Steueraffäre: Über 200 Millionen Euro verschoben – 150 Beschuldigte

Bei 150 Beschuldigten habe es in den vergangenen Tagen Durchsuchungen gegeben. 91 von ihnen hätten bereits gestanden, teilte die Staatsanwaltschaft Bochum am Dienstag in einer vorläufigen Bilanz mit. Schwerpunkte der Durchsuchungen waren die Räume München (34 Fälle), Frankfurt (17 Fälle), Stuttgart (24 Fälle), Hamburg (30 Fälle) und Nordrhein-Westfalen (15 Fälle).


Offenbar auch Vontobel verwickelt
Ermittelt wird danach auch gegen drei deutsche Banken. In ihnen sollen Beschuldigte Konten oder Schliessfächer unterhalten haben. Einzelne Bankmitarbeiter stünden im Verdacht, Kunden bei der Geldanlage in Liechtensteiner Stiftungen beraten und ihnen so bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben. In Liechtenstein sind nach Informationen des «Handelsblatts» aus Justizkreisen neben der LGT-Bank des liechtensteinischen Fürsten und der liechtensteinischen Tochter der Schweizer Vontobel-Bank noch weitere Kreditinstitute in den Fall verwickelt.


Vontobel: Kein Kontakt zu Ermittlungsbehörden
Die Bank Vontobel bestätigte die Angaben nicht:  In der Steueraffäre in Deutschland seien die Ermittlungsbehörden bislang nicht auf die Bank Vontobel zugekommen. Es bestehe «kein Kontakt» mit den Behörden, sagte Vontobel-Sprecher Jürg Stähelin gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. 


«Immenser» Steuerschaden
Mit der Überweisung ins Ausland sollten die Kapitalerträge vor der Steuer verborgen werden. Der Steuerschaden sei immens, sagte der Chef der Bochumer Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Hans-Ulrich Krück in seiner Bilanz. 27,8 Millionen Euro hätten Steuersünder bereits als Abschlag auf Nachforderungen der Steuer gezahlt. Weitere Zahlungen in ähnlicher Höhe seien angekündigt. Die Summe erhöhe sich ständig. Die Behörde verzeichnete ausserdem 72 Selbstanzeigen, mit ebenfalls «nicht unerheblichen» Nachzahlungen. Allerdings müsse in jedem Fall überprüft werden, ob die Selbstanzeigen vollständig und so frühzeitig eingegangen seien, dass sie strafbefreiend wirkten, sagte Krück.


Kritik an Vorgehen zurückgewiesen
In seiner Bilanz wies der Staatsanwalt Kritik am Vorgehen der Behörden zurück. Der Nachrichtendienst BND hatte die Daten über die Konten in Liechtenstein von einem Ex-Mitarbeiter gekauft, der sie heimlich kopiert hatte. Die dänische Regierung hatte die Informationen deshalb als «Hehlerware» eingestuft und will sie nicht verwenden. Deutsche Behörden hätten die Daten nicht in Auftrag gegeben, sie seien unaufgefordert angeboten worden, sagte Krück dazu. Die Staatsanwaltschaft halte deshalb eine Verwendung für zulässig.


Der Wirtschafts-Staatsanwalt betonte ausserdem, dass das ZDF von seiner Behörde keinen Hinweis auf die Durchsuchungsaktion beim wegen der Affäre zurückgetretenen Ex-Postchef Klaus Zumwinkel bekommen habe. Die Anwesenheit des Fernsehens bei der morgendlichen Razzia hatte etwa der Vorsitzende der deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, kritisiert. In einer N24-Talksendung sagte er, das Kamerateam hätte ja den Postchef warnen können und viele andere Beschuldigte hätten nach den Bildern «den Schredder bedient».


Deutschland will Steuerdaten verschenken
Nach einem Bericht der «Financiel Times» planen die deutschen Behörden ihre Daten gratis anderen europäischen Staaten zur Verfügung zu stellen. Finnland, Schweden, Norwegen und Holland hätten bereits Interesse bekundet.

Auch Frankreich ermittelt wegen Konten in Liechtenstein
Die Liechtenstein-Steueraffäre hat sich mittlerweile auch auf Frankreich ausgeweitet. Die Regierung habe Informationen der deutschen Ermittler «nach gängigen Bedingungen» erhalten, teilte das Finanzministerium in Paris mit. Diesen gehe man jetzt nach. Die Informationen seien «keinesfalls mit Geldzahlungen kompensiert worden». Vielmehr handele es sich um Hilfe im Zuge der internationalen Zusammenarbeit und den regulären Austausch von Untersuchungsergebnissen. (awp/mc/pg)

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