Letztlich gehe es darum, die schweizerischen Steuerbehörden den ausländischen gleichzustellen, sagte Widmer-Schlumpf in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» (NZZaS, Ausgabe 21.02.). Aber «jetzt, da die Unterscheidung gegenüber dem Ausland aufgehoben ist, ist die Zeit gekommen, auch im Inland darüber zu reden». Es sei aber völlig offen, wie diese Neuerung umgesetzt werden könnte. Zum Beispiel könnten alle Steuerdelikte dem Strafrecht unterstellt werden, wobei fahrlässige Fälle straflos blieben. Oder es könnten nur die schweren Fälle dem Strafrecht unterstellt werden, sagte Widmer-Schlumpf weiter.
Fahrlässigkeit weiterhin vor verfolgung ausgenommen
Bereits heute erlaube es das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer der eidg. Steuerverwaltung, bei schweren Steuerwiderhandlungen die Herausgaben von Bankinformationen zu erzwingen. Doch diese Bestimmung betreffe in erster Linie die direkte Bundessteuer. Es sei durchaus denkbar, diese Hürden herabzusetzen, damit auch kantonale Steuerbehörden solche Verfahren eröffnen könnten. Ein fahrlässiges Versehen sollte laut Widmer-Schlumpf aber nicht verfolgt werden: «Wenn jemand ein geerbtes Gemälde, dessen Wert ihm unbekannt ist, nicht angibt, so ist das sicher keine grobe Steuerhinterziehung.»
Finanzdirekoren hinter Widmer-Schlumpfs Vorschlag
Anders sei dies, wenn jemand Beträge nicht angebe, auf denen er hohe Erträge erwirtschafte. Im Staatsvertrag mit den USA im Fall UBS haben man für grobe Fälle eine Schwelle von 100’000 CHF Jahresertrag angenommen. Bereits anfangs letzter Woche hat sich der Präsident der Finanzdirektorenkonferenz, Christian Wanner, dafür ausgesprochen, die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und -hinterziehung auch im Inland fallen zu lassen.
Ausländischer Fiskus im Vorteil
Es gehe nicht, dass ausländische Finanzbehörden in der Schweiz gegen Steuerhinterzieher vorgehen könnten, Schweizer Behörden jedoch nicht, sagte Wanner am Montag der Nachrichtenagentur SDA. Treten die neuen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) gemäss dem Standard der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Kraft, leistet die Schweiz ausländischen Finanzämtern künftig auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe.
Ungleichbehandlung keine Dauerlösung
Laut Wanner ist eine grosse Mehrheit der Finanzdirektoren der Kantone zwar bereit, mit der Ungleichbehandlung in Steuerfragen von In- und Ausländern für eine gewisse Zeit zu leben. Eine Dauerlösung könne das aber nicht sein. Es sei klar, dass es seine Zeit dauern werde, bis die Gesetze und Verordnungen entsprechend angepasst seien. Die SP-Bundeshausfraktion hat am Samstag ihre Forderung nach einer Weissgeld-Strategie für den Schweizer Finanzplatz bekräftigt. Die Banken sollten gesetzlich verpflichtet werden, nur noch steuerdeklarierte Kundengelder anzunehmen. Nur wenn die Schweiz jetzt mit der EU umgehend die Frage des automatischen Informationsaustausches angehe, könne sie dafür im Gegenzug Übergangsfristen und ein Dienstleistungsabkommen einfordern, das Schweizer Unternehmen den freien Marktzugang zur EU sichert. (awp/mc/ps/01)