Der deutsche Discounter ALDI Süd tritt an, die schweizerische Hochpreisinsel zu erobern. Sven Bradke, Sprecher von ALDI Süd in der Schweiz, äussert sich im Moneycab-Interview über schweizerisches Einkaufsverhalten und die Aldi-Philosophie.
Von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Bradke, der deutsche Discounter ALDI Süd wagt den Schritt auf die „Hochpreisinsel“ Schweiz. Viel ist dazu nicht bekannt – Aldi bleibt seiner zurückhaltenden Informationspolitik treu. Klar scheint zu sein, dass ALDI Süd in der Schweiz 60 Filialen eröffnen will und bereit ist, rund 70 Mio. Euro zu investieren. Können Sie das bestätigen?
Sven Bradke: Nein, das kann ich nicht. Die von Ihnen zitierten Zahlen stammen nicht von uns. Verschiedene Branchenkenner und Analysten haben diese Zahlen in die Diskussion geworfen.
Zuletzt war von bisher fünf Baugesuchen die Rede, und zwar in Romanshorn, Weinfelden, Altenrhein, im aargauischen Gebenstorf und im zürcherischen Pfäffikon. Den Städten scheint man aus dem Weg zu gehen. Nach welchen Kriterien werden die Standorte ausgesucht und wo sind die nächsten Filialen geplant?
ALDI Süd geht den Städten nicht aus dem Weg. Es werden überall in der Schweiz geeignete Grundstücke sowie mögliche Einmietungen geprüft. Wir sind für alles offen. Sofern es sich um Grundstücke handelt, sind wir an Flächen ab 5’000m2 interessiert. Was die Verkaufsfläche angeht, gehen wir von rund 900m2 pro Laden aus. Egal, ob der Laden in einem bestehenden Einkaufszentrum zu liegen kommt oder neu gebaut wird.
Der Erwerb geeigneter Verkaufsflächen ist für ALDI Süd das grösste Problem. Passende Grundstücke sind rar, sehr teuer oder schlicht von der Konkurrenz Migros und Coop besetzt. Wie geht Aldi dieses Problem an?
Die Schweiz ist sicherlich sehr dicht besiedelt. Das stimmt! Dennoch sind vielerorts in der Schweiz noch Grundstücke oder Flächen zu haben. Welche tatsächlich unseren Vorstellungen entsprechen, ist eine andere Frage. Wir werden aber auf jeden Fall alle Angebote prüfen und ohne Druck und Hast nach weiteren, möglichen Standorten Ausschau halten.
Ist mal ein Standort ausgesucht, stellen sich die nächsten Hindernisse in den Weg: Entweder haben die Gemeinden – offiziell meist aus verkehrstechnischen Gründen – etwas dagegen, oder dann legen Anwohner Einspruch ein. Was hat ALDI Süd bei den bisher ausgesuchten Standorten für Erfahrungen gemacht?
Wir stellen fest, dass unsere Philosophie und unser erfolgreiches Discount-Konzept noch nicht bekannt sind, weshalb manchmal auch gewisse Vorurteile bestehen. Die auch schon wahrgenommene Angst, wir würden grosse Einkaufszentren bauen, ist völlig unberechtigt. Wir möchten Läden mit nur rund 900m2 Verkaufsfläche und etwa 130 Parkplätzen eröffnen. Also etwa in der Grösse eines M-Marktes von Migros. Die Anzahl Parkplätze streben wir aus praktischen wie auch aus ökologischen Überlegungen an. Unsere Konsumenten sollen bequem parken, ein- und aussteigen sowie ihre Waren gut im Fahrzeug versorgen können. Zudem möchten wir unseren Kunden auch zu wirklichen Stosszeiten, beispielsweise vor dem Weihnachtsfest, noch einen Platz anbieten können. Es dient schliesslich niemandem, wenn in solchen Zeiten ein unnötiger Parkplatzsuchverkehr ausgelöst wird. Mit unserer Konzeption verursachen wir deshalb in der Regel auch keine zusätzlichen Verkehrsbelastungen. Alles in allem haben wir bisher sehr erfreuliche Erfahrungen machen dürfen. Es besteht mancherorts ein echtes Interesse an unseren Läden.
Wo liegt für ALDI Süd die Schmerzgrenze, wo man sagt, wir verzichten auf diesen Standort?
Unsere Suche orientiert sich in erster Linie an den verfügbaren Immobilienangeboten. Dann stellt sich die Frage, ob die Angebote den eigenen Kriterien entsprechen. Ist dies der Fall, so besteht unsererseits eine realistische Chance für die Eröffnung eines Ladens. Ist dem nicht so, schauen wir uns einfach andernorts um.
In der derzeitigen „Geiz ist geil“-Kultur in Deutschland ist Aldi geradezu Kult. Das Einkaufsverhalten der Schweizer Bevölkerung scheint jedoch ein anderes zu sein. Discounter wie Denner und Pick Pay haben gerade mal einen Marktanteil von 10 Prozent. Wie glaubt ALDI Süd das ändern zu können und was für einen Marktanteil strebt das Unternehmen an?
Die Situation ist in der Schweiz sicher etwas anders als in Deutschland. Wir haben aber den grossen Vorteil, dass unser Discount-Konzept hier noch nicht vertreten ist. Mit unseren rund 700 Artikeln, unseren Eigenmarken, unseren Qualitätsprodukten zu dauerhaft günstigen Preisen sowie unseren standardisierten Läden glauben wir, auch in der Schweiz begeisterte Kunden zu finden und langfristig wachsen zu können. Wie stark, das wird die Zukunft weisen.
Natürlich zieht der Kostenfaktor auch bei Schweizer Konsumenten. ALDI Süd wird aber so billig wie in Deutschland nicht sein können, Lohnkosten, Mietkosten, Zölle etc. werden das Angebot verteuern. Wie viel billiger wird Aldi als Coop, Migros oder die Discounter-Konkurrenz?
Solche Aussagen können wir zum heutigen Zeitpunkt nicht machen. Was wir anstreben, ist unseren Kunden Top Qualität zu dauerhaft günstigen Preisen anzubieten. Diese erfolgreiche Philosophie werden wir auch in der Schweiz bestmöglich zur Anwendung bringen.
Aldi pflegt eine sehr spartanisch eingerichtete Ladenkultur: Präsentiert wird alles in Kartonschachteln auf Palletten. Dem günstigen Preis wird alles untergeordnet. Das hat in der Schweiz schon bei Denner nicht funktioniert. Woher die Zuversicht bei ALDI Süd, dass sich dies nun ändern sollte?
Wir glauben an unsere Discount-Philosophie und bauen auf unsere langjährigen Erfahrungen in verschiedenen Ländern. Zumal die Kunden in Zeiten der Reizüberflutung eine klare und in jedem Laden gleiche Ordnung sehr schätzen. Wir wissen auch, dass unser heutiges Angebot vielen Schweizern gut gefällt. Unsere grenznahen Filialen beweisen dies. Zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer kaufen heute schon gerne bei uns ein. Sie werden sicher auch zu unseren zukünftigen Kunden in den Schweizer Läden zählen. Insofern dürfen wir durchaus optimistisch gestimmt sein.
Viel läuft im Detailhandel über die Werbung. In die wird bei Aldi aber praktisch nicht investiert. Es gibt keine Slogans – ein Faltblatt „Aldi informiert“ und eine wöchentliche Anzeige in den Zeitungen reicht offenbar aus. Wird das in der Schweiz auch so sein?
Aldi zählt in Deutschland zu den Unternehmen mit den höchsten Werbeausgaben. Was die Schweiz angeht, werden wir uns sicher noch spezifischere Überlegungen machen müssen. Dies hat aber noch Zeit. Wir stehen erst in der Phase einzelner Baubewilligungsverfahren. Solange noch kein einziger Laden eröffnet ist, benötigen wir auch noch keine kunden- oder produktorientierte Werbung.
Eine der Aldi-Grundregeln lautet: «Was wir tun, tun wir für unsere Kunden. Dafür brauchen wir nicht die Presse, die von neugierigen Mitbewerbern gelesen wird. Im Stillen, ohne Ablenkung kann man viel wirkungsvoller sein.» Wie schwierig ist es für Sie, nach diesen Maximen in der Schweiz eine Öffentlichkeitsarbeit für Aldi aufzubauen?
Wir „bauen“ keine Öffentlichkeitsarbeit auf. Die derzeitigen Medienpublikationen wurden nicht durch uns lanciert. Im Gegenteil, die Veröffentlichungen sind Zeichen des Interesses seitens der Medien. Wir haben uns einzig zum Ziel gesetzt, entsprechende Fragen zu beantworten, soweit eine solche Beantwortung zum heutigen Zeitpunkt überhaupt möglich ist.
Letzte Frage: Wagen Sie ein Prognose? Wann öffnet der erste Aldi-Süd-Laden – und wann der 60.?
Wir planen, im nächsten Jahr den ersten ALDI Süd-Laden in der Schweiz zu eröffnen. Anschliessend konzentrieren wir uns auf die Errichtung eines ausreichenden Filialnetzes.
Moneycab Interviews Sven Bradke
Sprecher ALDI Süd in der Schweiz und Geschäftsführer St. Gallen sowie Verwaltungsrat der „Mediapolis – AG für Kommunikations-Management“
Zuvor:
seit 1998 Berater und Partner der Mediapolis
1997-1998 Berater, Partner und Verwaltungsrat der Weigelt & Partner AG
1994-1996 Leiter Wirtschaft und Öffentlichkeit (Vizedirektor) der Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell
ALDI-Süd ist ein führendes internationales Einzelhandelsunternehmen. Die Unternehmensgruppe in West- und Süddeutschland besteht aus mehr als 27 Gesellschaften mit eigener Geschäftsleitung. Das Unternehmen zählt derzeit mehr als 1200 Filialen in West- und Süddeutschland sowie in den USA, Grossbritannien, Österreich (Hofer), Irland und Australien. ALDI steht für „Albrecht-Discount“. ALDI Süd steht unter der Leitung von Karl Albrecht. ALDI Nord unter Leitung von Theo Albrecht und ALDI Süd setzen jährlich nach Schätzungen rund 35 Milliarden Euro um.