Swissair-Prozess: Schmidheiny verteidigt Hunter-Strategie

Die Beteiligungskäufe der SAirGroup hätten im grossen und ganzen der Hunter-Strategie entsprochen, sagte Thomas Schmidheiny. Man habe einen Ausweg gesucht, nachdem der EWR 1992 abgelehnt worden sei. Nach dem Nein zum EWR habe man mit dem Verbund Alcazar eine Fusion mit der skandinavischen Fluggesellschaft SAS, der holländischen KLM und der österreichischen AUA versucht. Alcazar sei jedoch von Bundesrat Adolf Ogi abgelehnt worden.


Verkauf nicht möglich
Der Verwaltungsrat habe auch geprüft, ob die Fluggesellschaft verkauft werden könne. Dies sei aber unmöglich gewesen, weil die Landerechte dem Staat gehört hätten und politische Gründe dagegen gesprochen hätten, sagte Schmidheiny. Aus diesem Grunde habe man zusammen mit der Beratungsgesellschaft McKinsey die Hunter-Strategie aufgebaut.


«Ausbruch aus der Isolation» gesucht
Die Risiken der Hunter-Strategie, die Beteiligungskäufe an mehreren Fluggesellschaften zum Ziel hatte, habe der Verwaltungsrat sehr sorgfältig diskutiert. Es sei um einen Ausbruch aus der Isolation gegangen. Es sei das Ziel gewesen, Passagiere nach Zürich zum Umsteigen auf die Langstreckenflieger zu bringen.


Auch Übernahme von Alitalia oder China Eastern war ein Thema
Die 10 Anträge von Konzernchef Philippe Bruggisser für Akquisitionen seien nur jene gewesen, die man auch tatsächlich erworben habe. Es habe aber auch Anträge gegeben, die der VR abgelehnt habe. So sei das Projekt Alitalia, Turkish Airlines oder China Eastern auf dem Tisch gelegen. «Man hat damals sehr weit gedacht», sagte Schmidheiny.


Gleichzeitig Dual-Strategie aufgebaut
In der Phase der Expansion sei es bei jeder Firma so, dass die Bilanz strapaziert werde. Parallel zur Hunter-Strategie habe die SAirGroup die mit der Dual-Strategie flugnahe Unternehmen aufgebaut, um die volatilen Ergebnisse aus dem Fluggeschäft zu glätten. Zudem hätte man dann im Notfall noch Tafelsilber zum Verkauf gehabt. «Dass es kein Spaziergang wird, einen staatlich regulierten Betrieb wie die Swissair zu einer privatwirtschaftliche europäische Fluggesellschaft zu überführen, war allen klar», sagte Schmidheiny. Die Resultate seien rauf und runter gegangen. 1998 habe die Swissair ein sehr gutes Resultat erzielt. Danach sei es wieder bergab gegangen.


«In so einem Moment muss man nicht sanieren»
Es gebe kaum eine Fluggesellschaft, die über den ganzen Zyklus des Luftfahrtgeschäftes Gewinne erzielt habe, sagte Schmidheiny. Dass die Hunter-Strategie trotz der finanziellen Schwierigkeiten noch im Jahr 2000 fortgeführt worden sei, habe daran gelegen, dass man schon sehr weit gekommen sei bei der Abdeckung der wichtigen Märkte. Zudem hätten die flugnahen Betriebe sehr gute Resultate erwirtschaftet. Die Sanierung der zunehmend in Geldnot gekommenen Swissair-Konzerns sei zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion gestanden, sagte Schmidheiny. Man sei ja Mitte 2000 in Verhandlungen über einen Verkauf der Tochtergesellschaften Gate Gourmet und Nuance gestanden. Dadurch hätte man schnell über 3 Mrd CHF mobilisieren können. «In so einem Moment muss man nicht sanieren», sagte Schmidheiny.


Belgien drohte mit Platzen der bilateralen Verträge
Für den Fall, dass die SAirGroup kein Geld mehr in die verlustreiche belgische Fluggesellschaft Sabena gepumpt hätte, habe die belgische Regierung damit gedroht, die bilateralen Verträge der Schweiz mit der EU platzen zu lassen. «Der belgische Staat hat signalisiert, dass die Unterzeichnung der bilateralen Verträge gefährdet sei. Deshalb entstand ein grosser Druck», so Schmidheiny. In diesem Falle wäre der Verwaltungsrat der SAirGroup als Killer der bilateralen Verträge dagestanden: «Ein Scheitern der bilateralen Verträge wäre für die Schweizer Wirtschaft verheerend gewesen.»


Ende des Jahres 2000 habe der Verwaltungsrat einen Plan zur Restrukturierung der belgischen Fluggesellschaft Sabena entworfen. Damit sollte die Sabena auf eine Kostenstruktur gestellt werden, die sie überlebensfähig gemacht hätte. Dieser Plan habe den Abbau von 700 bis 800 Stellen und den Verkauf von Aktiven vorgesehen. Zudem seien ein Zuschuss der belgischen Regierung von 100 Mio EUR und von 150 Mio EUR der Swissair enthalten gewesen, «die ich verbrecherisch mitbewirkt habe», sagte Schmidheiny.


Höhere Folgekosten bei Nichtfinanzierung der Restrukturierung
Mit diesen Massnahmen sei der Verwaltungsrat überzeugt gewesen, dass die Sabena für die Jahre 2001 und 2002 funktionstüchtig wäre. «Wenn wir gesagt hätten, wir zahlen nichts mehr, wäre die Sabena Anfang 2001 Konkurs gegangen. Wert Null», sagte Schmidheiny. «Meines Erachtens hätte die Nichtfinanzierung der Restrukturierung zu viel höheren Folgekosten geführt», sagte Schmidheiny. Den Betrag für einen Ausstieg könne er auch nicht nennen. «In diesem Fall wäre die belgische Regierung massivst gegen uns vorgegangen.»


«Nicht schuldig»
Schmidheiny wies die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft allesamt zurück. «Nicht schuldig», sagte er zur Anklage der ungetreuen Geschäftsbesorgung und der Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung im Falle von Zahlungen an die belgische Fluggesellschaft Sabena und die Restrukturierung der Tochtergesellschaft SAirLines.  (awp/mc/pg)

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