Thomas Kern, CEO Flughafen Zürich AG
von Alexander Saheb/Patrick Gunti
Herr Kern, die Aschewolke über Europa hat den Flugbetrieb in Zürich tagelang stillgelegt. Noch ist die Krise nicht ausgestanden, das Schlimmste scheint aber vorüber. Wie haben Sie diese Tage erlebt?
Ein Flughafen ohne Flugbetrieb ist deprimierend! Erfreulich war zu sehen, dass alle Flughafenpartner unter der Leitung der Flughafen Zürich AG die Lage rasch unter Kontrolle hatten und die gestrandeten Passagiere gut betreuen konnten. Sie trafen sich regelmässig zu Lagebesprechungen, lösten die aktuellen Probleme und organisierten die erfolgreiche Wiederaufnahme des Flugbetriebes am Dienstagmorgen.
Welche Schlüsse lassen sich für ähnliche Vorkommnisse in der Zukunft ziehen?
Der Flughafen Zürich ist für solche ausserordentlichen Lagen gut vorbereitet und in der Lage, ein effizientes Krisenmanagement über Tage aufrecht zu erhalten.
Der internationale Luftfahrtverband IATA hat die Kosten der Flugverbote mit über 1,7 Milliarden Dollar beziffert. Welches sind die finanziellen Folgen der Schliessung für den Flughafen Zürich, welche Einnahmeeinbussen mussten Sie in Kauf nehmen?
Wenn man berücksichtigt, dass wir im vergangenen Jahr rund 850 Mio. CHF Umsatz erzielten, macht das pro Tag rund 2,3 bis 2,4 Mio. CHF aus. Da rund 85 % unseres Umsatzes direkt oder indirekt vom Flugverkehr abhängen, rechnen wir mit rund 2 Mio. CHF Einnahmenausfall pro Tag.
Sind die Ausfälle durch Versicherungen gedeckt oder erwarten Sie Staatshilfe, wie sie möglicherweise die Airlines erhalten?
Wir gehen im Moment nicht davon aus, dass unsere Betriebsausfall-Versicherung solch aussergewöhnliche Naturereignisse deckt. Beim Thema Staatshilfe erwarten wir Gleichbehandlung. Falls einzelne Bereiche des Luftverkehrs staatliche Unterstützung erhalten, soll das auch für die Flughäfen gelten.
«Besonders erfreulich ist, dass nicht nur die Zahl der Transferpassagiere, sondern auch diejenige der Lokalpassagiere ansteigt.» Thomas Kern, CEO Flughafen Zürich
Für das Geschäftsjahr 2010 erwarten Sie eine Zunahme des Passagiervolumens um 3 bis 5 Prozent. Welche Hauptgründe haben Sie dafür?
Die Verkehrszahlen der ersten drei Monate stimmen uns optimistisch für den weiteren Verlauf des Jahres. Besonders erfreulich ist, dass nicht nur die Zahl der Transferpassagiere, sondern auch diejenige der Lokalpassagiere ansteigt.
Die provisorischen Umsatzziffern für Januar und Februar 2010 zeigen bereits eine Steigerung um 6 Prozent bei fast 8 Prozent mehr Passagieren. Im März lag das Passagier-Aufkommen 9,7 % über dem Vorjahr. Ist obige Prognose da nicht recht vorsichtig?
Ich glaube nicht. Anfangs 2009 machte sich die weltweite Wirtschaftskrise auch am Flughafen Zürich mittels Verkehrsrückgang stark bemerkbar. Die derzeitigen Zuwachsraten sind deshalb etwas überhöht. Unsere Einschätzungen für das gesamte Jahr sind sehr realistisch. In der zweiten Jahreshälfte 2009 war der Verkehrsrückgang im Verhältnis zum Jahresbeginn geringer. Die Zuwachsraten in der zweiten Jahreshälfte dürften entsprechend weniger hoch ausfallen als im ersten Halbjahr.
Der von Singapore Airlines eingesetzte A 380 erlaubt mehr Passagiere bei weniger Flugbewegungen. Im Zuge der Fluglärmdiskussion kommt Ihnen das sicher entgegen?
Singapore Airlines hat den A380 mit einer beeindruckenden Anzahl von 471 Sitzen ausgerüstet. Es ist eine Tatsache, dass eine statt zwei Bewegungen weniger Lärm verursacht. Das hilft sicherlich in den Lärmdiskussionen mit den Nachbargemeinden. Zudem hat unsere Abteilung Lärmmanagement und Anwohnerschutz den Lärm des A380 an den ersten Operationstagen gemessen. Die Messungen haben ergeben, dass der A380 nicht lauter ist als ein Airbus A340.
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Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf die demnächst weitergehenden Verhandlungen mit Deutschland über die Anflugregelungen?
Die Verhandlungen mit Deutschland werden auf Bundesebene geführt. Selbstverständlich erhoffen wir uns als Resultat der Verhandlungen eine Reduktion der bestehenden Anflugbeschränkungen über süddeutschem Raum.
Für das Bauprojekt «The Circle» hatten Sie auch darauf gehofft dort ein Spielcasino einrichten zu können. Diese Pläne haben sich im Zuge des Lizenz-Vergabeverfahrens zerschlagen. Gibt es überhaupt ähnlich attraktive Alternativnutzungen?
Es ist richtig, dass wir am Flughafen Zürich gerne ein Casino angesiedelt hätten. Das Casino war aber nie im Projekt «The Circle» vorgesehen. Es wäre im Erdgeschoss des Parkhauses 1 eingerichtet worden. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass der Flughafen Zürich dank seiner exzellenten Verkehrsanbindung ein geeigneter Standort für ein Casino im Kanton Zürich gewesen wäre.
Es gibt Überlegungen, für «The Circle» eine separate Gesellschaft zu gründen, an der der Flughafen dann einen noch zu definierenden Anteil halten soll. Warum werden diese Überlegungen gemacht?
Ein ausgewogenes Finanzierungsmodell und die richtigen Partner sind Teil des Erfolges eines Projekts in dieser Grössenordnung. Derzeit ist das japanische Architektenteam um Riken Yamamoto damit beschäftigt, ein bewilligungsreifes Projekt auszuarbeiten. Parallel dazu machen wir uns auch Gedanken zur Art der Finanzierung.
Die Aktie des Flughafens Zürich hat sich seit Jahresbeginn kräftig erholt. Wie wichtig ist für Sie der Aktienkurs?
Dass der Aktienkurs unserer Unternehmung sich in den vergangenen Wochen positiver als der Gesamtmarkt entwickelt, freut uns natürlich. Das zeugt vom Vertrauen der Anleger in unser Unternehmen.
«Derzeit ist das japanische Architektenteam um Riken Yamamoto damit beschäftigt, ein bewilligungsreifes Projekt auszuarbeiten.»
Kanton und Stadt Zürich sind Grossaktionäre, sonst hält niemand mehr als 5 Prozent am Unternehmen. Welches Interesse bringen grosse institutionelle Anleger der Aktie entgegen?
Der Kanton Zürich ist mit einem per Flughafengesetz festgelegten Mindestaktienanteil von 33 1/3% plus eine Aktie unser grösster Aktionär. Zudem hält die Stadt Zürich rund 5% Anteile an unserer Unternehmung. Institutionelle Investoren sind vor allem an stabilen und möglichst berechenbaren Cash Flows interessiert. Beides bieten Infrastrukturwerte und insbesondere Flughäfen sehr gut.
Mit der Aktie beteiligt man sich an einem Unternehmen, dass einerseits den Flugbetrieb abwickelt, andererseits aber auch ein Immobilienportfolio bewirtschaftet. Welche Vor- und Nachteile schafft dieser Doppelcharakter?
Eine möglichst ausgewogene Diversifikation ist für die Aktionäre, aber insbesondere für das Unternehmen selber von grosser Wichtigkeit. Im Jahr 2009 haben sich die fixen Mietzinseinnahmen als wichtiger, ertragsstabilisierender Faktor erwiesen in einer Zeit, wo zum Beispiel Kommerzeinnahmen (Shops, Restaurants) überproportional rückläufig waren. «The Circle» und unsere internationalen Flughafenengagements sollen diese Diversifikation in Zukunft unterstreichen.
Andere fliegen einmal im Jahr, Sie sicherlich vergleichsweise häufig. Was ist nach dem Flugzeug Ihr liebstes Verkehrsmittel?
Mein Pferd.
Herr Kern, besten Dank für das Interview.
Der Gesprächspartner:
Thomas Kern (*1953) ist seit Anfang 2008 Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Zürich AG. Der studierte Jurist absolvierte auch ein MBA am französischen INSEAD-Institut. Er war zunächst bei der Interio AG als Expansions- und später Unternehmensleiter tätig. Von 2002 bis 2006 war er CEO der Globus-Gruppe. Kern ist im VR des Schauspielhaus Zürich und der Lorze AG sowie im Stiftungsrat des Zoo Zürich. Kern ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Seine Hobbys sind Sport, Reisen und Fotografieren.
Das Unternehmen:
Die Flughafen Zürich AG betreibt den Flughafen Zürich als gemischtwirtschaftliches börsenkotiertes Unternehmen und Konzessionärin des Bundes. Im Jahr 2009 erwirtschaftete die Gesellschaft mit knapp 1’500 Mitarbeitenden einen Umsatz von 820.2 Millionen Franken und einen Gewinn von 190.6 Millionen Franken. 33.3 Prozent des Aktienpaketes gehören dem Kanton und 5 Prozent der Stadt Zürich. Die Aktien der Gesellschaft sind an der SIX Swiss Exchange kotiert.