Telekom-Chef will schonungslose Aufklärung – Branche bei Schäuble
Der Konzernchef bestritt in mehreren Interviews am Wochenende, persönlich in den Skandal seines Konzerns verwickelt zu sein. Nach Angaben des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» wächst indes der Druck auf Ex-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel und den früheren Konzernchef Kai-Uwe Ricke. Der ehemalige Telekom-Sicherheitschef Klaus Trzeschan habe beide Manager bei einer konzerninternen Anhörung belastet, berichtet der «Spiegel». Die Aufträge seien von Ricke und Zumwinkel erteilt worden. Gegen die beiden und sechs andere Verdächtige hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet. Nach Informationen des «Handelsblatts» (Montag) haben sich Ricke und Zumwinkel fortlaufend über die Arbeit ihrer Konzernsicherheit informieren lassen.
Schäuble gegen «Schnellschüsse»
Die Telekom hatte eingeräumt, Telefondaten ausspioniert zu haben, um die Veröffentlichung vertraulicher Informationen zu verhindern. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach sich gegen rasche Gesetzesänderungen aus: «Ich bin gegen Schnellschüsse», sagte er am Sonntagabend in der ZDF-Sendung «Berlin direkt». Die ganze Branche sei «von dem Vertrauensverlust betroffen». Er wisse nicht, ob Selbstverpflichtungen der Unternehmen ausreichten, um künftigen Missbrauch zu verhindern. «Wenn es nicht ausreicht, müssen wir überlegen, können wir weitere Gesetze machen? Aber das steht am Ende, und nicht am Anfang.»
Scharfes Datenschutzrecht
Auch führende Branchenverbände warnten vor schärferen Gesetzen und Schnellschüssen. Vor einem Treffen im Innenministerium an diesem Montag in Berlin mahnten sie, zunächst die Fakten abzuwarten. Sie verwiesen darauf, dass es in Deutschland bereits ein scharfes Datenschutzrecht gebe. Es seien daher nicht mehr Sanktionen, sondern eine sorgfältige Umsetzung des Datenschutzes nötig. Das Bundeswirtschaftsministerium befürchtet unterdessen wegen des Telekom-Skandals negative Folgen für den Standort Deutschland.
Selbstverpflichtung
Der Einladung Schäubles sind zahlreiche Firmen bisher nicht gefolgt. Zugesagt haben neben der Deutschen Telekom aber die Branchenverbände BITKOM und VATM. Die Bundesregierung will die Branche zu einer Selbstverpflichtung zur Einhaltung des Datenschutzes bewegen. Der Nutzen eines solchen Kodex» wird von Verbänden, aber auch in der Politik bezweifelt. In der Koalition ist auch strittig, ob schärfere Gesetze nötig sind. Führende SPD- und Unionspolitiker lehnen allerdings voreilige Schlüsse und strengere Vorgaben ab.
Weitreichende Auswirkungen befürchtet
Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach, der an dem Treffen teilnimmt, befürchtet weitreichende Auswirkungen der Affäre. «Da ist ein Schaden entstanden, der über den Bereich Telekom hinausgeht. Das kann zu einem Problem für den gesamten Standort werden, wenn wir nicht schnell handeln», sagte Pfaffenbach dem «Tagesspiegel» (Montag). Da das Finanzministerium im Aufsichtsrat vertreten sei, lasse sich derzeit nicht ausschliessen, dass Regierungsmitglieder ausgespäht worden seien. Auch weil sie Grossaktionär bei dem Bonner Konzern sei, müsse die Bundesregierung eine aktive Rolle übernehmen.
Obermann weist Mitschuld von sich
Obermann wies mehrfach eine Mitschuld zurück. «Ich habe keinen Anlass, etwas zu vertuschen», sagte er dem «Tagesspiegel am Sonntag». Laut «Spiegel» soll ein Teil der Spitzeldienste im November 2006 von einer gemeinsamen Kostenstelle Zumwinkels und des frisch angetretenen Telekom-Chefs Obermann abgebucht worden sein. Freigegeben worden sei das Geld offenbar vom damals gemeinsamen Büroleiter beider Manager.
«Rechnung weder gesehen noch unterschrieben»
Dem «Spiegel» sagte Obermann, er habe die Rechnung nie gesehen. Ein Sprecher Zumwinkels habe erklärt, ein Aufsichtsratsvorsitzender habe keine Vollmachten für Konten des Unternehmens. In der «Bild am Sonntag» ergänzte Obermann: «Sollte es so gewesen sein, ist dies ohne mein Wissen geschehen. Ich habe diese Rechnung weder gesehen noch unterschrieben. Ich war zum besagten Zeitpunkt erst wenige Tage im Amt.» Nach Informationen des «Handelsblatts» (Montag) hat die Telekom den Recherchedienst Network Deutschland noch vor wenigen Wochen bezahlt. Am 14. Mai, dem Tag vor der Hauptversammlung, seien 174 000 Euro überwiesen worden, nach dem der Chef des Unternehmens dem Bonner Konzern gedroht hatte, der Presse mitzuteilen, dass er im Auftrag des Konzerns illegal Telefonate zwischen Aufsichtsräten und Journalisten abgeglichen habe.
Ermittlungsverfahren gegen Konzernbetriebsratschef?
Obermann betonte, Datenschutz sei für die Telekom ein zentrales Anliegen. Wer gegen «Recht und Gesetz oder Vorschriften der Telekom verstösst, wird ohne Ansehen von Rang und Person zur Rechenschaft gezogen werden», sagte er. Nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» (Montag) kommt auch ein Opfer der Ausspähung ins Visier der Ermittler. Die Staatsanwaltschaft Bonn prüfe derzeit, ob sie ein Ermittlungsverfahren gegen Konzernbetriebsratschef Wilhelm Wegner einleitet, berichtet die Zeitung. Dem Aufsichtsratsmitglied könnte demnach der Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zur Last gelegt werden. (awp/mc/ps)