Swisscom: Gericht kippt Busse von 333 Mio CHF – Weko darf aber sanktionieren

Allerdings sind die Richter der Beschwerde des Telekomkonzerns nicht in allen Punkten gefolgt. So gilt die Swisscom im relevanten Bereich als marktbeherrschend. Auch wurden die Befugnis der Weko zur Aussprechung direkter Sanktionen und das von ihr befolgte Verfahren bestätigt, wie die Weko am Dienstag in einer Stellungnahme betont. Beide Parteien – Swisscom und Weko – prüfen einen Weiterzug ans Bundesgericht.


Keine Rückstellungen
Rückstellungen für die drohende Busse hatte die Swisscom bisher nicht gemacht. Diese Einschätzung werde durch die vorliegende Entscheidung bestätigt, erklärt das Unternehmen in einer Mitteilung. «Ob dieses Urteil eine Signalwirkung auf andere, laufende Verfahren haben könnte, werden wir in der nächsten Zeit genau prüfen», so ein Swisscom-Sprecher gegenüber AWP.


Langjährige Untersuchung
Die Untersuchung der Weko geht bis ins Jahr 2002 zurück. Damals eröffneten die Wettbewerbshüter gegen die drei Schweizer Mobilfunkbetreiber eine Untersuchung zu den Mobilterminierungsgebühren. Diese Gebühren stellt ein Mobilfunkbetreiber einem anderen Anbieter für die Durchstellung eines Anrufs in sein Netz in Rechnung. Die Weko gelangte zum Ergebnis, dass Swisscom marktbeherrschend sei und diese Stellung missbraucht habe, indem sie in der Zeit vom 1. April 2004 bis zum 31. Mai 2005 unangemessen hohe Preise erzwang. Sie verfügte deshalb im Jahr 2007 eine Busse gegen Swisscom in Höhe von 333 Mio CHF.


Fehlender Gang an die ComCom moniert
Nach Ansicht der Richter ist die Swisscom im fraglichen Markt von der Weko zwar zu Recht als marktbeherrschend betrachtet worden. Die anderen Telekommunikationsanbieter, vor allem Orange und Sunrise, hätten sich aber bei unzumutbaren Preisofferten der Swisscom an die Kommunikationskommission (ComCom) wenden können. Diese hätte dann im Interkonnektionsverfahren die Preise amtlich festgesetzt, heisst es. Auf eine Anrufung der ComCom hätten die betroffenen Anbieter aber verzichtet, weil ein gemeinsames Interesse an hohen Terminierungspreisen bestanden habe. Damit seien die Voraussetzungen für die Busse nicht erfüllt. Dies obwohl die Richter die Angemessenheit der Terminierungspreise prinzipiell bezweifeln.


Weko erneuert Forderung nach «ex officio»-Preisprüfung
Die Weko erneuert die Forderung nach der Einführung einer «ex officio»-Preisprüfung durch die ComCom, die im August 2008 gemeinsam mit der ComCom und dem Preisüberwacher angeregt wurde. Dann könnte die ComCom von Amtes wegen eingreifen und nicht erst auf Beschwerde eines Marktteilnehmers hin.


Beschwerden hinsichtlich mangelhafen Verfahrens zurückgewiesen
In einem wichtigen Punkt erhält die Weko indes aus Bern Unterstützung: Das BVGer habe sämtliche Beschwerdepunkte der Swisscom hinsichtlich eines mangelhaften Verfahrens zurückgewiesen, erklärte die Wettbewerbshörde. Auch könne das BVGer keine Verletzung des rechtlichen Gehörs sehen, wie von der Swisscom geltend gemacht. Die Befugnis der Weko zur Aussprechung direkter Sanktionen und das von ihr befolgte Verfahren seien damit bestätigt.


Die Swisscom hatte gemäss Urteil von einer Verletzung des Anklageprinzips gesprochen. Sekretariat und Wettbewerbskommission hätten einen Inquisitionsprozess ohne klare Trennung zwischen Ankläger und Richter geführt, ist in der Dokumentation nachzulesen.


Noch keine Entscheidung zu Wiederkaufspreisen im ADSL-Breitbandgeschäft
Noch offen ist eine Entscheidung des BVGer im Verfahren zu den Wiederverkaufspreisen im ADSL-Breitbandgeschäft. Dort hat Swisscom nach Einschätzung der Weko ihre marktbeherrschende Stellung ebenfalls missbraucht. Die Marge für alternative Anbieter sei zu klein gewesen, hatte die Weko zuletzt erklärt und eine Busse von rund 220 Mio CHF verhängt.  (awp/mc/19)

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