In dem am Dienstag beginnenden Prozess müssen 19 Personen auf die Anklagebank. Bereits die Kulisse des Prozesses am Bezirksgericht Bülach sprengt gewohnte Dimensionen: Statt im Gerichtssaal findet das Verfahren in der Stadthalle Bülach statt, die Platz für bis zu 1’500 Personen bieten kann. Bis Anfang März sind rund 30 Verhandlungstage vorgesehen.
Untergang der Swissair schockiert die Schweiz
Der Untergang der Swissair im Herbst 2001 hatte die Schweiz schockiert. Drastisch war dem Land der Niedergang der einstigen Vorzeigefirma am 2. Oktober 2001 mit dem «Grounding» vor Augen geführt worden, als sämtliche Swissair-Maschinen mangels Zahlungsfähigkeit der Fluggesellschaft am Boden blieben.
Beispiellose Aktion für Weiterführung eines Flugbetriebs
Mit dem Untergang der Swissair-Gruppe wurden auch Werte in Milliardenhöhe und Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet. Für die Weiterführung eines Flugbetriebs aus der Schweiz brachten Staat und Wirtschaft in einer beispiellosen Aktion gemeinsam gut 4,5 Mrd CHF auf.
Zürcher Staatsanwaltschaft ermittelt schon vor dem Grounding
Die Zürcher Staatsanwaltschaft hatte mit ihren Ermittlungen bereits vor dem Grounding begonnen. Bis zur Einreichung der ersten Anklage im Frühling 2006 hatte der Fall die Behörde bereits rund viereinhalb Jahre lang beschäftigt.
270 Meter Akten durchsucht
Im Lauf der Ermittlungen befragte die Staatsanwaltschaft rund 130 Personen und nahm etwa 20 Hausdurchsuchungen vor. Insgesamt wurden 4’150 Aktenordner an das Gericht in Bülach transportiert: Aneinandergereiht ergeben sie eine Länge von etwa 270 Metern.
Zweites Verfahren in Vorbereitung
Trotz dieser Dimensionen wird in dem Prozess erst ein Teil der Tragödie aufgearbeitet. Unterdessen bereitet die Staatsanwaltschaft ein zweites Verfahren vor, in dem die Rechnungslegung der Swissair- Gruppe zur Sprache kommt. Die Anklageerhebung soll noch 2007 erfolgen.
Tatbestände bald verjährt
Der Hauptgrund für die Aufteilung des Verfahrens sind die Verjährungsfristen von sieben Jahren für mehrere Delikte: Damit verjähren die ersten Tatbestände schon im Lauf des Jahres 2008 – angesichts zu erwartender Berufungsverhandlungen bleibt damit wenig Zeit.
Keine umfassende Beurteilung der Swissair-Tragödie
Eine umfassende Beurteilung der Swissair-Tragödie kann das Strafrecht allerdings nicht bieten, wie auch der Zürcher Strafrechtler Daniel Jositsch meint. Die Anklage fokussiert sich auf Geschehnisse aus den letzten zwölf Monaten und den letzten Tagen des Bestehens der Swissair.
Restrukturierung im März 2001 als Schwerpunkt
Einen Schwerpunkt bildet eine Restrukturierung im März 2001. Dem damaligen Verwaltungsrat, aber auch Konzernchef Philippe Bruggisser, wird vorgeworfen, der für den Flugbetrieb zuständigen Tochtergesellschaft SAirLines trotz Wissen um die alarmierende finanzielle Lage wertvolle Beteiligungen übertragen zu haben, ohne einen Gegenwert dafür zu erhalten. Ähnlich argumentiert die Anklage auch im Fall einer Kapitalspritze an die angeschlagene belgische Fluggesellschaft Sabena. In beiden Fällen muss die Anklage belegen, dass die Verwaltungsräte und Geschäftsleitung dabei ihre Sorgfaltspflichten vernachlässigten.
Vorwürfe gegen Mario Corti
Weitere Anklagepunkte umfassen Falschbeurkundungen und die Ausrichtung von angeblichen «Beraterhonoraren» an Verantwortliche der polnischen LOT. Dem letzten Swissair-Chef Mario Corti werden zudem vor allem eine zu späte und mangelhafte Einleitung des Nachlasses, aber auch Gläubigerbevorzugung vorgeworfen.
Angeklagte sind keine Wirtschaftsbetrüger
Bereits bei der Anklageerhebung hatte die Staatsanwaltschaft allerdings betont, sie erachte die Angeklagten nicht als eigentliche Wirtschaftsbetrüger. Die Personen hätten den Untergang der Swissair verhindern wollen – wenn auch nach Ansicht der Staatsanwaltschaft mit unlauteren Mitteln. (awp/mc/ab)