von Alexander Saheb
In den vergangenen zwei Jahren waren Immobilien eine sehr gefragte Kapitalanlage. Wie haben Sie das erlebt?
Der Immobilienmarkt muss etwas differenziert betrachtet werden. Für voll vermietete Wohnimmobilien sind als eine Art Obligationenersatz hohe Preise bezahlt worden. Langfristig dürfte hier nur schwer eine angemessene Rendite erwirtschaftet werden können. Demgegenüber sind die Preise für Geschäftshäuser seit der Finanzkrise sehr stark von der Vermietung und insbesondere dem Geschäftsgang der wesentlichen Mieter abhängig. Dies ist die Ursache der sehr unterschiedlichen Bilder, die sich am Markt zeigen.
Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Lage des Schweizer Immobilienmarktes?
Die am Markt zu zahlenden Preise sind zum einen wegen der Flucht in Sachwerte und zum anderen wegen der tiefen Zinsen und der dadurch ausgelösten Nachfrage sehr hoch. Wenn das Zinsniveau etwas ansteigt, kann es zu Preiskorrekturen nach unten kommen. Eine vorsichtige Bewertung und eine langfristige Finanzierung sind daher angezeigt. So tief wie gegenwärtig waren übrigens die langfristigen Zinsen seit Jahrzehnten nicht mehr.
Gelingt es Ihnen noch, bezahlbare Objekte in gewünschtem Umfang einzukau-fen, bzw. erlauben die Preise noch eine ansprechende Rendite?
Im Segment «Geschäftshäuser» gibt es immer wieder gute Gelegenheiten. Nicht so bei den Wohnobjekten. Hier ist es schwierig, preiswert einzukaufen. Espace verfügt zum Glück über beachtliche eigene Terrains, die schrittweise überbaut werden. Espace möchte zwar noch renditeorientiert wachsen, hat jedoch keinerlei Erwerbsdruck.
Ende 2009 wurde die Grenchner Immobiliengesellschaft Theodor Schild AG übernommen. Ist es für Sie eher Strategie oder opportunistische Gelegenheit, solche kleineren Immobiliengesellschaften zu übernehmen?
Eine Anlagestrategie kann es nicht sein, denn eine erfolgreiche Übernahme setzt voraus, dass die jeweiligen Immobilien in die Anlagestrategie passen. Ist diese Voraussetzung gegeben, so muss die übernehmende Gesellschaft fähig sein, solche Transaktionen durchzuführen. Die Erhaltung dieser Fähigkeit ist ein Teil der Geschäftstätigkeit von Espace. Sie erlaubt Espace, Immobilien an guten Lagen ins Portfolio aufzunehmen, die auf anderem Weg gar nicht erworben werden können. Letztlich dienen all diese Transaktionen der Steigerung der Rentabilität und nie dem Selbstzweck.
«An erster Stelle steht die nachhaltige Steigerung der Rendite.» Theodor F. Kocher, CEO Espace Real Estate AG
In den vergangenen Jahren seit 2003 haben Sie das Volumen Ihres Immobilienportfolios von rund 100 Mio. auf nun mehr als 450 Mio. Franken ausgebaut. Soll es in diesem Tempo weitergehen?
Bis vor ca. 12 Monaten verfolgte Espace einen Wachstumsplan, um eine minimale, kritische Grösse zu erreichen. Dieses Ziel ist erreicht. Espace hat sich eine solide Geschäftsgrundlage geschaffen. Es geht jetzt darum, die Rendite der Gesellschaft zu steigern und die Risiken zu senken. Dies geschieht primär durch den Neubau von Anlageobjekten und einer permanenten Optimierung des Portfolios. Damit wird weiterhin ein gewisses Wachstum verbunden sein.
2009 ging mit einer positiven Entwicklung der wichtigen Kennzahlen erfolgreich zu Ende. Was brachten die ersten Monate des Geschäftsjahres 2010?
Es gibt gute Gründe, die für eine weitere Verbesserung der Kennzahlen und des Fortgangs der bisherigen Entwicklung sprechen. Wir wollen aber das Fell nicht verkaufen, bevor wir den Bären erlegt haben.
Welches sind Ihre vorrangigen Ziele im laufenden Jahr?
An erster Stelle steht die nachhaltige Steigerung der Rendite. Dazu hat Espace mehrere Schritte eingeleitet: Die wichtigste Daueraufgabe ist die Steigerung der Erlöse aus Vermietung und die Senkung des Leerstandes. Dazu kommt eine renditeorientierte Entwicklung des Portfolios, also einerseits die Umnutzung und der Neubau von Anlageobjekten und andererseits auch der Verkauf nicht mehr passender Objekte. Es geht dabei auch darum, den Anteil an Wohnbauten zu erhöhen und das Portfolio zur Senkung der Kosten laufend zu verjüngen. Es sind Bauprojekte in Biel, Grenchen, Lengnau, Subingen, Oensingen, Heimberg, Thun und Zuchwil in Planung. Zur Minderung der Steuerbelastung werden die Gesellschaften von Espace 2010 in eine Holdingstruktur überführt. Die notwendigen Beschlüsse hat die Generalversammlung am 6. Mai 2010 genehmigt.
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Jüngst gab es eine Rochade im Verwaltungsrat, bei der Grossaktionär Christoph M. Müller zum VRP gewählt wurde. Welche Hintergründe hat das?
Der bisherige Präsident des Verwaltungsrates hat seine eigene Unternehmung im Bereich der Immobiliendienstleistungen umstrukturiert und ausgebaut. Er will sich nun ganz auf die Aktivitäten der eigenen Gesellschaft konzentrieren.
Espace Real Estate hat noch eine Reihe weiterer Grossaktionäre. Sind diese an aktivem Einfluss auf das Geschäft interessiert oder sieht man sich eher in einer passiven Rolle?
Im Verwaltungsrat sind gegen 30 Prozent der Stimmen vertreten. Das zeigt, dass der Verwaltungsrat ein direktes Interesse am Geschäftsgang hat. In einer aktiven Immobiliengesellschaft hat der Verwaltungsrat jährlich zahlreiche, wichtige Investitionsentscheide zu fällen, die für die Zukunftsentwicklung wegweisend sind. Der Verwaltungsrat und die darin vertretenen Grossaktionäre nehmen so grundlegend Einfluss auf die Geschicke der Unternehmung. Jedem Aktionär steht frei, mit uns in Kontakt zu treten. Mit den Vertretern der weiteren grossen Aktionäre pflegen wir regelmässige Gespräche. Ihre Meinung ist uns wichtig.
«Espace ist bereit, um im Falle einer positiven Beurteilung eines Listings rasch handeln zu können»
Für welche Anleger empfehlen Sie die Aktien von Espace Real Estate?
Espace legt Wert auf langfristige und nachhaltige Investitionen, die mit einem ausreichenden Eigenkapitalanteil finanziert sind. Derzeit beträgt der Anlagedeckungsgrad 44,4 Prozent. Die Strategie von Espace sieht vor, 50 bis 60 Prozent des Gewinns auszuschütten und den andern Teil renditeorientiert in neue Immobilien oder Wertsteigerungen des Immobilienbestandes zu investieren. Espace pflegt die Transparenz und die Corporate Governance wie eine Gesellschaft, deren Aktie börsenkotiert ist. Die Aktie wird momentan ausserbörslich recht rege gehandelt. Die Espace-Aktie ist deshalb für langfristig denkende, auf Dividende und Werterhaltung ausgerichtete Investoren geeignet. Sie ist zudem, neben Anteilen an grossen Immobilienfonds und ?gesellschaften, eine geeignete Portfolioergänzung für institutionelle Investoren.
Die Espace-Aktien werden derzeit bei der Berner und Zürcher Kantonalbank gehandelt. Wie sieht es mit den Plänen für ein Listing an der SIX aus?
Espace erfüllt die Voraussetzungen für ein Listing. Aktuell sind keine entscheidenden Vorteile wie Kapitalbeschaffung oder höhere Liquidität im Aktienhandel erkennbar. Zudem ist das Umfeld des Finanzmarktes wenig stabil und attraktiv. Das kann und wird sich mittelfristig wohl ändern. Espace ist bereit, um im Falle einer positiven Beurteilung eines Listings rasch handeln zu können.
Was macht Ihnen an Ihrer Tätigkeit besondere Freude?
Es ist sehr spannend und auch befriedigend, in einem kleinen Team ? wir sind 9 Personen auf 7,10 Vollzeitstellen – eine Unternehmung aufzubauen und zu konsolidieren. Ebenso attraktiv ist die Zusammenarbeit mit einem engagierten Verwaltungsrat und einem bewährten Netz von kompetenten Zusammenarbeitspartnern. Die Ausrichtung aller Beteiligten auf klare und erreichbare Ziele ist die Voraussetzung des Erfolges, denn nur Menschen können Immobilien bewegen.
Der Gesprächspartner:
Theodor F. Kocher (*1954) studierte Jura an der Universität Bern und erwarb bis 1985 das Patent als Rechtsanwalt und Notar des Kantons Solothurn. Nach ersten Berufserfahrungen ging er 1984 als Chef des Rechtsdienstes und Sekretär des Verwaltungsrates zur Stuag, Schweiz. Strassenbau- und Tiefbau-Unternehmung AG. Von 1992 bis 1997 war er Mitglied der Konzernleitung dieses Unternehmens. Anschliessend wechselte er als Mitglied der Gruppenleitung zur Batigroup Holding. Zwischen 2002 und 2004 wirkte Kocher als Selbständiger Rechtsanwalt und Notar, u.a. auch für Espace Real Estate. Seit 2005 ist er dort Vorsitzender der Geschäftslei-tung. Kocher ist ausserdem Präsident des VR der Swiss Small Cap Invest AG und hat auch weitere VR-Mandate inne. Zwischen 1997 und 2004 war er Kantonsrat des Kantons Solothurn (FdP). In seiner Freizeit widmet er sich dem Wassersport, Skifah-ren, Hochsee-Segeln sowie der Musik und spielt Kirchenorgel.
Das Unternehmen:
Espace Real Estate AG ist eine Immobilienanlagegesellschaft mit dem Schwerpunkt schweizerisches Mittelland und dem Kanton Schaffhausen. Wir investieren in erstklassige Einkaufs-, Gewerbe-, Büro- und Wohnliegenschaften. In diesem klar definierten Gebiet nutzen wir die Wachstums- und Wertschöpfungspotenziale. Die Espace Real Estate AG will im Jahr 2013 allein mit Erlösen aus Vermietung von Liegenschaften eine Eigenkapitalrendite nach Steuern von mindestens 5.5 % erreichen. Die Aktien werden von der Berner und Zürcher Kantonalbank ausserbörslich gehandelt.