This E. Schneider, CEO Forbo

von Bob Buchheit


Herr Schneider, nach zwei recht eintönigen Börsendekaden kam in den letzten Jahren ganz schön Bewegung in den Forbo-Aktienkurs. Das Engagement bei Rieter, an dem Forbo knapp 10% hielt, strapazierte die Bilanz kurzfristig aufs Äusserste. Der Aktienkurs hat sich, von seinem Tiefst gerechnet, mittlerweile mehr als verdreifacht. Das Engagement bei Rieter wurde auf ein Drittel heruntergefahren. Unterm Strich verblieb ein kleiner Verlust. Kann man sagen: Ausser Spesen nichts gewesen?

Das Engagement bei Rieter haben wir vor der Finanz- und Wirtschaftskrise getätigt. Durch den Konjunktureinbruch wurde Rieter mit seinen zwei zyklischen Sparten in 2008/2009 besonders stark getroffen. Obwohl Forbo die Krise gut gemeistert hat, haben sich bei uns aufgrund der fundamentalen Verwerfungen der Wirtschaft die strategischen und operativen Prioritäten verändert. Wir haben uns deshalb entschieden, das Engagement zu reduzieren. Der Teilverkauf des Rieter-Pakets ergibt in 2010 einen Gewinn aus Finanztransaktionen von 43 Millionen CHF. Die Auswirkungen des gesamte Rieter-Engagements kann erst nach einem allfälligen Verkauf des restlichen Drittels beurteilt werden.


Noch 2005 stand Forbo mit über 1 Mrd. Franken Schulden da. Fünf Jahre später sind diese nur noch halb so hoch, und das Eigenkapital mit 680 Mio. CHF ist sehr solide. Die im Herbst 2008 erfolgte Akquisition der Bonar Floors dürfte 2010 grössere Früchte tragen. Wann kommt es zum nächsten industriell motivierten Zukauf?

Forbo hat auch in der Krise rentabel gearbeitet und einen starken Cash Flow generiert. Im Laufe des nächsten Jahres werden wir, ohne neue Akquisitionen, bereits keine Nettoschulden mehr haben. Somit haben wir grundsätzlich die Möglichkeit, Akquisitionen im dreistelligen Millionenbereich zu tätigen. Wir prüfen regelmässig industrielle Akquisitionen, tätigen diese jedoch nur, wenn wir einen Mehrwert für unser Unternehmen schaffen können. Derzeit drängt sich aber nichts auf.



«…Somit haben wir grundsätzlich die Möglichkeit, Akquisitionen im dreistelligen Millionenbereich zu tätigen.» This Schneider, CEO Forbo


Gemessen am Buchwert oder am Kurs/Umsatzverhältnis deutlich unter 1 ist Forbo an der Börse immer noch unterbewertet. Haben Sie in den jetzigen Zeiten des billigen Geldes Angst davor, Ziel einer feindlichen Übernahme zu werden?

Die von Herrn Pieper kontrollierte Artemis hält über 25% an Forbo. Ich persönlich halte ebenfalls eine Beteiligung von über 6%. Forbo verfügt damit über ein stabiles, langfristig- und ertragsorientiertes Aktionariat, welches auch in der Führung der Unternehmung Verantwortung übernimmt. In dieser Konstellation ist eine feindliche Übernahme wenig realistisch. Ich bin überzeugt, dass der Markt die langfristige Ausrichtung unseres Handelns über die Zeit honorieren wird.


Freundlich ist Ihnen sicherlich Grossaktionär Michael Piper, der über seine Franke-Artemis-Gruppe noch immer besagte 25,1% an Forbo hält, gesonnen. Wir sahen in den letzten Monaten interessante Zusammenschlüsse in der Schweizer Industrielandschaft, wie beispielsweise die Übernahme von 3S durch Meyer Burger. Forbo  könnte doch durchaus ein Kristallisationskern für ein Industriekonglomerat sein, selbst wenn seine drei Bereiche wenig Synergien haben, oder? 

Forbo verfügt mit seinen drei Geschäftsbereichen Flooring Systems, Bonding Systems und Movement Systems über starke Marktstellungen mit Marktführerschaft in verschiedensten Bereichen. In allen drei Geschäftsbereichen bestehen interessante Wachstumsmöglichkeiten und Forbo hat klare Vorstellungen, in welchen Segmenten attraktive Möglichkeiten für die Weiterentwicklung bestehen. Dabei kommen durchaus auch Akquisitionen in Frage. Insofern ist die Rolle von Forbo als Kristallisationskern für ein Industriekonglomerat für uns kein Thema.


Der Geschäftsbereich Flooring Systems erwirtschaftet soviel Umsatz wie die beiden anderen Bereiche ? Bonding und Movement, zusammengenommen. Movement Systems rutschte 2009 erneut fast in die roten Zahlen. Ist das erfolgreiche Comeback des einstigen Problemkindes in Gefahr?

Movement Systems wurde von der Wirtschaftskrise am härtesten getroffen. Kunden im Segment Anlagenbau in Europa und Japan erlitten zum Teil drastische Umsatzeinbrüche. Diese haben sich in der Folge auch in unseren Umsätzen niedergeschlagen. Wir haben die Strukturen jedoch frühzeitig an die neue Wirtschaftsituation angepasst. Die Kosten der Strukturanpassungen haben das Ergebnis insbesondere im ersten Halbjahr 2009 belastet. Bereits im zweiten Halbjahr 2009 waren wir wieder deutlich in den schwarzen Zahlen. Durch den Wegfall der Sonderkosten, den schlankeren Strukturen sowie einem verbesserten Wirtschaftsumfeld erwarten wir für 2010 einen Gewinnsprung in diesem Geschäftsbereich. Eine erste Bilanz werden wir anlässlich der Veröffentlichung des Halbjahresberichts 2010 am 17. August präsentieren.


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Durch Zurückhaltung bei den Investitionen, tiefe Rohwarenpreise und straffes Kostenmanagement konnte Forbo im 2009 die EBIT-Marge von 6,1% auf 6,8% steigern, trotz Wirtschaftskrise. Vor allem Dank Bonding Systems stieg der Bruttogewinn sogar um rund 5 Millionen CHF. Wird 2011 ein vorprogrammiertes Rekordjahr?

Sie sprechen bereits vom 2011! Wir haben erst knapp die Hälfte des 2010 hinter uns. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass in 2010 in vielen Regionen oder Branchen nicht mit nachhaltigen Wachstumsimpulsen gerechnet werden kann. Die Auswirkungen der auslaufenden Konjunkturprogramme, der stark gestiegenen Staatsverschuldungen und der zu erwartenden Änderung der Zinspolitik sind nach wie vor schwierig abzuschätzen.


Diese Unsicherheiten erschweren eine konkrete Prognose für das Jahr 2010. Bei einem ähnlichen Wirtschaftsumfeld dürfte sich jedoch das Betriebsergebnis infolge der wegfallenden Integrations- und Strukturanpassungskosten deutlich verbessern. Wir streben ein Konzernergebnis von 100 Millionen CHF an. Darin ist der Gewinn aus dem Verkauf der Rieter-Aktien von rund 43 Millionen CHF vor  Steuern, noch nicht eingerechnet.


Um 5% wurde das Ergebnis auch durch den starken Schweizer Franken belastet. Hier erwarten alle Währungsexperten weiteren Aufwertungsdruck. Sichern Sie sich ab?

Forbo verfügt aufgrund der Struktur und geographischen Verteilung ihrer Beschaffungs- und Absatzmärkte sowie den global verteilten Produktionsstandorten über verschiedene natürliche Hedges. Zudem werden im operativen Geschäft gewisse Absicherungsgeschäfte durchgeführt. Die Auswirkungen von Währungsrisiken auf die Erfolgsrechnung halten sich deshalb in Grenzen.



«Mit den heutigen angepassten Strukturen und der soliden Finanzierung sind wir für einen erneuten Taucher der Weltwirtschaft gerüstet.»


Asien und Osteuropa sind für Forbo starke Wachstumsmärkte. Wo liegen bei letzterer Region die Gefahren?

Forbo hat in den letzten Jahren beträchtliche Investitionen in den Aufbau von Wachstumsmärkten in Asien und Osteuropa getätigt. Im Geschäftsbereich Flooring Systems haben wir eine Produktionsstätte zur Fertigung von Vinyl-Objektbelägen in Kaluga, Russland akquiriert und bei Bonding Systems haben wir in Stary Oskol, Russland ein Werk für Bauklebstoffe, in Shanghai ein Werk für industrielle Klebstoffen gebaut. Zur Zeit sind wir am Bau einer grösseren Produktionsstätte für Klebstoffe in Guangzhou im Süden von China.


Während sich die asiatischen Märkte trotz der Wirtschaftskrise weitgehend positiv entwickelt haben, wurde die für uns wichtige Bauindustrie in Osteuropa hart getroffen. Der praktische Stillstand von Neubauaktivitäten in dieser Region hat den Umsatz von Bodenbelägen sowie von Bauklebstoffen negativ beeinflusst. Wir beurteilen jedoch die langfristigen Aussichten in Asien, aber auch in Osteuropa weiterhin als positiv.


Eher Fachleuten sind Ihre zahlreichen Produktinnovationen ein Begriff. Welches sind denn die spannendsten für die nächsten 12 Monate?

Bei Flooring Systems liegen wir mit dem Produkt Linoleum, einem aus natürlichen und erneuerbaren  Rohmaterialien hergestellten Produkt, voll im Trend. Neue Kollektionen, kombiniert und abgestimmt mit unserem von Bonar Floors zugekauften Flotex-Sortiment, ergeben für den Kunden neue Anwendungsmöglichkeiten und viele gestalterische Freiheiten. 


Bei Bonding Systems sind wir an verschiedenen Innovationen, um den Kundennutzen zu erhöhen, indem wir Produkte mit geringerer Umweltbelastung und mit effizienterer Ausnutzung entwickeln.


Bei Movement Systems haben wir ein Transportband entwickelt, welches an der Unterseite mit einem speziellen Belag beschichtet ist und damit zu deutlichen Einsparungen beim Energieverbrauch führt


Forbo ist eine zyklische Industrieaktie. In Ihrem letzten Ausblick Ende März äusserten Sie sich sehr vorsichtig, was die Weltkonjunktur betrifft. Gehe ich Recht in der Annahme, dass Sie in der Zwischenzeit doch ein Stück optimistischer geworden sind oder haben Sie Angst vor einem zweiten Taucher der Wirtschaft?

Mit den heutigen angepassten Strukturen und der soliden Finanzierung sind wir für einen erneuten Taucher der Weltwirtschaft gerüstet. Obwohl wir für die nahe Zukunft etwas optimistischer sind als noch zu Beginn des Jahres, bestehen weiterhin grosse Unsicherheiten bei der mittelfristigen Wirtschaftsentwicklung.





Zum Unternehmen:
Forbo ist ein führender Hersteller von Bodenbelägen, Klebstoffen sowie Antriebs- und Leichtfördertechnik. Das Unternehmen beschäftigt rund 6 000 Mitarbeitende und verfügt über ein internationales Netz von 44 Standorten mit Produktion und Vertrieb sowie 47 reinen Vertriebsgesellschaften in weltweit insgesamt 35 Ländern. Der Nettoumsatz im Jahr 2009 betrug 1 782,4 Millionen CHF. Der Sitz der Gesellschaft befindet sich in Baar im Kanton Zug/Schweiz.


Zur Person:
This E. Schneider, 57, aus Wilen bei Wollerau, Kanton Schwyz studierte Wirtschaft an der St. Galler Hochschule. Seit März 2004 ist er VR-Delegierter und CEO der Forbo Gruppe. Von 1994 ? 2002 war er bereits in gleicher Funktion bei der Selecta. Dvor (1991 ? 1993) amtete er als Direktionspräsident der SAFAA in  Paris. Von 1984 ? 1990 war er als Mitglied der Geschäftsleitung der Schmidt-Agence (Schmidheiny-Gruppe) verantwortlich für strategische Planung, Betriebe und Logistik. 

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