Im strengsten Szenario blieben sie mit ihrer Kernkapitalquote unter der Marke von 6,0 Prozent. 91 Institute aus 20 Mitgliedsstaaten waren auf ihre Krisentauglichkeit hin untersucht worden. Konkret war bei den Stresstests geprüft worden, wie belastbar die Kapitalausstattung der Banken ist, wenn die Wirtschaft einbricht und sich die Situation am Markt für Staatsanleihen wieder extrem zuspitzt. Insgesamt gelten die Test-Ergebnisse als Indikator für die Stabilität des europäischen Finanzsystems. Fällt eine Bank durch, ist dies jedoch nur ein Warnsignal und hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf ihre Kunden.
Deutsche Bank mahnt zur Vorsicht bei Interpretation der Ergebnisse
Die Deutsche Bank hat zur Vorsicht bei der Interpretation der Stresstest-Ergebnisse für die Banken der Europäischen Union gemahnt. Die Ergebnisse sollten nicht als repräsentativ für die derzeitige Situation oder als Indikator eines möglichen Kapitalbedarfs angesehen werden, teilte die Bank am Freitagabend in Frankfurt mit. Stresstests lieferten auch keine Prognosen für Ergebnisse, da extreme Annahmen zugrunde gelegt würden. Die Deutsche Bank schnitt in dem Test vergleichsweise gut ab und kommt selbst im extremsten Szenario auf eine Kernkapitalquote von 9,7 Prozent. Die Mindestanforderungen für das Bestehen des Tests waren 6,0 Prozent.
Sonderfall Hypo Real Estate (HRE) in Deutschland
Die deutschen Banken haben den europaweiten Stresstest bestanden – allein die mit Steuermilliarden vor der Pleite gerettete Hypo Real Estate (HRE) fiel wie erwartet durch. Der Münchner Immobilienfinanzierer HRE würde sowohl im Falle eines Konjunktureinbruchs als auch bei einem Wertverfall von Staatsanleihen die erforderliche Kernkapitalquote von 6 Prozent erheblich unterschreiten, wie die Deutsche Bundesbank und die Finanzaufsicht BaFin am Freitag in Frankfurt mitteilten. Die HRE sei jedoch ein Sonderfall, betonte der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Jochen Sanio. Die Bank überlebte nur dank staatlicher Milliardenhilfe und wird in ihrer bisherigen Form nicht mehr lange bestehen. «Dieses Institut läuft quasi ausser Konkurrenz.»
Kapitaldecke der deutschen Banken dick genug
Die Kapitaldecke der übrigen 13 deutschen Institute erwies sich auch bei den im Test angenommenen Krisen als dick genug. Getestet wurden Deutsche Bank, Commerzbank, Postbank, der Sparkassen-Fondsdienstleister Dekabank, sieben Landesbanken sowie die genossenschaftlichen Zentralinstitute DZ Bank und WGZ Bank. Die insgesamt 14 Institute stehen nach Angaben der Aufsichtsbehörden für mehr als 60 Prozent der Bilanzsumme des deutschen Bankensystems. Der aktuelle Test der europäischen Aufsichtsbehörde CEBS untersuchte in einem europaweit einheitlichen Verfahren, was im Falle eines erneuten Absturzes in die Rezession passieren würde. Zudem sollte geprüft werden, wie stark es Banken belastet, wenn die Kurse von Staatsanleihen abstürzen – wie zuletzt in diesem Mai geschehen. Europaweit waren 91 Banken unter die Lupe genommen worden. Sowohl Sanio als auch Bundesbank-Vizepräsident Franz-Christoph Zeitler wiesen Kritik an angeblich zu laxen Kriterien zurück, es handele sich um einen harten Stresstest.
Kein Bedarf für frisches Kapital
Im Schnitt würden die 14 deutschen Institute im schlimmsten Fall noch über eine Kernkapitalquote von 8,5 Prozent verfügen. Dabei würden neun Institute einen Wert über acht Prozent erreichen. Mit 6,2 Prozent knapp über dem massgeblichen Wert von 6 Prozent läge die Nord/LB. Am besten stünde die Landesbank Berlin (11,2 Prozent) da, gefolgt von HSH Nordbank und Deutscher Bank (je 9,7). «Wer, nachdem er gestresst wurde, noch über 6 Prozent Eigenkapital verfügt, steht so schlecht nicht da», befand Sanio. Sowohl Sanio als auch Zeitler sehen bei keiner der Institutsgruppen in Deutschland aktuell Bedarf für frisches Kapital. Sanio bilanzierte: «Diese Zahlen sind belastbar und sie zeigen, dass das deutsche Kreditgewerbe widerstandsfähig und robust ist.» Zeitler zeigte sich «zuversichtlich, dass das Marktvertrauen infolge der Stresstests zunimmt». Sanio betonte, es handele sich bei dem aktuellen Test allein um eine «Operation zur Beruhigung der Märkte». Der BaFin-Chef räumt zugleich ein: «Ich weiss nicht wie Märkte reagieren, dass weiss ich seit den letzten Jahren nicht mehr.»
Welche Konsequenzen drohen Verlierern?
Sieben von 91 Banken sind durch den europäischen Stresstest gefallen. Doch was heisst das, welche Konsequenzen folgen daraus? Dafür gibt es eine genau abgestufte Reihenfolge:
ERSTER SCHRITT: Wer beim Test durchfällt, steht keineswegs vor dem Abgrund. Zunächst kann sich die Problem-Bank über die Ausgabe neuer Aktien Kapital am Finanzmarkt beschaffen oder sonstige Vermögenswerte verkaufen. Wie der Stresstest in den USA gezeigt hat, klappt das durchaus. Die US-Banken, deren Kapitaldecke sich als unzureichend erwies, als sie im vergangenen Jahr unter die Lupe genommen wurden, konnten private Investoren dafür gewinnen, die Lücke zu schliessen. Vielen europäischen Banken könnte Ähnliches gelingen.
ZWEITER SCHRITT: Schafft eine Bank es auf eigene Faust nicht, werden die Regierungen intervenieren müssen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat im Vorfeld der Veröffentlichung der Stresstests die Regierungen der Euro-Zone aufgerufen, mit Kapital auszuhelfen, wenn die Banken dies bräuchten. In Deutschland steht dafür der nationale Bankenrettungsschirm SoFFin bereit.
DRITTER SCHRITT: Nur im absoluten Notfall, wenn ein EU-Staat durch eine Bankenrettung an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geriete, könnte er auf den europäischen Rettungsschirm zugreifen. Dieser Krisenfonds für Euro-Staaten in Finanznöten wurde im Mai ins Leben gerufen. Die Finanzgesellschaft in Luxemburg kann im Namen aller Euro-Länder bis zu 440 Milliarden Euro Kredite an den Märkten aufnehmen und an Wackelkandidaten weitergeben. Inklusive der Gelder des Internationalen Währungsfonds IWF umfasst der Topf 750 Milliarden Euro.
Schneller Ruf nach Rettungsfonds eher unwahrscheinlich
EU-Währungskommissar Olli Rehn hat betont, dass der Fonds notfalls bei der Stützung finanzschwacher Banken helfen kann. Das könnte aber politischen Streit unter den Ländern, die das Rettungsnetz finanzieren müssen, entfachen. Zudem müsste sich der notleidende Staat auf harte Reform- und Sparauflagen einstellen, die die EU und der IWF festlegten. Deshalb ist ein schneller Ruf nach dem Rettungsfonds eher unwahrscheinlich. (awp/mc/hfu/ps/34)