Steve Leyland, General Manager EMEA Polycom Inc.
von Patrick Gunti
Herr Leyland, wie stark profitiert Polycom als Anbieter von Telepresence- und Video-konferenzsystemen von der Wirtschaftskrise und der damit verbundenen Reduktion von Geschäftsreisen?
Die Wirtschaftskrise führt dazu, dass viele Unternehmen ihre Reisekosten genauer unter die Lupe nehmen und sich überlegen, wo sich Einsparungen realisieren lassen und ob es Alternativen gibt. Bei der Prüfung von Alternativen stossen die Unternehmen zwangsläufig auf Videoconferencing und Telepresence. Der Ersatz von Geschäftsreisen durch die Nutzung moderner Collaboration Tools ist heute eindeutig die beste und kostengünstigste Alternative. Nicht zu vergessen die Produktivitaetssteigerung, die durch kurze Abstimmungsprozesse und effizienten Mitarbeitereinsatz erreicht werden kann.
Hat auch die Schweinegrippe einen positiven Einfluss auf Ihren Absatz?
Die Schweinegrippe spielt bei den Überlegungen zugunsten eines Video- oder Telepresen-ce-Systems sicher eine Rolle, da die Ansteckungsgefahr durch häufige Reisen erhöht wird. Insbesondere in grossen Unternehmungen, wo im Rahmen des Worst-Case-Szenarios die Gefahr besteht, dass die Grippe ganze strategische Einheiten lahm legt, ist die Schweine-grippe ein Entscheidungsfaktor.nbsp;
Welches sind neben weniger Reisetätigkeit die wichtigsten Vorteile von Videokonferenzsystemen?
Die Kommunikation über Collaboration-Tools ist mittlerweile einfach geworden und dort, wo sie eingesetzt wird, entwickelt sie sich schnell zur Normalität. Leistungsfähige Protokoll- und Speicherfunktionen ermöglichen eine einfache und kontinuierliche Kontrolle. Vielfältige Möglichkeiten für den Austausch von Daten und Inhalten zwischen den Mitarbeitern erhöhen die Effizienz. Die gewonnene Zeit wirkt sich positiv auf die Motivation der Mitarbeiter aus, so dass sie generell effizienter und konzentrierter arbeiten. Dies führt auch zu einer Beschleuni-gung von Geschäftsprozessen. Videokonferenzsysteme erhöhen darüber hinaus die Flexibilität von Unternehmen. Externe Arbeitsgruppen oder Freelancer zum Beispiel können problemlos integriert werden. Darüber hinaus profitiert natürlich die Umwelt: Weniger Reisen bedeutet wesentlich weniger CO2-Ausstoss.
«Ein Unternehmen mit 800 Mitarbeitern in zehn Filialen und jährlichen Reisekosten von rund 4 Millionen Franken kann den Return On Investment (ROI) mit einer Konferenz-Lösung von Polycom innerhalb von sechs bis neun Monaten erreichen.»
Und welchen Einfluss auf die Entwicklung hat der Trend zum Home-Office?
Einerseits unterstützt der Trend zum Home-Office die Einführung und die Weiterentwicklung von Telepresence- und Videokonferenzsystemen, andererseits verstärken effiziente Collaboration-Tools die Nutzung von Home-Offices. Das ist eine Abhängigkeit, von der beide Seiten profitieren.
Lässt sich das Sparpotenzial beim Einsatz von Telepresence- und Videokonferenz-Lösungen beziffern?
Wenn in einem weltweit agierenden Unternehmen hunderte Mitarbeiter statt mehrmals im Monat nach London, New York oder Frankfurt am Main zu fliegen, ihre Meetings über Videoconferencing oder Telepresence an ein oder zwei Tagen absolvieren, dann macht das einen Unterschied. Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte zum Beispiel hat an weltweit 130 Standorten Telepresence und Videokonferenz-Services eingeführt. Bis dahin gab Deloitte jährlich 26.9 Millionen Franken für Reisen aus. Heute spart das Unternehmen im gleichen Zeitraum bis zu 8 Millionen Franken ein. Aber auch immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) interessieren sich für Videoconferencing, um Zeit und Geld zu sparen. Ein Unternehmen mit 800 Mitarbeitern in zehn Filialen und jährlichen Reisekosten von rund 4 Millionen Franken kann den Return On Investment (ROI) mit einer Konferenz-Lösung von Polycom innerhalb von sechs bis neun Monaten erreichen.
Videokonferenzen sind in Europa vor allem in den letzten 10 Jahren verstärkt genutzt worden. Welche technischen Entwicklungen haben den Systemen in den letzten Jahren zum Durchbruch verholfen?
Die Zeiten der «Wackelbilder» und der zerhackten Töne sind definitiv vorbei. Die Bildqualität ist mittlerweile top. Polycom zum Beispiel bietet neben einer High Definition Auflösung und der «Lost Packet Recovery»-Technologie (LPR) ein technisches Feature, das auch bei schlechten Übertragungsbedingungen für eine gute Bildqualität sorgt. Dasselbe gilt für die Tonqualität. Auch diese ist mittlerweile exzellent und übertragungssicher. Telepresence-Systeme bieten heute ein Bild-, Raum- und KIang-Erlebnis, das sich von einem echten Mee-ting kaum mehr unterscheidet.
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In welchem Preisrahmen bewegen sich die verschiedenen Lösungen von Polycom und sind diese auch für kleinere und mittlere Unternehmungen sinnvoll und erschwinglich?
Mit QDX 6000 bietet Polycom ein voll ausgestattetes Videokonferenzsystem an, mit einer hohen Bildauflösung in DVD-Qualität und einem sehr geringen Bandbreitenbedarf. Es kostet rund CHF 4 600.– und ist damit für kleinere Unternehmen problemlos erschwinglich. Grundsätzlich bieten wir für jede Unternehmensgrösse, für jeden Bedarf und in jeder Preisklasse qualitativ hochwertige Systeme an. Bei einem voll ausgestatteten Telepresence-Raum liegen die Preise dann allerdings bei rund einer halben Million Franken.
Wie werden die Systeme im Bildungsbereich, ob nun in konzerninternen Schulungen oder im universitären Bereich, genutzt?
Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Team-Integration, Trainings, Mitarbeiterinterviews, externe Entwicklung, externe Produktion, Aus- und Weiterbildung sowie Schul- und Hochschulbildung sind nur einige Anwendungsszenarien. Auch in der Telemedizin und im Krisenmanagement sind Videoconferencing und Telepresence im Einsatz. Eine interessante Implementierung im Hochschulbereich sei hier noch erwähnt – die Walsh School of Foreign Service an der Georgetown Universität in Washington D.C. hat einen Aussenposten in Katar eröffnet. Um die Campi besser miteinander zu vernetzen, wurde eine Telepresence-Lösung gewählt. So ist es möglich, dass die Studenten in Katar den gleichen Unterricht wie jene in Georgetown erhalten.
«Telepresence-Systeme bieten heute ein Bild-, Raum- und KIang-Erlebnis, das sich von einem echten Meeting kaum mehr unterscheidet.»
Sind sie auch bei der Personalbeschaffung ein Thema?
Ja natürlich. Unsere HR-Zentrale in London zum Beispiel rekrutiert passende Mitarbeiter weltweit ausschliesslich aufgrund von Kandidateninterviews, die über Videoconferencing und Telepresence stattfinden.
Wie nutzt Polycom seine Systeme und die umfangreiche Infrastruktur sonst im eigenen Konzern?
Polycom ist konzernweit ein Vorzeigeunternehmen, was die Nutzung von Kommunikations- und Collaboration-Tools anbelangt. Wir arbeiten tagtäglich mit unseren Produkten. Mittlerweile werden 93 Prozent der Team-Besprechungen und 75 Prozent der Einzelgespräche mittels Videoconferencing abgehalten. Aber auch Vertriebsschulungen werden online durchgeführt. Bei uns wird zudem jedes neue System inhouse ausgiebig getestet, bevor es auf den Markt kommt.
Wie präsent ist Polycom in der Schweiz?
Polycom ist äusserst aktiv auf dem Schweizer Markt, wir betreiben ein Verkaufsbüro in Zürich-Oerlikon. Dort haben wir kürzlich eine neue Ausstellung eröffnet und einen Telepresence-Raum eingerichtet. Da viele Grossunternehmen in der Schweiz ansässig sind, ist die Schweiz ein wichtiger Bestandteil unserer Marktstrategie.
Welche Unternehmen gehören in der Schweiz zum Kundenkreis von Polycom?
Weltweit gehört Polycom zu den Top-2000-Unternehmen mit namhaften Kunden in aller Welt. International kooperiert Polycom unter anderen mit Microsoft, Avaya, AT&T, Cisco und IBM. In der Schweiz zählen Unternehmen wie Zurich Financial Services und Xstrata zum Kundenkreis.
Gartner rechnet für den Markt mit Videokonferenztechnologie bis 2013 mit einem Wachstum von 17,8 Prozent auf 8,6 Mrd. Dollar. Welchen Marktanteil strebt Polycom an?
Polycoms Marktanteil an der Gesamtzahl der weltweit installierten Videokonferenzsysteme (Group Systems) beträgt zurzeit rund 41 Prozent. Auch bei der Anzahl der im ersten Halbjahr 2009 verkauften Videokonferenzsysteme ist Polycom mit einem Marktanteil von 35 Pro-zent führend. Diese Marktanteile möchte Polycom halten, bzw. ausbauen.
Herr Leyland, besten Dank für das Interview.
Der Gesprächpartner:
Steve Leyland ist bei Polycom seit fünf Jahren als General Manager Europe, Middle East & Africa (EMEA) tätig. Er ist in dieser Funktion verantwortlich für die Unternehmensstrategie, die Entwicklung, den Verkauf, das Marketing und das operative Geschäft. Während dieser Zeit war er massgeblich verantwortlich für eine über 250-prozentige Zunahme des Wachstum und des Erfolgs in dieser Region.
Polycom Inc.
Polycom, Inc. (NASDAQ: PLCM) ist der weltweit führende Anbieter von Telepresence-, Video- und Sprachkommunikationslösungen und ein Telekommunikationsunternehmen, das Menschen die Möglichkeit gibt, jederzeit und an jedem Ort mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Das Unternehmen wurde 1990 gegründet und ist in der Schweiz seit 2003 vertreten. Der Vertrieb in der Schweiz wird vom Büro in Zürich aus organisiert. Polycom Inc. beschäftigt weltweit ca. 2600 Mitarbeitende und hat seinen Hauptsitz in Pleasanton (Kalifornien) sowie Niederlassungen weltweit und in ganz Europa.