Um Antworten auf diese und andere Fragen zu erhalten, haben im Sommer 2008 das Zürcher Outplacement-Unternehmen Grass & Partner AG und die Westschweizer Karrieremanagement-Spezialisten Von Rohr Associates, Genf, bei der Fachhochschule Nordwestschweiz eine Studie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse zeigen Überraschendes – und zum Teil gar Verblüffendes.
Das Karrussell dreht sich immer schneller
In den letzten drei Jahren fanden Veränderungen im Top-Management immer häufiger statt, nämlich durchschnittlich 1,7/Jahr in multinationalen Konzernen und 1/Jahr in den übrigen in dieser Studie behandelten Unternehmen. Der Sektor Chemie und Pharma waren mit der höchsten Fluktuation von 2,1 Top-Managern pro Jahr konfrontiert, während die Banken- und Finanzbranche einen Durchschnitt von 1,8 Wechsel aufwies. Auch bei KMU sind die Zahlen nicht viel kleiner. Schliesst man äussere Ursachen wie Merger & Akquisitions oder Pensionierung aus, bleiben als häufigste Gründe für einen Topmanagement-Wechsel Restrukturierungen (21,3 %), Entlassungen (20,0 %) und Beförderungen (13,2 %).
Auch in der Schweiz: Deutlicher Trend zu «Hire-and-Fire»
Im Mehrjahresvergleich (Jahre vor 2005 und Jahre danach) hat sich herausgestellt, dass ein eindeutiger Trend zu einer «Hire-and-Fire-Kultur – insbesondere in den Branchen Chemie/Pharma und Finanzsektor – entstanden ist. In den gegenwärtigen Unternehmenskulturen ist aber nach wie vor der Wille zu erkennen, auch für Top-Positionen eine unternehmensinterne Karriereentwicklung weiterhin zu pflegen.
Topmanagement-Wechsel bewirken wenig
Die über 300 Antworten – sie kamen zu rund 75% aus Geschäftsleitungs-/CEO- und Human Resources-Kreisen – ergaben als erstaunlichstes Resultat, dass die Auswirkungen der häufigen Wechsel eigentlich einen geringen Einfluss auf den Geschäftsverlauf der Unternehmen und deren Mitarbeitenden haben. Im Einzelnen sagen die Studienresultate aus, dass in den letzten drei Jahren Fluktuationen im Top-Management weder einen positiven noch einen negativen Einfluss hatten auf monetäre und nicht-monetäre Indikatoren wie «Corporate Image», «Arbeitgebermarke», «betriebliche Kontinuität», «Unternehmensperformance», «Arbeitsklima» und «Mitarbeitermotivation». Die Auswirkung auf die «Unternehmensperformance» war zwar leicht positiv, auf das «Arbeitsklima» dagegen eher etwas negativ zu bewerten.
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Die Studie gibt viele Antworten, stellt aber noch mehr Fragen:
Die Experten der Grass & Partner z. B. sehen sich jetzt mit einer Reihe neuer und auch unbequemer Fragestellungen konfrontiert, für die es zur Zeit noch keine schlüssigen Antworten zu geben scheint – das wäre wohl Stoff für eine neue Untersuchung:
– Es muss nachdenklich stimmen, dass ein Wechsel an der Unternehmensspitze keinen grossen Einfluss auf das Unternehmen hat. Wie ist das möglich?
– Auf welchem Niveau läuft ein solches Unternehmen? Kann es mehr sein als Mittelmass, wenn solche Wechsel einfach verdaut werden, ohne Wirkung zu zeigen?
– Wie stark ist das Unternehmen mit sich selbst beschäftigt? Wieviel Energie wird für Management of Change vom Kerngeschäft abgezogen?
– Kann ein solches Unternehmen überhaupt Spitzenleistungen erbringen, wenn Unsicherheit bei den Mitarbeitenden und «Kopflosigkeit» an der Spitze existieren?
– Wo sind die Führungskräfte, die den Unterschied ausmachen?
– Bedeutet die Tatsache, dass im Top Management die Köpfe austauschbar sind, dass diese keinen Einfluss haben?
– «Führungskräfte oder Führungsschwächlinge – Gestalter oder Verwalter?» Sind die Ergebnisse dieser Studie – und gerade die erstaunliche Tatsache, dass die vielen Wechsel an der Spitze bedeutungsarm sind – ein Indiz dafür, dass die Top-Manager nicht die Führungsqualitäten haben, die benötigt würden?
Die ausführliche Studie (Grafiken, Erläuterungen) kann unter bezogen werden. (pte/mc/ps)