Sein Mandant sei freizusprechen, beantragte Gessler. Der Verteidiger wies die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft gegen Leuenberger in allen Punkten mit scharfen Worten, aber nahezu väterlichem Ton zurück. Die Staatsanwaltschaft wirft dem gesamten ehemaligen Verwaltungsrat vor, die Airline-Tochter SAirLines im Wissen um eine Überschuldung restrukturiert zu haben statt in den Konkurs zu schicken. Damit hätten die Verwaltungsräte die Gläubiger in Milliardenhöhe geschädigt. Gläubigerschädigung beklagt die Anklagebehörde auch bei der Zahlung von 150 Mio. Euro an die marode belgische Fluggesellschaft Sabena.
Sieben Monate Freiheitsstrafe und Geldstrafe gefordert
Leuenberger, der sieben Jahre im Aufsichtsgremium der SAir sass, soll mit sieben Monaten Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von total 540’000 CHF, bedingt sowie einer Busse von 10’000 CHF bestraft werden. Hart ins Gericht ging Gessler mit den Untersuchungsbehörden und der Firma Schellenberg, die einen Expertenbericht erarbeitet hat, auf den sich die Anklage stützt.
Schadensberechnung sei unsinnig
Die Schadensberechnung sei unsinnig, widersprüchlich und falsch. Einerseits sei die SAirLines nicht überschuldet gewesen, andererseits rechne die Anklage selber vor, dass eine Liquidation der SAirLines zu einem Aktivenüberschuss von über 9 Mrd CHF geführt hätte, sagte Gessler. Weder die SAirGroup noch SAirLines seien zum Zeitpunkt der Restrukturierung überschuldet gewesen, sagte Gessler. Während die Staatsanwaltschaft in dern Anklageschrift noch von einer Überschuldung von 1,177 Mrd CHF der SAirGroup sprach, bezifferte die Anklagebehörde die Überschuldung im mündlichen Plädyoer auf 6,475 Mrd CHF. «Demnach hat sich die Anklägerin bisher um sage und schreibe 5,3 Mrd CHF geirrt», sagte Gessler. Die Jahresrechnung 2000 der SAirGroup stelle die finanzielle Situation komplett anders dar: Aus ihr gehe ein Eigenkapital von 904 Mio CHF hervor.
Beweise für Anschuldigungen schuldig geblieben
Die Anklage bleibe die Beweise für ihre Anschuldigungen schuldig. Die Auffassung der Anklägerin, die SAirGroup sei Ende 2000 überschuldet gewesen, beruhe nicht etwa auf den in über 4000 Bundesordnern gesammelten Beweisen, sondern auf hypothetischen Annahmen. Mangels Beweisen habe sich die Anklägerin mit selbst gebastelten Annahmen beholfen, sagte Gessler im Hinblick auf ein Expertengutachten der Firma Schellenberg. Die Untersuchungsbehörden hätten ihre Hausaufgaben nicht gemacht, nämlich den Sachverhalt seriös abzuklären. (awp/mc/gh)