In seinen «Piccole Sonate» für Violine allein zeigt sich Giuseppe Tartini weitaus introvertierter als man dies von seinem bekanntesten Werk, der «Teufelstrillersonate», her erwarten würde: Während sich diese durch spektakuläre virtuose Schaueffekte auszeichnet und von allerlei Legenden über eine diabolische Inspiration umgeben ist ? Legenden, zu deren Verbreitung Tartini als guter Geschäftsmann eifrig beitrug ?, weisen die späten 26 «Piccole Sonate» alle Merkmale eines abgeklärten Stils auf. Äusserliche Virtuosität tritt zurück zugunsten des intimen und verdichteten Ausdrucks. «Diese Stücke werden sehr selten aufgeführt, auch ich habe sie eigentlich zufällig entdeckt», sagt Michelle Makarski, deren reiner, heller Klang und subtile Phrasierung dieser Musik besonders entgegenkommen.
«Dieses wunderbar aufgenommene Programm ist eine der unmittelbar überzeugendsten Platten, die ich seit längerer Zeit gehört habe», schrieb Julian Haylock in The Strad.
«Nachdem ich die siebte Sonate bereits auf Elogio eingespielt hatte, war ich sehr froh, mir die Sammlung nun als Ganzes vornehmen zu können. Die drei Sonaten, die ich hier ausgewählt habe stachen mir schnell als Lieblingsstücke ins Auge. Die Musik ist sehr beredt und tief empfunden, scheinbar schlicht aber sehr berührend ? und äusserst anspruchsvoll zu spielen! In gewisser Weise ist das schwieriger als so manche pyrotechnischen Extremanforderungen des Violinrepertoires. Einige Sätze sind fast durchweg einstimmig gehalten, und das meiste ist sehr transparent.»
Zum Gebrauch des Barockbogens
Nur «um der Konvention genüge zu tun», wie er in einem Brief schrieb, fügte Tartini seinen «Piccole Sonate» optionale (und vielfach nur rudimentäre) Continuo-Stimmen hinzu: Um den weniger doppelgrifferprobten Geigern das Leben zu erleichtern, aber auch als Anpassung an den gegen Mitte des 18. Jahrhunderts vorherrschenden galanten Geschmack, dem Werke für Violine solo längst als unmodern galten. Selbstverständlich spielt Makarski die Solofassungen. Obwohl sie für Tartini und Crockett zu verschiedenen Bögen greift, hat sie den Gebrauch des Barockbogens und eines historischen Instruments mit Darmbesaitung nie in Erwägung gezogen.
Vom Schmerzhaftem zum Atmosphärischem
Ihre Vielseitigkeit und Offenheit ist essenziell für Makarskis Umgang mit dem Violinrepertoire und ihre Vorliebe für sorgfältig komponierte Programme, in denen sie alte, weniger bekannte Kompositionen und Zeitgenössisches so einander gegenüberstellt, dass sowohl lebendige Kontraste als auch überraschende Kongruenzen erkennbar werden. «Ich wollte bei dieser Aufnahme auf das Klavier verzichten, denn mir ging es vor allem um das Streichertimbre. Crocketts ?To be sung on the water? erschien mir wie ein modernes Äquivalent zu Tartini.» Tatsächlich weisen die hier aufgenommenen Stücke grosse atmosphärische Gemeinsamkeiten auf. Besonders deutlich wird dies in der Aufeinanderfolge von Crocketts «To be sung on the water» für Violine und Viola (beide sind durchweg gedämpft zu spielen) und Tartinis Sonate in d-moll, die mit einem melancholischen Siciliano voller schmerzlicher Dissonanzen beginnt.
?Morgen entschwindet mit schimmerndem Flügel / Wieder wie gestern und heute die Zeit, / Bis ich auf höherem strahlenden Flügel / Selber entschwinde der wechselnden Zeit.
(aus: Friedrich Leopold Graf zu Stolberg-Stolberg «Auf dem Wasser zu singen», veröffentlicht 1779)
Michelle Makarski
Die amerikanische Geigerin Michelle Makarski wurde im Norden Michigans in eine polnisch-italienische Familie hineingeboren. Sie geniesst einen internationalen Ruf als Interpretin eines denkbar breiten Repertoires, das von Alter Musik bis zu eigens für sie geschriebenen Stücken reicht und barocke Verzierungskunst ebenso umfasst wie Jazzimprovisation. Makarski war Siegerin des Alberto Curci-Wettbewerbs in Neapel und wurde mit dem Beethoven-Sonaten-Preis des Londoner Carl Flesch-Wettbewerbs ausgezeichnet. Der erste Preis beim American Music-Wettbewerb der Carnegie Hall brachte Makarski internationale Aufmerksamkeit ein. Ihre Aufnahmen für ECM umfassen Bridge of Light mit Werken Keith Jarretts, Caoine, eine Zusammenstellung von Werken für Violine solo, und, wie bereits erwähnt, Elogio per un´ombra. Zuletzt war Makarski auf dem Album Tituli / Cathedral in the Thrashing Rain mit Werken des Amerikaners Stephen Hartke an der Seite des Hilliard Ensembles zu hören. Einen bemerkenswerten Beitrag leistete sie bei dem Album From the Green Hill des polnischen Jazztrompeters Tomasz Stanko an der Seite von John Surman, Dino Saluzzi, Anders Jormin und Jon Christensen.
Ronald Copes
Ronald Copes, geboren in Arkansas, war Mitglied des Dunsmuir Piano Quartet und des Los Angeles Piano Quartet, bevor er 1997 als zweiter Geiger dem Juilliard String Quartet beitrat. Copes unterrichtet als Professor an der Juilliard School of Music.