Angeklagt wurden vier weitere Beschuldigte. Die Affäre um das Ausschnüffeln von Gewerkschaftern, Aufsichtsratsmitgliedern und Journalisten hatte in der Öffentlichkeit und bei den Betroffenen einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Von der illegalen Erhebung von Telefondaten in den Jahren 2005 und 2006 waren etwa 50 bis 60 Personen betroffen. Gegen Zumwinkel und Ricke hatte ein Anfangsverdacht bestanden, das illegale Ausspähen angeordnet oder zumindest von ihm gewusst zu haben.
Gewerkschaft akzeptiert Bescheid nicht
Beide hatten stets abgestritten, in die Bespitzelung verwickelt gewesen zu sein. Mit den illegalen Aktionen sollte eine undichte Stelle im Aufsichtsrat gefunden werden. Ein Wirtschaftsmagazin hatte über die intern beratene Strategie des Konzerns berichtet. Die Gewerkschaft verdi kündigte «Widerstand» gegen die Entscheidung an. «Wir werden weiter darum kämpfen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden – ungeachtet ihrer hierarchischen Stellung», erklärte verdi-Bundesvorstandsmitglied Lothar Schröder. Der Gewerkschafter hatte selbst zu den Bespitzelten gehört.
Beschwerde angekündigt
Zwei betroffene Journalisten kündigten Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens gegen Ricke und Zumwinkel an und warfen der Staatsanwaltschaft «grobe handwerkliche Fehler» vor. Auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) kritisierte den Beschluss und forderte eine weitere Aufklärung der Affäre. Die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), die als Anwälte 54 Betroffene vertreten, kündigten Rechtsbeschwerde an und erklärten: «Nach allen uns bekannten Fakten hätte gegen Zumwinkel und Ricke Anklage erhoben werden müssen.» Es sei rechtsstaatlich auch bedenklich, dass die Anwälte der Opfer keine Möglichkeit zur Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft gehabt hätten. «Unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung des Verhaltens von Zumwinkel und Ricke bleibt ihre Verstrickung in die Spitzelaffäre.»
Zumwinkel und Ricke erleichtert
Zumwinkel und Ricke begrüssten die Entscheidung und zeigten sich erleichtert. Die Ermittlungen hätten zu dem Ergebnis geführt, dass «jedweder strafrechtliche Vorwurf gegen mich unbegründet ist», erklärte Zumwinkel. «Ich betrachte dies als erfreuliche Klarstellung und als Verfahrenseinstellung erster Klasse – besser geht es nicht.» Ricke betonte, er habe keinen Auftrag zur Anwendung illegaler Methoden erteilt, sondern den Konzernsicherheitschef nur beauftragt, «Vorschläge zur Unterbindung von Indiskretionen zu erarbeiten.» Apostel wandte sich gegen mediale Vorverurteilungen und Kommentare nach dem Motto: «Die Kleinen hängt man und die Grossen lässt man laufen.» Das wäre in diesem Fall völlig fehl am Platz. «Das Gesetz sieht vor, dass jedem Einzelnen seine Tatbeteiligung nachgewiesen werden muss. Wir haben uns an das Gesetz gehalten.» Es sei auch eine «absurde Vorstellung», dass «von aussen» Einfluss auf die Entscheidung genommen worden sein könnte. «Für mich kann ich das völlig ausschliessen.»
42 Verstösse
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es in 42 Fällen zu Verstössen gegen das Bundesdatenschutzgesetz gekommen ist. Gegen drei Telekom-Mitarbeiter, darunter den früheren Leiter der Konzernsicherheit, sowie den Geschäftsführer einer Berliner IT-Firma wurde Anklage unter anderem wegen des Verstosses gegen das Bundesdatenschutzgesetz erhoben. Der frühere Leiter der Telekom- Sicherheitsabteilung, Klaus Trzeschan, muss sich ausserdem vor Gericht wegen des Verdachts auf schwere Untreue verantworten. Der Berliner Unternehmer wurde zudem auch wegen Untreue und versuchter Erpressung angeklagt. Die Deutsche Telekom selbst – inzwischen war René Obermann neuer Vorstandschef – hatte den Telefondatenmissbrauch im Frühjahr 2008 bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Obermann hatte eine rigorose Aufklärung angekündigt.
Ricke und Zumwinkel noch nicht aus dem Schneider
An ihren Schadenersatzforderungen gegen Ricke und Zumwinkel hält die Telekom fest. Jeweils eine Million Euro will der Konzern von ihnen. Zumwinkel hatte die Forderungen in einem Interview als «Gipfel der Unverfrorenheit» bezeichnet. Die Telekom-Aktionäre haben die Entscheidung über eine Entlastung von Zumwinkel für das Geschäftsjahr 2008 bisher vertagt. Der inzwischen im Ausland lebende Zumwinkel hatte im Februar 2008 neben seinem Amt als Post-Chef auch sein Amt bei der Telekom niedergelegt, als er in Verdacht kam, Steuergelder in Millionenhöhe hinterzogen zu haben. Wegen des Liechtensteiner-Steuervergehens wurde Zumwinkel später auch verurteilt. (awp/mc/ps/23)