carry eröffnen. Das ist ein sehr grosser Schritt für TopCC. Wir sind zuversichtlich, damit auch den Markt Zürich besser erschliessen zu können.


Welche weiteren Eckpfeiler werden das Geschäftsjahr 2006 der SPAR-Gruppe kennzeichnen?


Wir wollen auch im SPAR-Bereich weiter expandieren, wobei wir das organische Wachstum weiterführen, also keine grossen Schritte, sondern konstantes Wachstum. Geplant sind zwei neue EUROSPAR und auch weitere SPAR-Partner. Wir haben bereits im Januar zwei neue SPAR-Partner eröffnet. Ausserdem könnte es ? wie erwähnt ? im maxi-Bereich noch einen Zuwachs von fünf bis sechs neuen Läden geben.


«Der heutige Konsument verhält sich hybrid, mal will er billig einkaufen, mal will er sich verwöhnen.»


Anfang Dezember ist in der Berner Vororts-Gemeinde Zollikofen ein EUROSPAR-Modellmarkt, mit einem ALDI im gleichen Gebäude, eröffnet worden. Was zeichnet diesen Modellmarkt aus?


Das sind sicher die Frischprodukte im Eingangsbereich ? Fleisch, Käse, Fisch und Brot oder einen Kaffee direkt an der Bar. Dahinter gelangt der Kunde dann in eine produkteorientierte Einkaufswelt, die sich über gute Preise und grosse Sortimentsvielfalt auszeichnet. Der heutige Konsument verhält sich hybrid, mal will er billig einkaufen, mal will er sich verwöhnen. Will er billig einkaufen und aus 700 Artikeln auswählen, geht er zu ALDI – will er sich verwöhnen, kommt er zu uns und erhält hochwertige Produkte aus einer Palette von 14’000 Artikeln, natürlich auch zu etwas höheren Preisen. Der Vorteil mit dem gemeinsamen Standort EUROSPAR und ALDI ist für den heutigen, sich ambivalent verhaltenden Kunden, dass er nicht noch einen dritten Anbieter aufsuchen muss. Wir folgen damit dem Trend des One-Stop-Shopping. Das ist ein mutiger Test, denn bisher hat es ja noch keiner gewagt, Tür an Tür zu ALDI zu eröffnen.


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Sie haben die SPAR-Gruppe letztes Jahr als «Stachel im Fleisch der Grossverteiler» bezeichnet. Sie müssen sich diese Rolle aber teilen. Um beim Beispiel Zollikofen zu bleiben: Was erwarten Sie sich in einer Gemeinde ? je 10 Minuten Fahrminuten von Bern und dem nächsten Shopping Center entfernt ? in der sich neben EUROSPAR, COOP, Migros, ALDI, bald zwei Denner-Filialen und künftig auch noch ein Otto?s wie an einer Perlenschnur aneinanderreihen?


Es ist sicherlich die ideale Spielweise, um zu beobachten, wie sich die verschiedenen Konzepte entwickeln und wie sich der Konsument verhält, gerade weil alle Anbieter so nahe beieinander liegen. Wir haben drei Supermärkte, COOP, Migros und EUROSPAR, und wir haben mit Denner und ALDI zwei Discounter und dazu noch OTTO?s. Man wird sehen, wie sich die Marktanteile entwickeln. Wir als Supermarkt wollen uns natürlich gegenüber COOP und Migros positionieren und Denner muss sich mit ALDI auseinandersetzen.&


Auch die SPAR Gruppe hat im vergangen Jahr ein eigenes Tiefpreissortiment eingeführt. Treten Sie damit mehr gegen die deutschen Discounter ALDI und Lidl an oder treffen Sie damit eher die Billiglinien von COOP und Migros?


Wir sind ganz klar in der Positionierung der COOP- und Migros-Billigmarken. Wir vergleichen auf unserer Website auch die Preise von «Unser kleinster Preis» mit Angeboten von COOP und Migros. Wir zeigen die Artikel auf, bei denen wir billiger sind, stehen jedoch auch dazu, dass wir bei einigen Artikeln teurer sind. Es ist aber «unser kleinster Preis», und den brauchen wir auch, denn jeder Supermarktanbieter benötigt heute eine Billiglinie. Wir müssen den Kunden sagen können, dass er für tiefe Preise nicht zu den Discountern gehen muss, sondern dass sie diese auch bei uns erhalten ? zusammen aber mit hochwertigen Produkten und einer grossen Auswahl.


Ihre Filialen haben vermehrt über Mittag geöffnet, die Türen öffnen sich früher am Morgen und schliessen sich später am Abend. Eine komplette Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten dürfte ein Wunschtraum bleiben, aber wo sehen Sie Möglichkeiten im Sinne eines politisch gangbaren Weges?


Wir versuchen, mit unseren Ladenöffnungszeiten so kundenfreundlich wie möglich zu sein. Wir gehen dort ans Limit und wir müssen auch unsere SPAR-Partner, die Detaillisten, immer wieder überzeugen, dass sie ihre Läden offen halten. Die Rechnung ist einfach ? längere Öffnungszeiten bedeuten mehr Umsatz. Es ist schade, dass die Liberalisierung nicht da ist, dass wir nicht dann die Läden offen halten können, wenn der Kunde Zeit zum Einkaufen hat. Ein Beispiel ist der Kanton Aargau. Dort hat man ja die Liberalisierung der Öffnungszeiten akzeptiert, aber die Angestellten dürfen wegen des Arbeitsgesetzes nicht arbeiten. Aber es wird sich sicher noch Einiges tun und die Veränderungen werden schnell kommen, denn der Druck des Konsumenten ist da. Wir müssen die Läden offen haben, wenn der Konsument einkaufen will, und nicht zu den Zeiten, die uns der Staat vorschreibt. Es kann ja nicht vom Konsumenten verlangt werden, dass er nach 19.00 Uhr und am Sonntag nur noch in den Tankstellen-Shops zu Wucherpreisen einkaufen muss.


Weltweit ist SPAR die grösste freiwillige Handelskette mit ca. 15’000 Supermärkten in 35 Ländern und einem Gesamtumsatz von 42 Milliarden Franken. Wie ist Ihre Gruppe in die internationale Zusammenarbeit eingebunden?  


Wir sind sehr froh, dass wir in diesem internationalen Verbund sind, der eine starke Gemeinschaft darstellt. Die Grenzen und damit die Importbeschränkungen fallen immer wie mehr, wir nähern uns Europa an. Je mehr sich die Grenzen öffnen, desto besser für uns. Dann werden wir auch noch viel mehr vom internatonalen Verbund profitieren können. Wir haben heute ein starkes Eigenmarkenprogramm, das hauptsächlich europäisch eingekauft werden. Da profitieren wir stark vom internationalen Verbund. Auf der anderen Seite bieten wir natürlich auch regionale Produkte an und erfüllen auch da die Erwartungen des heutigen, ambivalenten Kunden.


Herr Leuthold, wir bedanken uns für das Interview.


Zur Person
Stefan Leuthold ist 46 Jahre alt, verheiratet, Vater von zwei Kindern und wohnt in St. Gallen. Leuthold war von 1985-1987 Leiter einer Kaffee-Exportfirma in Zentralamerika. Seit 1987 ist er im Familienbetrieb und seit dem Jahr 2000 als Verwaltungsratspräsident und Delegierter der Spar Gruppe Schweiz. 


Zum Unternehmen
Das in Gossau (SG) domizilierte Familienunternehmen Spar Gruppe Schweiz ist Lizenznehmerin von Spar International. Die Gruppe erzielte im 2005 einen Umsatz von 809 Mio. Franken. Zum Lebensmittel-Gross- und Detailhandelsunternehmen gehören SPAR Supermärkte und EUROSPAR Märkte, TopCC Cash&Carry Abholmärkte für Grossverbraucher sowie die Belieferung von Drittkunden. Zur Zeit beschäftigt das Unternehmen in der Schweiz 917 Vollzeitangestellte, davon 72 Lehrlinge.

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